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Sogar „Schönreden“ wäre hilfreich

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Nach einem Zwischenhoch im Vorjahr ist die Jobzufriedenheit 2018 erneut gesunken – die Stimmung unter den Beschäftigten habe sich „getrübt“. Berend Tusch, Chef des Bereiches Tourismus in der Gewerkschaft vida, leitete daraus ab, dass „Jobs im Tourismus endlich die gleichen Arbeitsbedingungen brauchen wie andere Branchen“. Im Vorjahr hatte er sich noch darüber gefreut, dass die MitarbeiterInnen nach „zehnjähriger Aufholjagd endlich da angekommen sind, wo andere Branchen sind“.

Die Quelle dieser Stimmungsschwankungen ist der „Arbeitsklimaindex“, den die AK Oberösterreich erheben lässt, mit einer Sonderauswertung für den Bereich Tourismus. Was von dieser zu halten ist, wurde schon mehrfach behandelt: Die statistische Basis ist zu schmal, um gültige Aussagen über einzelne Branchen zuzulassen. Von den insgesamt 4.000 Interviews jährlich entfallen nur 324 auf den Bereich Gastronomie und Beherbergung, die in vier Tranchen mit je 80 Interviews durchgeführt werden, jedes Mal mit anderen GesprächspartnerInnen. Da genügt schon der Wechsel weniger InterviewpartnerInnen, um wilde Ausschläge bei den Ergebnissen zu erzeugen. Von 2012 bis 2018 stieg der Gesamtindex aller Branchen von 107 auf 110 Punkte, der Tourismus-Index von 101 Punkten auf 107,5, dazwischen allerdings mit Ausschlägen von bis zu sieben (!) Punkten in beide Richtungen. 2017 lag der Tourismus-­Index mit 109 Punkten um einen Punkt über dem aller Branchen, was weder einen Anlass zum Jubeln noch heuer zur Trauer gibt – denn alles liegt innerhalb der bei der schwachen Basis sehr hohen statistischen Schwankungsbreite.

Was die Erhebungen längerfristig aber erkennen lassen, sind die Schwachpunkte der Arbeit im Tourismus: Wenn Tusch erklärt, „wir sind Schlusslicht bei der Befriedigung der Bedürfnisse“, ist das in dieser pauschalen Form sicher überzogen, aber nicht ganz falsch. Vor allem die nicht immer planbaren, oft langen und damit beziehungsfeindlichen Arbeitszeiten, die körperliche Belastung, die unbefriedigende Einkommenssituation und die beschränkten Entwicklungsmöglichkeiten sind kaum bestreitbar. In einer sachlichen Podiumsdiskussion mit ÖHT-Chef Wolfgang Kleemann als Moderator war man sich über die Gründe weitgehend einig: In einer Branche mit einem dominierenden Anteil an Hilfskräften ohne anspruchsvollem Qualifikationsbedarf kann man weder Spitzeneinkommen noch besondere Karrieremöglichkeiten erwarten. Das ist allerdings bestenfalls das halbe Bild des Tourismus: Die andere Hälfte zeigt einen Wirtschaftszweig, der ausgezeichnete Arbeitsbedingungen und Chancen bietet. „Wenn wir einen eigenen Kollektivvertrag abschließen würden, würde der ganz anders ausschauen“, erklärte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer, die gerne eine eigene Auswertung für die Hotellerie hätte. Tatsächlich ist unbestritten, dass die Hotels beim Arbeitsklimaindex deutlich besser abschneiden als etwa die Gastronomie. Das entscheidende Problem ist die Spannweite der Betriebe: Die Situation eines Wirtshauses mit einer Küchenhilfe und einem Kellner ist völlig anders, als jene eines Sternehotels – zwischen der Qualität der Betriebe und der Arbeitsplätze besteht meist ein direkter Zusammenhang. Die WKO als Interessenvertretung muss auch die Schwächsten mitnehmen. In der Öffentlichkeit entsteht damit schnell der Eindruck, die Branche bewege sich auf Schlusslichtniveau.

Für eine weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen möchte man zusammenarbeiten. Michaela Reitterer sieht noch „Luft nach oben“, Berend Tusch wünscht sich, dass man vom „Schönreden“ der Branche endlich zu Taten kommt. Wenn unter Schönreden zu verstehen ist, dass auch die positiven Seiten der Arbeit im Tourismus entsprechend herausgestellt werden, wäre schon das hilfreich. Ein Überdenken des Arbeitsklimaindex auch.

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