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„Wirte-Paket“

Entlastung oder Farce? Am 500 Mio. Euro „Wirte-Paket“ scheiden sich die Geister

T.A.I. 24 TOP News

Selten ist eine Maßnahme so unterschiedlich gesehen worden, wie jenes „Wirte-Paket“, das die österreichische Bundesregierung Mitte Mai präsentiert hat. Es wird auf 500 Mio. Euro beziffert.

  • Wichtigster Punkt ist die Senkung der Mehrwertsteuer auf alkoholfreie Getränke von 20% auf 10%. Gültig ist dies von Juli bis Jahresende.
  • Ein weiteres Detail des „Wirte-Paketes“ betrifft die dauerhafte Anhebung der Obergrenze für pauschalierte Betriebe von 255.000 Euro auf nunmehr 400.000 Euro.
  • Die Mobilitätspauschale für Dorfwirtshäuser soll von 2% auf 6% steigen.
  • Die Schaumweinsteuer von 1 Euro pro Liter wird abgeschafft. Essensgutscheine für MitarbeiterInnen werden statt bisher bis 4,4 Euro bis zu 8,0 Euro steuerfrei gestellt. Geschäftsessen werden statt nur zu 50% künftig zu 75% steuerlich absetzbar gemacht.

Lob von der Kammer, Kritik von der Praxis

Die Kritik der Opposition war zu erwarten, doch auch die Gastronomen selbst - so sie keine Kammer-Funktionäre sind - stehen dem Paket meist skeptisch gegen. Voll des Lobes über das von der Bundesregierung zusammen mit WKÖ-Präsident Mahrer präsentierte „Wirte-Paket“ der Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der WKÖ, Mario Pulker. Für ihn stelle es eine „wichtige Basis für erfolgreiche Wiederöffnung der Gastronomie-Betriebe“ dar und er sieht in den „Entlastungsmaßnahmen langjährige Forderungen der Branche“ umgesetzt.

Pulker vertritt als Gastronomie-Obmann die rund 28.100 Restaurants und Gastronomiebetriebe Österreichs. Sie beschäftigten 2018 rund 170.000 MitarbeiterInnen und erwirtschafteten einen Gesamtumsatz von 9,38 Mrd. Euro.

Von den Gastronomen selbst gibt es kaum positive Statements. Grundtenor: Es handle sich um keine Soforthilfe der durch zweimonatige Zwangspause geschwächten Betriebe, sondern durchwegs um Maßnahmen, die erst in Zukunft greifen und auch da nur marginal. Viele wissen nicht, ob und wie sie die kommenden Wochen und Monate überstehen werden.

Drei Rechenbeispiele

Wie wenig hilfreich die USt Senkung für alkoholfreie Getränke in der Praxis ist, hat die Pprodinger Tourismusberatung für drei verschiedene Betriebstypen anhand der Umsatzzahlen 2019 errechnet. Gegenüber gestellt wurden jeweils der Vorteil Umsatzsteuerreduktion mit den Nachteilen der erhöhten Sozialversicherung und der höheren Einkommensteuer. Ergebnis:

  • Betrieb 1 - klassisches Wirtshaus in zentraler ländlicher Lage (Jahresumsatz 448.000 €): die USt-Senkung für ein halbes Jahr beläuft sich grob eschätzt auf 700€;
  • Betrieb 2 - Cafehaus mit Gastronomie in ländlichem Ortskern (Jahresumsatz 273.000 €): USt-Senkung schlägt mit 1.500 € durch;
  • Betrieb 3 - Wirtshaus in Wien (Umsatz 637.000 €): USt-Senkung rund 1.700 €;

Überschaubare Wirkung, erhöhter Verwaltungsaufwand

Zu bedenken ist, dass in keinem Fall der Jahresumsatz von 2019 erreicht werden kann (heuer 2 Monate Schließung, gesunkene Konsumfreudigkeit nach Corona, geringere Auslastung aufgrund der Abstandsregeln etc.). Die tatsächliche Wirkung wird also um einiges niedriger sein, als die – gemessen am Jahresumsatz - erzielte Steuerersparnis in Höhe von zwischen 0,16% und 0,55%.

Thomas Reisenzahn: „Der Vergleich von 3 Betrieben zeigt, was die USt Senkung auf alkoholfreie Getränke ausmacht: nichts.“ Zusammengefasst handle es sich „um eine verhältnismäßig überschaubare Wirkung die sicher wieder zu erhöhtem Verwaltungsaufwand führt.“ Nachsatz: „Das Ganze ist ein Murks.“

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