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GewO: In der Nachspielzeit alles erreicht

Print-Ausgabe 14. Juli 2017

Im Fußball fallen entscheidende Tore oft in der Nachspielzeit. Das passierte auch bei der Reform der Gewerbeordnung: Nach dem Beschluss von Neuwahlen rechnete kaum jemand damit, dass der beschlussfertige, vom Nationalrat aber an den Wirtschaftsausschuss zurückgeschickte Entwurf noch in dieser Legislaturperiode Gesetz werden könnte. Dass „alle mit Ausnahme der ÖVP“ über diese „Verschiebung“ froh gewesen wären, weil sie weiter gehende Reformen erwartet hätten, stimmt so nicht: Petra Nocker-Schwarzenbacher, die Obfrau der Bundessparte Tourismus, zählte die akuten Probleme auf, die damit für unabsehbare Zeit auf die lange Bank geschoben würden.

Turbo-Verhandlungen

Niemand rechnete damit, dass nach monatelangen Streitereien in nur zwei Wochen Lösungen gefunden wurden, die deutlich besser sind, als jene des Entwurfs. Der Turbo bei den Verhandlungen hatte vor allem zwei Quellen: Der neue Wirtschaftsminister Mahrer und die Angst, als „Blockierer“ dem Gegner Wahlkampfmunition zu liefern.

Für den Tourismus geht es vor allem um die bisher nur vage geregelten „Nebenrechte“: In welchem Umfang dürfen Tätigkeiten ausgeübt werden, die zum Berechtigungsbereich anderer Gewerbe gehören, ohne dass dafür eine zusätzliche Gewerbeberechtigung nötig wird? Im ersten Ansatz wurde eine Grenze von 30 Prozent vom Gesamtumsatz für freie und von 15 Prozent für gebundene (mit Befähigungsnachweis ausübbare) Gewerbe vorgesehen. Gewerbe und Handwerk protestierten dagegen, dass als Maßzahl der Jahresumsatz herangezogen wird, der erst im Nachhinein fest steht. Gegen den Umsatz pro Auftrag als Referenzzahl sträubte sich die Hotellerie: Bei einem Pauschalangebot Nächtigung plus Skipass kann im Einzelfall die 15 Prozent-Anteilsschwelle leicht überschritten werden, ohne dass ein Ausgleich über den Jahresumsatz möglich wäre. Die im Entwurf getroffene Regelung, dass für Umsätze im Bereich der freien Gewerbe der Jahresumsatz, für jene im gebundenen der Umsatz pro Auftrag gilt, hätte der Hotellerie wenig gebracht.

Die nun im Gesetz zusätzlich getroffene Regelung ist geradezu perfekt: Im Berechtigungsumfang für das Beherbergungsgewerbe werden ohne Begrenzung zulässige „verbundene Reiseleistungen“ taxativ aufgezählt: Anbieten von Skiliftkarten, Verleih von Sportausrüstungen, Sport- und Wanderführungen, Eintrittskarten für Veranstaltungen und Freizeiteinrichtungen, Wellnessbehandlungen (inkl. Massagen) und Veranstaltung von Tagesausflügen. Zulässig ist auch das Anbieten von „Pauschalreisen“, allerdings nur gewerberechtlich. Wenn ein Arrangement der in der EU-Pauschalreiserichtlinie fixierten Definition entspricht, werden die für Veranstalter verbindlichen Haftungs- und Versicherungsverpflichtungen schlagend, die sich kaum ein Hotelier antun wird. Die vielen Verfahrensvereinfachungen sind besonderes wirkungsvoll, deren Krönung wurde allerdings von den Grünen verhindert: Die Zusammenfassung der Betriebsanlagengenehmigung in einem „One-Stop-Shop“ scheiterte an ihren Bedenken, dass damit Anrainerrechte und Umweltschutz unterlaufen werden könnten.

Nächste Reform in Sicht

Ziel der Novellierung der Gewerbeordnung war eine Liberalisierung und Entrümpelung. Das 400 Paragrafen-Monstrum bietet dazu noch viele Möglichkeiten, die politische Diskussion erschöpft sich aber im Anprangern der großen Zahl an Gewerben: 440 freie und 80 gebundene Gewerbe riechen nach prähistorischem Zunftwesen. Das von Reinhold Mitterlehner zum Reformstart für die freien Gewerbe angepeilte Ziel, für diese mit nur einem Gewerbeschein auszukommen, verschwand schnell von der Agenda, tauchte aber als „Single Licence“ überraschenderweise in der Neufassung wieder auf und wird sicher manche Verbesserungen bringen. Bei den reglementierten Gewerben wurde eine Reduktion auf 75 nur mit einem kosmetischen Trick erreicht: Es wurden einfach einige Gewerbe in andere integriert.

Auch wenn die Struktur der Gewerbeordnung antiquiert ist, sollte die Kritik am Boden bleiben: Manches mag mühsam sein, aber dass die Realisierung einer brauchbaren Geschäftsidee wirklich daran gescheitert sein sollte, ist kaum vorstellbar. Viel schwerer wiegt die Kritik der ÖHV, dass neue Entwicklungen wie die Sharing Economy (= Airbnb, Uber) im novellierten Gesetz keinerlei Berücksichtigung finden. Wenn es im Mai 2018 in Kraft tritt, ist die nächste Reform bereits in Sicht.

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