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ÖHT / Interview mit Wolfgang Kleemann

Investitionstätigkeit ungebremst! Trotzdem mahnende Worte des ÖHT-Chefs

Print-Ausgabe 19. Februar 2021

Entgegen allen Befürchtungen zeigte sich Österreichs Hotellerie und Gastronomie 2020 überaus investitionsfreudig. Bei der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismusbank) – sie fungiert sowohl als Förderstelle als auch als Bank und verfügt dank ihrer rund 2.000 bestehenden KreditnehmerInnen über eine umfassende Branchendatenbasis – wurde sogar das bisherige Rekordjahr 2019 deutlich übertroffen. 2021 dürfte daran, so die bisherigen Anträge, nahtlos anschließen. Doch für ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann ist die Freude darüber nicht ungetrübt. Weshalb, darauf ging er im Interview mit T.A.I. ein.

T.A.I.: Vor kurzem gab es ein Linked­in-Posting von Ihrem Assistenten Florian Zellmann, demzufolge die Tourismusbank 2020 einen deutlichen Anstieg des geförderten Gesamtinvestitionsvolumens verzeichnete. Wie das? Allgemein hört und liest man ja das Gegenteil …

Kleemann: „Wir sehen und hören aus der Branche heraus sehr viele unterschiedliche Stimmen, aber Verzweiflung höre ich nicht – das ist die positive Überraschung! Vor dem Winter war die Stimmung natürlich besser und es gibt Teilbereiche, wo es schlechter aussieht. Insgesamt zeigt die Branche aber, wie optimistisch sie ist, wie viel Überlebenswillen und welchen starken Lebensnerv sie hat. Ich führe dieses Positivum unter anderem auf die in Österreich vorherrschende Dominanz der Familien-geführten Betriebe zurück. Diesen starken Überlebenswillen der Tourismuswirtschaft haben wir auch zum Anlass genommen, besonders herausragende Zeichen der Resilienz vor den Vorhang holen zu wollen und eine eigene Leuchtturmförderung „Nachhaltigkeit und Resilienz im Tourismus“ auszuloben.“ (Anm. d. Red.: siehe Info-Kasten) 

T.A.I.: Wie hat sich denn das geförderte Gesamtinvestitionsvolumen 2020 in konkreten Zahlen entwickelt?

Kleemann: „Gegenüber 2019 sind die geförderten Investitionen um 12 Prozent auf 789 Mio. Euro gestiegen; wenn man weiß, dass die österreichische Tourismus- und Freizeitwirtschaft jährlich etwa eine Milliarde Euro (da sind die Investitionen der Seilbahnwirtschaft in Aufstiegshilfen ebenso nicht dabei, wie die von internationaler Konzernhotellerie und Immobilienfonds gesetzten Investitionen) in touristisch relevante Maßnahmen investiert, sind wir hier schon zu einem bedeutenden Player geworden. Wir sehen für das erste Quartal 2021, dass dieser Trend nicht nur anhält, sondern sich sogar noch verstärkt. Per heute haben wir mehr Anträge um geförderte Kredite als je zuvor im ersten Quartal. Dass man 2020 an die Rekordzahlen von 2019 so nahtlos anschließt, hatte verschiedene Ursachen, über die man diskutieren kann. Insgesamt ist es aber ein positives Zeichen.“ 

T.A.I.: Sind in den 789 Mio. Euro nicht auch die über die ÖHT gelaufenen Corona-Hilfen enthalten?

Kleemann: „Nein. Das bezieht sich nur auf den rein investiven Bereich. Bei den Corona-Förderungen sind wir in ganz andere Dimensionen vorgestoßen und haben in kürzester Zeit fast 8.200 Förderanträge positiv abgewickelt (Anmerkung: siehe Tabelle). 2020 gab es bei uns rund 900 Fälle ohne Covid, ohne Restrukturierung etc. Die Covid-Anträge betrafen genau 8.372 Fälle. Das hätten wir mit der Stammbelegschaft nicht geschafft. Wir haben deshalb ein zusätzliches Büro angemietet und 15 neue MitarbeiterInnen engagiert – vorwiegend Studierende, die bereits knapp vor dem Studienabschluss stehen. Wir konnten unser Team damit um tolle junge Leute erweitern, die es uns möglich machen, auch die neuen Fördermaßnahmen (Veranstalterschutzschirm und Haftungen im Rahmen der Reisebürosicherungsverordnung) auch wieder ohne Zeitverzögerungen zu betreuen.“ 

T.A.I.: Bleiben wir bei den erwähnten 900 Fällen. Wie verteilten sich diese auf Gastronomie und Hotellerie? Und welche Investitionen wurden damit vorrangig getätigt?

Kleemann: „Der reine Gastro-Anteil ist auf 11 Prozent gestiegen. Ca. die Hälfte des Volumens betraf Qualitäts-Investitionen in Hotels bei gleichbleibender Kapazität. Rund ein Drittel ist in Richtung Betriebsgrößenoptimierung geflossen. Das waren generell keine riesigen Projekte, sondern überschaubare Kapazitäts-Erweiterungen. Interessant ist, dass das durchschnittliche Investitionsvolumen in den letzten Jahren kaum schwankte, aber 2020 etwas höher geworden ist.“

T.A.I.: Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe dafür?

