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Epidemiegesetz

„Never Ending Story“! Epidemiegesetz-Entschädigungen im Tourismus als Gängelband

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„Schön langsam brennt der Hut.“ Mit diesen Worten kommentierte Michaela Reitterer, Präsidentin der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung), Mitte Oktober 2020 die Tatsache, dass damals noch kein einziger Betrieb in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg eine ihm zustehende Entschädigung nach dem Epidemiegesetz erhalten hatte. Fünf Monate später brennt der noch immer.

Zwar haben einige Unternehmen mittlerweile Entschädigungen erhalten, doch die Mehrheit muss weiter ausharren, selbst wenn sie bereits einen positiven Bescheid ihrer Bezirkshauptmannschaft in Händen hält. Der Grund dafür ist, dass der Bescheid erst nach Ablauf von vier Wochen rechtskräftig ist. So lange haben Betriebe Zeit, wegen Minderzahlung zu berufen. Nur wenn sie es nicht tun, erfolgt die Auszahlung der im Bescheid angeführten Entschädigung.

„Auszahlung sofort!“

Für den Obmann des Tourismusausschusses im Parlament, Gerald Hauser, ist dieser neuerliche Verzug unbegreiflich: „Das gefährdet die Liquidität der Betriebe.“ Die meisten Betriebe müssten bereits ein Jahr auf die Entschädigungszahlung warten, deshalb solle die im Bescheid angeführte Entschädigungszahlung sofort ausgezahlt werden, „auch wenn gegen den Bescheid wegen Minderzahlung berufen wird.“

Was Hauser zusätzlich ärgert, ist die Tatsache, dass ein von ihm im Parlament Mitte November 2020 eingebrachter Entschließungsantrag betreffend die „dringende Auszahlung der Vergütungen für den Verdienstentgang für gemäß Epidemiegesetz geschlossene Betriebe“ von den Regierungsparteien im Parlament abgelehnt wurde.

Berufungen nur bei größeren Beträgen sinnvoll

Laut Manfred Schekulin, Geschäftsführer bei Prodinger & Partner, würden sich Berufungen wegen des hohen Aufwandes ohnehin nur bei größeren Beträgen auszahlen. Schekulin beziffert die Bandbreite der Entschädigungszahlungen nach EpG in den von Prodinger betreuten Betrieben zwischen 50.000 Euro und 1,2 Mio. Euro.

Einer ÖHV-Umfrage zufolge erreicht die Entschädigung bei ihren Mitgliedsbetrieben im Durchschnitt 220.000 Euro. Da auch kleine Beherberger, Appartments und Pensionen betroffen sind, dürfte der untere Level bei ca. 20.000 Euro anzusetzen sein. Bei den ebenfalls nach dem EpG zu entschädigenden Seilbahnen ist es erheblich mehr (ca. 12 % von deren Winterumsatz entfallen auf diese Periode).

Druck machen mit Säumnisbeschwerden

Erst am vergangenen Sonntag meldete der ORF, dass der Villacher Rechtsanwalt Hans Jalovetz für ein Hotel auf der Turracher Höhe per Säumnisbeschwerde beim Landesverwaltungsgericht eine Entschädigung über 782.000 Euro erwirken konnte. Laut ORF stehen in Kärnten knapp 1.000 Betrieben Entschädigungsansprüche zu.

„Die Bezirksverwaltungsbehörden sind natürlich unterbesetzt und die haben eine Menge solcher Quarantäne-Entscheidungen zu treffen gehabt, natürlich auch Entscheidungen nach dem Epidemiegesetz. Das war einfach schwierig“, meint Hans Jalovetz. Seine Empfehlung an alle geschädigten UnternehmerInnen, die bisher vergeblich auf ihre Entschädigung warten: ebenfalls Säumnisbeschwerden stellen.

Der EpG Entschädigungs-Krimi

  • Am 15. März 2020 wurde der (erste) Lockdown angeordnet, der mit Dienstag, 17. März, 00.00 Uhr, wirksam wurde;
  • Die 23 lokalen Bezirkshauptmannschaften in Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg ordneten zwischen 13. und 15. März 2020 die behördliche Schließung von gewerblichen Beherbergungsbetrieben und Seilbahnbetreibern gemäß Epidemiegesetz (EpG 1950) an;
  • In Tirol wurde zusätzlich auch die Schließung von Gastronomiebetrieben verordnet;
  • In allen anderen Bundesländern kam es nur zur „De-facto“ Schließung durch behördliche Betretungsverbote;
  • Nachdem rasch klar war, dass die nach dem Epidemiegesetz geschlossenen Betriebe einen gesetzlichen Anspruch auf Vergütung des Verdienstentganges haben, wurde diese Verordnungen Ende März/Anfang April aufgehoben und durch Verordnungen gemäß Covid-19-Maßnahmengesetz ersetzt. Dieses sieht keinerlei Entschädigungen vor;
  • In weiterer Folge entbrannte ein Rechtsstreit über die Verfassungskonformität des Covid-19-Maßnahmengesetzes, die nach einer Entscheidung des VfGH (Verfassungsgerichtshof) Ende Juli in eine neue Verordnung des Gesundheitsministeriums mündete, die für die betroffenen Betriebe der vier genannten Bundesländer grünes Licht bezüglich der Entschädigungen nach dem Epidemiegesetz gab und die Antragsfrist dafür auf drei Monate verlängerte. Alle abgelaufenen Fristen begannen neu zu laufen, womit bis 7. Oktober 2020 Anträge bei der zuständigen BH (Bezirkshauptmannschaft) eingebracht werden konnten.
  • Am 17. Dezember 2020 wird in der Sitzung des Tourismusausschusses im Parlament der Entschließungsantrag des Abgeordneten Gerald Hauser und weiterer Abgeordneter betreffend „dringende Auszahlung der Vergütungen für den Verdienstentgang für gemäß Epidemiegesetz geschlossene Betriebe“ mit den Stimmen der Regierungsparteien vertagt;
  • Im März 2021 kommt es zu ersten Auszahlungen, ein Großteil der Betriebe muss noch warten.

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