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Hotelsterne glänzen mit Glaubwürdigkeit

Print-Ausgabe 11. Jänner 2018

Was haben die „Hotelsterne“ mit Prada Handtaschen und Rolex Uhren gemeinsam? Ganz einfach: Sie werden gefälscht. Und das ist nach weit verbreiteter Meinung ein verlässlicher Maßstab für den Wert einer Marke bzw. die Wertschätzung, die sie in einer breiten Öffentlichkeit genießt. Tatsächlich muss sich der deutsche DEHOGA seit 2015 mit der Kritik vor allem von TV-Medien auseinandersetzen, dass die Sterne-Bewertung zu vieler Hotels – Stichproben ergaben etwa ein Viertel – zumindest fragwürdig sei. Der für die Klassifizierung zuständige Verband überprüfte selbst 3.000 der insgesamt etwa 8.500 klassifizierten Betriebe und musste einräumen, dass rund 8 Prozent „illegitime Sternewerbung“ betreiben, nicht alle durch Fälschung, in vielen Fällen war die Gültigkeit der Bewertung, die alle drei Jahre erneuert werden muss, abgelaufen. Der Verband bemüht sich, die Probleme unter Kontrolle zu bringen, es ist allerdings mühsam, die Sternesünder überhaupt zu identifizieren und die einzelnen Fälle von einer Abmahnung mit Unterlassungserklärung bis zu einem Gerichtsverfahren wegen „Verbrauchertäuschung“ und Wettbewerbswidrigkeit zu verfolgen. Und es macht auch keinen schlanken Fuß, die eigenen Verbandsmitglieder vor den Kadi zu zerren. Die öffentliche Diskussion um dieses Thema hat aber gereicht, um das Sternesystem in Frage zu stellen. Die „Süddeutsche Zeitung“ ging unter dem Titel „Sterne? Schnuppe!“ der Frage nach, inwieweit die traditionelle Klassifizierung neben der Bewertungs-Konkurrenz noch Sinn macht. Sie kam dabei zum Ergebnis, dass die Konsumenten gelernt haben, beide Welten zusammen zu führen: Die Sternebewertung erzeugt als Basisinformation eine Erwartungshaltung, an der sich die Gäste bei ihren Bewertungen orientieren.

Nicht aus der analogen Steinzeit

Dazu gibt es Studien, die eine seriösere Begründung als die Attraktivität für Fälschungen dafür liefern, der Propaganda der Digitalindustrie nicht zu glauben, die in den traditionellen Sternen verzichtbare Relikte aus der analogen Steinzeit sehen möchte, längst überholt von den Gästebewertungen auf den großen Online-Plattformen, von Booking.com bis Tripadvisor: Die meisten einigermaßen unabhängigen Studien bescheinigen zwar den Bewertungsplattformen die Führungsposition, vor allem bei der Information über eine Reise, als Entscheidungskriterium für die Wahl der Unterkunft liegen die Sterne aber praktisch gleichauf – meist innerhalb der statistischen Schwankungsbreite. Das trifft vor allem zu, wenn es um die Glaubwürdigkeit geht: Die höchste Verlässlichkeit wird den Auskünften von Freunden und Verwandten zugeschrieben, Gästebewertungen und Sterneklassifizierung liegen deutlich darunter, aber auf praktisch gleichem Niveau (sogar über der Website der Hotels), „Soziale Netzwerke“ erreichen weit abgeschlagen nur die halbe Höhe. Die „amtliche“ Anmutung der Sterne wird als verlässlicher eingeschätzt, als die subjektiven Gästebewertungen, von denen nach Expertenmeinung etwa ein Drittel manipuliert ist, und die durch Fake-Vorwürfe rufgeschädigten Facebook-Postings. Die aktuellste dieser Studien, von der österreichischen Markenagentur Willy Lehmann mit dem Marktforschungsinstitut Whitebox erstellt, wurde kürzlich gemeinsam mit dem Fachverband Hotellerie vorgestellt und bestätigt diese Erkenntnisse. Fachverbandsobmann Siegfried Egger unterstrich den Zusammenhang beider Systeme mit dem Hinweis, dass das Animieren der Gäste zu Bewertungen für die Sterne-Klassifizierung demnächst noch mehr Gewicht erhalten würde.

Musterknabe Österreich

Österreich ist wie so oft auch bei der Hotelklassifizierung ein Musterknabe, rund die Hälfte der fast 19.000 Beherbergungsbetriebe ist mit Sternen bestückt  und die „Hotelstar-Union“, in der inzwischen 17 europäische Mitgliedsländer ihre Hotels nach 270 Kriterien bewerten, ist auf Initiative der österreichischen Hotellerie entstanden. Wie es weiter geht, ist allerdings offen: Sogar in Europa gibt es große weiße Felder, wo Tourismus-Schwergewichte wie Italien, Frankreich oder Spanien fehlen. Sie verwenden aber trotzdem die Sternebewertung, wenn auch nach zum Teil unterschiedlichen Systemen. Ob das wirklich eine Rolle spielt, kann man bezweifeln: Sterne als Qualitätsmaßstab wurden 1334 in Florenz erfunden, 1853 von Baedeker auf die Reisewelt übertragen und inzwischen weiß jedes Kind, dass viele Sterne nicht nur ein Signal für höhere Qualität sind – ohne viel nach Details zu fragen. Damit dürfte gesichert sein, dass auch die Hotelsterne in Zukunft nicht allzu viel an Glanz verlieren.

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