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„Frau Ministerin – wos is mit Ihnen?“

Print-Ausgabe 9. März 2018

„Frau Ministerin, wos is mit Ihnen?“ Dieser Zuruf vom Rednerpult im „Hohen Haus“ an eine Ministerin ist nicht gerade ungehörig, aber doch ungewöhnlich. NEOS-Chef Matthias Strolz reagierte damit auf die Stellungnahme von FP-Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein zu einer „Dringlichen Anfrage“, die ihre SP-Vorgängerin Rendi-Wagner im Rahmen der Parlamentsdebatte um die Aufhebung des Gesetzes für ein totales Rauchverbot in der Gastronomie an sie gerichtet hatte. Auf die Frage nach ihrer persönlichen Meinung zu dieser gesundheitspolitischen „Schande“ stellte sie überraschend die Rolle des Gastgewerbes in den Vordergrund: Die Wirte unterstützen ihre Gäste bei der Befriedigung ihrer Bedürfnisse, geben ihnen Schutz, zu essen und zu trinken. Und selbstverständlich maßregelt der Gastgeber seine Gäste nicht, wenn sie kleine Schwächen haben. „Sie haben den Gastwirten diese Gastfreundlichkeit verboten“, warf sie den Verfechtern des Rauchverbotes vor. „Weil Sie gewusst haben, wie grauslich dieses Gesetz ist, haben Sie eine Übergangsfrist beschlossen, damit es erst bei der nächsten Regierung in Kraft tritt“.

Ein „grausliches“ Gesetz

Ist ja wahr: Wegen der kleinen ungesunden Schwäche ein so grausliches Verbotsgesetz zu beschließen, das einem wichtigen Wirtschaftszweig die Geschäftsgrundlage entzieht, ist nicht zu rechtfertigen. Überraschend ist, dass es einer Gesundheitsministerin vorbehalten blieb, das in dieser Klarheit auszusprechen, nachdem sie sich mehrfach über die Aushebelung des beschlossenen Rauchverbotes wenig erfreut gezeigt hatte. Sie wurde offensichtlich aufgeklärt, dass die ihr aufgetragene Verantwortung für die Gesundheit eben nicht immer erste Priorität hat.

Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, das Gastgewerbe beklage sich über diese unerwartete Unterstützung. Was irritiert, ist der Verzicht auf jede Glaubwürdigkeit in der politischen Diskussion, die damit sichtbar wurde. Fachverbandsobmann Mario Pulker begrüßte als Vertreter der einzigen vom Rauchverbot direkt betroffenen Branche den Initiativantrag, mit dem es gekippt werden soll, als „sachgerecht und verhältnismäßig“. Er zeigte sich aber auch beindruckt vom hohen Stellenwert des Themas in der Öffentlichkeit, den die 475.000 Unterstützungserklärungen des „Don’t Smoke“-Volksbegehrens zeigten, und hob den Trend zu Nichtraucherlokalen hervor.

Tatsächlich war das Thema bereits abgehakt: Die Öffentlichkeit hatte sich mit dem beschränkten Rauchverbot in der Gastronomie weitgehend arrangiert. Nach zehn Jahren Diskussion liegen genügend Belege vor, dass das Gastgewerbe nicht daran zu Grunde geht und die Gesundheitsschädlichkeit wissenschaftlich eindeutig nachgewiesen ist. Mit der Wiederbelebung des emotional aufgeladenen Themas aus parteitaktischen Gründen haben sich die Regierungspartner in eine Sackgasse manövriert. Straches einziges Argument gegen das Rauchverbot ist die Sicherung der Entscheidungsfreiheit für Rauchen oder nicht – wenig überzeugend, wenn es um den Nichtraucherschutz geht. Und wenn sich Sebastian Kurz von einem für beide Seiten unerfreulichen Koalitionsabkommen geknebelt fühlt, dann zeigt das wenig Fantasie. Rauchern und Nichtrauchern wird das Gefühl vermittelt, sie würden von beiden Seiten überfahren. Kaum vorstellbar, dass die Regierungspartner die Gefährlichkeit der Waffe nicht erkannt haben, die sie damit einer wie selten einigen Opposition geliefert haben. Diese zerlegt damit konsequent das, worum diese Regierung ohnedies zu kämpfen hat: Ihre Glaubwürdigkeit. Wenn fast drei Viertel der Bevölkerung eine Volksabstimmung zum Thema Rauchverbot befürworten, weil sie dieser Regierung eine Lösung für ein doch recht einfaches Problem nicht mehr zutrauen, ist das deutlich genug.

Wie es weiter geht

Und so wird es weitergehen: Wenn es den Regierungsparteien gelingt, ein Volksbegehren zu torpedieren, steht eine Verfassungsklage auf dem Programm, auf die sich die Oppositionsparteien, die Stadt Wien und die Arbeiterkammer bereits vorbereiten. Die Gesetzeslücke im Arbeitnehmerschutzgesetz, wo die Mitarbeiter im Gastgewerbe als einzige vom Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz ausgenommen sind, ist seit langem bekannt. Dieser offensichtliche Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz lässt sich mit der Streichung eines Halbsatzes im Gesetz beseitigen. Und wenn das auch nicht gelingt, ist das Rauchverbot spätestens mit der nächsten Bundesregierung Geschichte.

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