Kleemann: „Ein Grund liegt sicher in der Investitionsprämie für Unternehmen, die beim AWS (Austria Wirtschaftsservice) beantragt werden kann (Anm.d.Red.: dies ist noch bis 28. Februar 2021 möglich). Ein weiterer Grund liegt in REACT-EU, ein Aufstockungsprogramm zu bestehenden Fördermitteln von der Europäischen Union, um Investi­tionsanreize zu setzen. Da müssen wir aber als Tourismuswirtschaft sehr aufpassen. Viele der jetzt wegen erhöhter Fördermöglichkeiten eingereichten Investitionen zielen in Wirklichkeit nicht auf touristische Projekte ab, sondern sind schlicht immobiliengetriebene Investitionen. Langfristig können die zum Teil nicht gut gehen, weil die Projekte zu groß für unsere Tourismusdestinationen sind. Wir haben noch nie so viele Projekte mit Investitionen von 8 Mio. Euro und mehr gehabt, wie 2020.“ 

T.A.I.: In Ihrer Antwort schwingt Skepsis mit. Ist diese Entwicklung nicht grundsätzlich zu begrüßen?

Kleemann: „Nein. Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur über Investitionen freuen, sondern vor allem auch darauf achten, um welche Investitionen es sich handelt. Kärnten zum Beispiel ist bei den Investitionen im Vorjahr auf Platz 3 nach Tirol und Salzburg vorgerückt. Aber so gut wie jede größere Investition geht dort in Richtung Wohnungseigentum und finanziert sich zumindest teilweise aus dem Verkauf von Zweitwohnsitzen – sei es auch über das ‚Feigenblatt‘ von ‚buy-to-let-Modellen‘.“ 

T.A.I.: Zweitwohnsitze kurbeln ja auch den Tourismus an. Was ist also daran problematisch?

Kleemann: „Die Entwicklung von derartigen Feriendomizilen entsteht aus der momentanen Investitions-Entscheidung heraus, ist also von der Folgewirkung her nur kurzfristig gedacht. Langfristig bringt dies aber ‚kalte Betten‘. Und das ist mit Sicherheit nicht der letzte Schrei, den wir für die Tourismus-Entwicklung in Österreich brauchen. Bei den Investitions-Entscheidungen sollte immer auch die Destinations-Entwicklung mitberücksichtigt werden, und die vermisse ich hier.“ 

T.A.I.: Welchen Anteil hatten 2020 die „gemischten“ Projekte am gesamten Aufkommen?

Kleemann: „Von den ca. 90 Prozent der Investitionen im Bereich der Beherberger betrafen sie erheblich mehr als die Hälfte.“ 

T.A.I.: Bleiben wir bei erfreulichen Aspekten. Wie schätzen Sie 2021 bezüglich der Investitions-Tätigkeit im heimischen Tourismus ein? Wird es einen Einbruch geben?

Kleemann: „Nein. Meine Prognose lautet: Sie bleibt ungebremst! Wir hatten per Ende Jänner 2021 einen wesentlich höheren Auftragsstand, als im Vorjahr.“ 

T.A.I.: Was sind die Gründe dafür?

Kleemann: „Es kommen gleich mehrere Faktoren zum Tragen. Es gibt mehr Förderungen, es bestehen bessere Finanzierungs-Möglichkeiten und es gibt einen besseren Baukosten-Index, als in den letzten Monaten. Man baut jetzt billiger. Insgesamt steigen die Volumina von der Größe her, während Investitionen in Erhaltungsmaßnahmen wegfallen. Das war aber durch die langen Betriebssperren zu erwarten.“

T.A.I.: Man kann also entgegen vieler Prognosen davon ausgehen, dass auch 2021 in Österreichs Tourismus viel investiert wird?

Kleemann: „Ja. Für die Wirtschaft ist das auch extrem wichtig. Denn im Tourismus sorgen Investitionen bekanntlich zu 60 Prozent für Wertschöpfungsimpulse im Umkreis von 60 km. Davon profitieren das Baugewerbe, Installateure, Elektriker und viele mehr. Wichtig ist im Zusammenhang die Frage: Wie schaffen wir es zu überleben und den Mut zu entwickeln, Förderungen als wirtschaftspolitisches Lenkungsinstrument einzusetzen, also in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Ökologie, und nicht in Zweitwohnsitze? Es ist ja das Ziel des ‚Plan-T‘ von Ministerin ElisabethKöstinger – sie ist übrigens ein Glücksfall für Österreichs Tourismus! –, einen Fokus auf Nachhaltigkeit und Familien-geführte Betriebe zu legen. Wir müssen all das, was dem nicht entspricht, wieder aus den Förder-Richtlinien zurücknehmen. Die ÖHT wird sich mit Nachdruck dafür einsetzen. Es geht darum, dass wir den Tourismus immer mehr bewundern und ihn vor den Vorhang holen!“

Fördercall „Nachhaltigkeit und Resilienz im Tourismus“ verlängert

Der heurige Fördercall der ÖHT-Innovationsförderung (Leuchtturmförderung) entstand auf einer Veranstaltung am Weissensee. Der Titel lautete „Resilienz“, die ÖHT zeigte gemeinsam mit dem Uniclub Kärnten und dem KWF, mit welcher Widerstandskraft die Tourismusbranche verschiedene Projekte der Nachhaltigkeit vorantreibt. Gesucht und gefördert werden Kooperationen oder einzelbetriebliche Projekte, die aus der Krise heraus neue innovative Angebote, touristische Dienstleistungen und Produkte entwickeln und auf den Markt bringen wollen. Mit einer Förderquote zwischen 50 und 70 Prozent der Projektkosten ist die Leuchtturmförderung von BMLRT und ÖHT eines der attraktivsten Förderangebote überhaupt. Ursprünglich bis Februar 2021 befristet, wurde die Förderaktion bis zum 16. April 2021 verlängert – es bleibt somit noch genug Zeit, um attraktive Projekte einzureichen. Detaillierte Informationen zu dieser ÖHT „Optimismus-Spritze“ finden sich unter www.oeht.at/produkte/innovation.

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