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Ein Masterplan als To-Do-Liste

Print-Ausgabe 5. April 2019

Wer einen Überblick sucht, mit welchen Problemen der Tourismus konfrontiert wird, ist mit dem „Masterplan Tourismus“ („Plan T“) bestens versorgt. Wer wissen möchte, wie sie gelöst werden sollen, sieht sich mit einem großen Fragezeichen konfrontiert: Was Tourismusministerin Elisabeth Köstinger nach einem Jahr Vorarbeit in Salzburg präsentierte, wird von Wohlmeinenden als To-Do-Liste mit richtungsweisender Wirkung angesehen, von weniger Freundlichen als Sammlung von Überschriften, die man fast alle schon kennt. Dass der Mensch irgendwo im Mittelpunkt zu stehen hat, möchte man eigentlich nicht mehr hören.

Außer halblauten Klagen, dass weniger „Wunschkonzert“ und mehr konstruktive Lösungsansätze für lang bekannte Probleme schön gewesen wären, war am Inhalt des Masterplanes kaum Kritik zu hören. Zum Teil mag das an politischer Disziplin gelegen sein, vor allem aber am Ritual, wie solche „Papiere“ entstehen – und das ist seit den 70er Jahren gleich: Damals hatten gut 500 „Delegierte“ die Möglichkeiten, ihre Anliegen in thematischen „Arbeitskreisen“ zu deponieren. Bei der „Tourismusstrategie“ von Wirtschaftsminister Mitterlehner vor zehn Jahren waren es 200 „Experten“ in vier „Workshops“ und 500 „Stakeholder“ in neun „Zukunftswerkstätten“ kamen zu Wort. Alle fanden und finden sich und ihre Wünsche unter zwangsläufig ausufernden Überschriften wieder. Gelegenheit zur Kritik wäre erst, wenn überprüfbar ist, was nicht passiert ist. Aber das interessiert niemanden, Schnee von gestern, andere Zeiten. Mit Sicherheit sind die in solche Veranstaltungen gesetzten Erwartungen zu hoch, ein wirklicher „Masterplan“ als Arbeitsprogramm für Jahre ist nicht drinnen. Aber auch eine Bestandsaufnahme hat ihren Stellenwert, vor allem dann, wenn ein „Aktionsplan“, der den als „Work in Progress“ definierten Masterplan mit den aktuell vorgesehenen Maßnahmen begleitet, alarmierende Defizite befürchten lässt.

Ein Beispiel: Die Digitalisierung gilt als eine der größten Herausforderungen. Im Aktionsplan für die nächsten zwei Jahre vorgesehen ist die Installation einer „Lernplattform“ für Digitalisierung im Tourismus (offenbar e-Learning) und die Einrichtung eines „Future Lab“ bei der ÖW. Dort hat man dafür auch schon einen Namen: NETA – Next Level Tourism Austria. Zielsetzung: Als „Vernetzungsplattform mit der globalen Travel & Communication Tech-Szene“ sollen die Erkenntnisse „Awareness für Austausch und Lernen schaffen, Implementierung von Know-how vorantreiben und mittels Kooperation und Kollaboration ins Prototyping“ führen. So kompliziert, wie es klingt, kann das wohl nicht sein, denn das der ÖW dafür zur Verfügung gestellte „Sonderbudget“ von 500.000 Euro ist im kostenintensiven Digitalbereich eher ein Witz. Alleine für ihren Anteil an der „Rad-Kampagne“, die gemeinsam mit sieben Bundesländern bereits läuft, erhält die ÖW 300.000 Euro.

Der Aktionsplan sieht eine „strategische Neuausrichtung“ der ÖW vor. Sie hatte von Anfang an die Position eines „Think Tank“ für den Tourismus und im gleichen Ausmaß, in dem sich die Tourismuswissenschaft vom wirtschaftlichen Alltag verabschiedet hat, ist diese Funktion gewachsen und ein internationaler Rundblick zeigt, dass Österreich damit besser liegt als vergleichbare Tourismusländer. Eine Anpassung der Struktur an dieses über das Marketing inzwischen weit hinausgehende Aufgabenspektrum ist notwendig. Irritierend ist, dass das offenbar nichts kosten darf: „Ausreichende finanzielle Dotierung“ ist zwar erwähnt, aber von einer Valorisierung des eingefrorenen Budgets ist keine Rede. Auf die Frage, wie das funktionieren soll, erklärte die Tourismusministerin vollmundig: „Wenn Mittel notwendig sind, werden sie auch zur Verfügung stehen.“ An diesen Ausspruch wird sie oft erinnert werden – ganz sicher.

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