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Rauchverbot: Wirte planen Sammelklage

Print-Ausgabe 29. November 2019

Der Gastwirt Axel Littig hat in einem offenen Brief an das Gesundheitsministerium angekündigt, gemeinsam mit KollegInnen mit einer Sammelklage gegen das geplante totale Rauchverbot in der Gastronomie vorzugehen: Wenn alle Sonderregelungen für das Gastgewerbe gestrichen werden, sehe er sich in seiner Existenz gefährdet, würde Personal entlassen und im schlimmsten Fall das Lokal schließen müssen. Seine Interessenvertretung gibt ihm Schützenhilfe: Die derzeitige gesetzliche Regelung habe ihren Zweck erfüllt, die Balance zwischen Nichtraucherschutz und individueller Entscheidungsfreiheit zu wahren; essen in rauchfreier Atmosphäre sei längst die Regel, es gebe keine Beschwerden von NichtraucherInnen und daher keinen Anlass für neue Verbote. Es gehe nicht um eine Verteidigung des Rauchens, sondern um ein Mindestmaß an Freiheit für UnternehmerInnen.

Aber hallo – haben wir das nicht gerade erlebt? Ist ein eingefrorener Posthornwarnton gegen das soeben eingeführte totale Rauchverbot in der Gastronomie als Folge der Klimaerwärmung aufgetaut? Keineswegs – das ist aktuelle Gegenwart. Aber nicht in Österreich: Littigs Gasthaus steht in der Nähe von Stuttgart, seine Interessenvertretung ist der DEHOGA und das Bundesland, dessen WirtInnen der (grüne) Gesundheitsminister das totale Rauchverbot androht, ist Baden-Württemberg. Bekanntlich in Deutschland, dem Nachbrland, aus dem die meisten BesucherInnen stammen, die sich (bisher) naserümpfend darüber mockierten, im „Aschenbecher Europas“ gelandet zu sein, wo man im Wirtshaus noch immer mit Tabakqualm vergiftet wird.

Diesen Vorwurf haben die Rauchverbot-VerfechterInnen in Österreich konsequent übernommen: Überall geht’s, nur in Österreich nicht. Diese Argumentation war nicht fair: Mit wenigen Klicks –Google macht‘s möglich – lässt sich feststellen, dass es eben nicht „überall geht“, vor allem nicht im Vorbildland Deutschland. Mit dem Killerargument Gesundheitsschutz reichte sie jedenfalls aus, um Österreich in die recht kleine Spitzengruppe der Länder mit dem rigorosesten Nichtraucherschutz zu katapultieren – und zwar weltweit. Eine satte Mehrheit von 60 Prozent der Bevölkerung jubelt, das ist legitim, denn dass das Rauchverbot gesundheitspolitisch einen positiven Effekt bringt, ist nicht nur unbestreitbar, sondern zum Teil auch belegbar. Ob der groß genug ist, um derart massive Eingriffe in die persönliche Entscheidungsfreiheit zu rechtfertigen, könnte man noch end- und ergebnislos diskutieren.

Die aktuelle Situation stellt sich international so dar: Nach dem Scheitern einer  bundesweiten Regelung wurden in Deutschland – mehrfach korrigiert vom Verfassungsgerichtshof – Landesgesetze beschlossen, die ein detailreiches Chaos darstellen. Ein echtes Rauchverbot ohne Ausnahmen im Gastgewerbe wie in Österreich gibt es nur in drei Bundesländern: Bayern, Saarland und Nordrhein-Westfalen. In den übrigen 13 herrscht für Einraumgaststätten bis 75 m2 Wahlfreiheit zwischen Raucher- oder Nichtraucherlokal; in größeren Lokalen sind abgetrennte Raucherräume zugelassen, mit unterschiedlichen Detailvorschriften und einer Fülle von Auslegungsmöglichkeiten. So dürfen etwa in den „Raucherkneipen“ je nach Bundesland nur „kalte Speisen einfacher Art“ serviert werden, keine „zubereiteten Speisen, nur als untergeordnete Nebenleistung“ oder „kalte oder einfach zubereitete Speisen“, bzw. müssen Raucherlokale „inhabergeführt“ sein, ohne MitarbeiterInnen. In Diskotheken sind in den meisten Ländern Raucherräume zulässig. In Shisha-Gaststätten und in Vereinsgaststätten ist Rauchen nur in Berlin erlaubt, in Festzelten nur in Hessen. In zwei Drittel der übrigen europäischen Länder gibt es kein totales Rauchverbot und sogar in den USA gibt es Bundesstaaten, in denen gequalmt werden kann.

Trotzdem: Der berühmte „Zeitgeist“ läuft auf allen Kontinenten gegen das Rauchen. In  Österreich konzentriert sich die WKO auf die Einhaltung der Rechtssicherheit. Aktiven Widerstand gegen „Bevormundung“ und „Verbotskultur“ hält nur die FPÖ aufrecht, beschwört das Ende der Wirtshauskultur und entfaltet einen fast schon komischen Profilierungsaktivismus. So erhalten in Niederösterreich Wirte, die Investitionen in Außen-Raucherbereiche nachweisen (etwa für Heizstrahler) 100 Euro Cash auf die Hand. Die Aktion ist allerdings mit 10.000 Euro gedeckelt – bei 100 Investoren ist Schluss. Für mehr als ein paar Aschenbecher wird das nicht reichen.

In einem Punkt hat sie allerdings Recht: Der Verwaltungsgerichtshof hat die Behandlung weiterer Anträge gegen das Rauchverbot mangels Erfolgsaussichten abgelehnt. Begründung: Gesundheitsschutz ist höher zu bewerten, als die wirtschaftlichen Interessen von UnternehmerInnen. Das klingt wie eine Drohung und könnte schnell für fetten Schweinsbraten, überzuckerte Limonaden oder den Grünen Veltliner zum Problem werden.

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