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Mit Problemen leben lernen

Print-Ausgabe 16. April 2021

Wer in den letzten 12 Monaten die Medienberichterstattung verfolgt hat, musste den Eindruck gewinnen, dass sich außer der Corona-Pandemie eigentlich nichts getan hat. Dass eine weltweite Katastrophe alles andere zudeckt, ist nicht verwunderlich, vor allem, wenn eine tragende Säule der Wirtschaft wie der Tourismus vor dem Zusammenbruch steht. Aber ganz so ist es ja auch nicht: Bei gezieltem Hinschauen zeigt sich, dass das Leben trotz allem weiter gegangen ist. So ging im Juli des Vorjahres – also schon in der Pandemie – das Klimaschutz-Volksbegehren zu Ende, das mit 380.000 Unterzeichnern im Nationalrat behandelt werden musste und im Umweltausschuss in eine von den Regierungsparteien getragene „Entschließung“ mündete, die – wenn sie entsprechend umgesetzt wird – Bewegung in das Thema bringen könnte. Bisher erschöpften sich die Aktivitäten für den Klimaschutz allerdings darin, dass bei internationalen Konferenzen – zuletzt in Paris – Abkommen mit immer „ambitionierteren“ Grenzwerten für Schadstoffemissionen ausgefeilscht wurden, um sie bei der nächsten Veranstaltung daraufhin zu überprüfen, wie weit sie verfehlt wurden. Künftig soll es ein „Klimakabinett“, einen „wissenschaftlichen Klimabeirat“ – zusätzlich zu einem bereits vorhandenen „nationalen Klimakomitee“ – sowie einen „BürgerInnenrat“ geben, die über die Einhaltung aller Vorgaben wachen, wie etwa den Fortschritt aller Klimaschutzmaßnahmen oder das verbindliche CO2-Budget, das den Emissionen eine Grenze setzt, von der aber noch niemand weiß, wo sie liegt. Zuerst muss man sich auf einen Preis pro Tonne emittiertem CO2 einigen. Das „Recht auf Klimaschutz“ soll in der Verfassung verankert werden und Anwälte überlegen bereits, ob man beim nächsten Hochwasser vom Staat Schadenersatz einklagen kann, weil der Klimaschutz unzureichend war.

An der breiten Öffentlichkeit fast unbemerkt vorbei ging auch der nach Verzögerungen gleichzeitig präsentierte Entwurf für ein „Ökostromgesetz“, nach Einschätzung von Grüne-Chef Vizekanzler Kogler ein „großer Wurf“, der durch eine „Energiewende“ eine „Klimawende“ bewirken soll. Klima- und Energieministerin Leonore Gewessler hofft, dass es noch heuer beschlossen wird und kündigte an, dass man diese Klimawende überall „spüren und sehen“ werde. Damit könnte sie Recht haben: Um ab 2030 nur mehr Strom aus erneuerbarer Energie zu erzeugen und 2040 die totale „Klimaneutralität“ zu erreichen, müsste die Stromleistung der Windkraftanlagen verdreifacht werden und ihre Zahl von 1.300 auf 2.000 zunehmen. Die Stromerzeugung mit Fotovoltaik müsste sogar verzehnfacht werden. Dafür würde es nicht reichen, im Rahmen einer bereits angelaufenen Förderaktion eine Mio. Hausdächer mit Sonnenpanelen zu bestücken, auch alle anderen Möglichkeiten müssten dafür genutzt werden, etwa Autobahntrassen, Parkplätze oder Lärmschutzwände. 

Diese Sichtbarkeit der Energie- und Klimawende löst Widerstände bei der Bevölkerung aus, wie man sie bei den Windparks bereits kennt: Keine neue Anlage ohne Bürgerproteste. Die Klimaministerin hat dafür ein umwerfendes Gegenargument: Dafür wird durch den Rückgang der Emissionen die Luft besser. 

Dass das Thema Klima und Umwelt in der DNA der Grünen als Ideologie eingelagert ist, wäre an sich nicht schlimm. Nur leider bestätigt die Erfahrung, dass mit dem Gewicht der Ideologie der Realitätsverlust zunimmt. Das trifft offensichtlich auch auf Leonore Gewessler zu: Man findet kaum praxisnahe ExpertInnen, die diese Vorstellungen für realisierbar ansehen. Da Widerspruch gegen den Mainstream wäre, beschränkt man sich auf ein mitleidiges Lächeln. Das Problem an dieser Haltung ist nicht, dass halt nichts passiert, sondern dass die Entwicklung in eine falsche Richtung läuft. Für den Tourismus ist der Bereich Mobilität besonders wichtig, weil sie die Voraussetzung für jedes Reisen ist. Dass das E-Auto nicht die Lösung des Klimaproblems bringen kann, ist inzwischen unbestritten, vor allem in Form des „Hybridantriebes“, der auch bei Familienkutschen mit „Systemleistungen“ (Elektromotor+ Diesel) um die 200 PS jeder Energieeffizienz widerspricht. Auch in der besprochenen „Entschließung“ steht bei der Forderung nach einer „flächendeckenden Versorgung mit klimafreundlicher Mobilität“ die E-Mobilität gleichwertig neben dem Wasserstoff. Trotzdem fließen nach wie vor die Fördermillionen in den Verkauf von Elektroautos. Ein anderes Beispiel: Alle Diskussionen um den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr enden bei der Eisenbahn und niemand fragt, ob sie die hochgeschraubten Erwartungen tatsächlich erfüllen könnten. Und welche Schlüsse können wir zu diesem Thema aus der Corona-­Krise ziehen? Es ist sicherer, sich nicht auf eine Lösung der Probleme zu verlassen, sondern zu lernen, mit ihnen zu leben.

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