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Digitalisierung

ÖW bringt die Zukunft ins Haus! Vom „Data Hub“ zum „Data Space“

Print-Ausgabe 18. November 2022

„Der Vorteil von auf Daten basierenden Entscheidungen liegt in ihrer erheblich größeren Exaktheit“, so Oliver Csendes


 

Vorbild sind die erfolgreichsten Unternehmen der Welt – es geht um Daten­austausch anstatt zentraler Plattformen – erste konkrete Projekte bereits in Realisierung

Eine gemeinsame Daten-Basis für Österreichs Tourismus zu schaffen, das ist das erklärte Ziel von Oliver Csendes, der seit Jahresbeginn 2022 als CDIO (Chief Digital and Innovation Officer) den Bereich Innovation der Österreich Werbung (ÖW) leitet. Der frühere Chef des „Pioneers Festival“ für Tech-Startups will damit der im Österreich-Tourismus „bestehenden Fragmentiertheit entgegenwirken und Skaleneffekte erzielen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus zu heben“, wie Csendes gegenüber T.A.I. betonte. Csendes: „Es existieren viele Daten über den Gast, aber kaum jemand nutzt sie.“

Begriffe wie datenbasierende Entscheidungen, Data Hub oder Datenökosystem klingen für Praktiker*innen auf den ersten Blick etwas ungewohnt. Doch Oliver Csendes ist überzeugt, dass ohne das gezielte Heben von Netzwerk- und Skalen­effekten nichts mehr gehen wird: „Die erfolgreichsten Unternehmen der Welt arbeiten in sogenannten Business Ecosystems, also wirtschaftlichen Ökosystemen, die eine gemeinsame Wertschöpfung unterschiedlicher, voneinander unabhängiger Akteure ermöglichen. Bereits 2025 werden 30 % des globalen Umsatzes in solchen Ökosystemen erwirtschaftet.“ Wie dies konkret für den Österreich-Tourismus umgesetzt werden soll, verdeutlichte Csendes bei seiner Präsentation am diesjährigen „Top Seminar“ des BÖTM (Bundesverband Österreichischer Tourismusmanager). Prägte einst die Idee eines „Data Hubs“ das Geschehen (also die Schaffung einer zentralen Plattform, in der Daten gesammelt, vernetzt und bereitgestellt werden), so wird nunmehr alles –­ von Wetterdaten über Reservierungssysteme sowie Gästedaten bis hin zu Google-­Suchen – in einer dezentralen Dateninfrastruktur zur gemeinsamen Verwendung verfügbar gemacht. Stichwort: „Data Space“.

Der Datenaustausch über Unternehmens- und Organisationsgrenzen hinweg hat laut Oliver Csendes drei wesentliche Vorteile gegenüber einer zentralen Plattform: Die jeweilige Datenhoheit bleibt beim Datenurheber, es gibt eine höhere Produktivität, da es durch branchenübergreifende Kooperationen zu einer Ressourcenbündelung kommt, und es entstehen überproportional steigende Nutzungseffekte. Erfolgreiche Software-Unternehmen hätten dies ebenso gemacht wie die Automobilindustrie mit ihrer Plattformstrategie. So basieren der Seat Ibiza und Arona, der VW Polo und T-Cross, der Audi A1 und der Skoda Kamiq auf der selben Plattform und auf Basis des Modularen Elektrobaukastens (MEB) werden konzernweit 27 Modelle angeboten. Csendes: „Die Österreich Werbung kann kein Produkt für eine Destination entwickeln, aber als Plattform für viele Destinationen dienen.“

Wie sieht es mit einem konkreten Beispiel aus? Oliver Csendes nennt dazu einen x-beliebigen Nationalpark mit dem Ziel der Entzerrung von Gästeströmen, „damit nicht alle zur gleichen Zeit kommen“. Wichtig sei hierfür auch die Wettervorhersage, wobei es einen Unterschied macht, ob es sich um einen Tages­ausflug handelt oder um einen Gast mit kurzer oder langer Anreise: „Für einen Urlauber aus Bayern ist die Wettervorhersage am Tag davor relevant, für einen aus Tschechien eine Woche vorher.“ Weitere Parameter, die in den „Data Space“ einfließen können, sind etwa, wie viele Tschech*innen in den letzten 48 Stunden den Begriff „Nationalpark“ gegoogelt und wie viele Auto­bahn-Vignetten gekauft haben.

Entscheidend sei nun, was aus diesen Erkenntnissen für Rückschlüsse gezogen werden. Deshalb geht es beim „Data Space“ zunächst um die Verdichtung der Daten, die aber – ein wichtiger Unterschied zum „Data Hub“ – in den jeweiligen Systemen der Unternehmen verbleiben. In weiterer Folge werden Algorithmen entwickelt, die dann z. B. von Apps genutzt werden, um den Gästen darauf basierende Aktivitätsvorschläge zu unterbreiten. Oliver Csendes: „Es gibt bereits konkrete Nutzungen für viele Themen.“ So fungieren etwa für besagtes Besuchermanagement die TVBs Mayr­hofen und Ötscher als Partnerregionen. Als Datenquellen fließen neben jenen der ÖW Meta API (Application Programming Interface) die Mobilitätsdaten von „Drei“, den Mautstationen, vom Verkehrsfunk, den Gäste- und Eintrittskarten sowie die Gästedaten der App „Outdooractive“ und Wetterangaben der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) mit ein.

Ein weiteres aktuelles Beispiel betrifft die eilautomatisierte Beantwortung von Email-Anfragen. Als Pilot-Regionen dafür konnten die TVBs Saalfelden-Leogang und Schladming-Dachstein gewonnen werden. Als Datenquellen werden neben den E-Mails der Regionen jene von lokalen Partnern, des IT-­Infrastrukturanbieters TTG (Tourismus Technologie GmbH) und der ÖW-Metasuche (sie zeigt die Verfügbarkeit in Buchungsportalen) herangezogen.

Für Oliver Csendes ist klar: „Wenn all das in ein paar Regionen funktioniert, dann ist es auf alle übertragbar.“ Das Modell lernt laufend dazu und wird von Region zu Region weiterentwickelt. Und eines steht für den CDIO der Österreich Werbung aufgrund seiner langjährigen Erfahrung in diesem Bereich ohnehin fest: „Der Vorteil von auf Daten basierenden Entscheidungen liegt in ihrer erheblich größeren Exaktheit.“

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