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Nachhaltiger Tourismus

Mehr Wunsch als Wirklichkeit? Weckruf für notwendigen Wandel

Print-Ausgabe 16. März 2023

„Es ist wichtig, die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nicht aus den Augen zu verlieren“, so Klaus-Peter Fritz


 

Die Hoffnung nach einer ausgewogeneren Gestaltung des Tourismus hat sich offenbar wieder erledigt – Denkanstoß zu Veränderungsprozessen auf Destinationsebene

Fragen rund um eine nachhaltigere Entwicklung des Tourismus haben nichts an Aktualität und Relevanz verloren. Das hat sich nicht geändert, auch wenn die Nach-Pandemie-Realität oft den Eindruck des Gegenteils erweckt, wie Klaus-Peter Fritz, als Academic Expert & Lecturer der FHWien der WKW im Bereich Tourism & Hospitality Management tätig, betont. Für Fritz steht eines fest: „Auch wenn ein starkes Tourismusaufkommen in vielen Destinationen in Österreich als völlig normal gilt und viele Regionen mit großen Massen an Tourist:innen sehr gut zurechtkommen, ist es wichtig, die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung nicht aus den Augen zu verlieren.“

Nicht zuletzt unter Studierenden, Lehrenden und insbesondere Praktiker:innen wurden und werden laut Klaus-Peter Fritz Fragen wie „Findet der Tourismus zurück zu alter ‚Stärke‘?“, „Werden wir Reisen in veränderter Form erleben oder gar Zeugen einer ‚Neuerfindung‘ des Tourismus?“, „Erleben wir in Zukunft Reiseaktivitäten, die vermeintlich ‚besser‘ und ‚nachhaltiger‘ sind und die Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung gleichermaßen berücksichtigen wie jene der Reisenden?“ zum Teil kontrovers diskutiert – zumeist verbunden mit einem Stück Hoffnung auf eine Weiterentwicklung in eine positive Richtung und auf eine ausgewogenere Gestaltung des Tourismus.

Positiver Wandel, der allen zugutekommt

Für Klaus-Peter Fritz ist eines klar: „Touristische Aktivitäten greifen direkt und unmittelbar in Lebensräume ein und verändern bzw. prägen diese nicht immer zum Vorteil der einheimischen Bevölkerung.“ Der langfristige Erfolg von Destinatio­nen hänge somit von deren Fähigkeit ab, einen positiven Wandel zu bewirken, der den lokalen Gemeinschaften mindestens genauso zugutekommt wie den Tourist:innen.

Nach Ansicht von Klaus-Peter Fritz driften dahingehende Diskussionen „zum Teil jedoch sehr schnell auf eine emotionale Ebene ab und werden mitunter sehr lebhaft und nicht immer ergebnisorientiert geführt“. In diesem Zusammenhang bringt er Ausbildungsinstitutionen wie die FHWien der WKW ins Spiel: „Gerade Hochschulen können einen Rahmen für solche Diskussionen bieten, der eine sachliche Berücksichtigung aller Interessen ermöglicht. Studierende beschäftigen sich im Zuge von Projekten und Abschlussarbeiten auffallend oft mit diesbezüglichen Fragestellungen und den daraus resultierenden Folgen für Mensch, Land und Umwelt.“

Erkenntnisse zur Diskussion stellen

Für Klaus-Peter Fritz lohnt es sich also, „einen Blick in entsprechende Abschlussarbeiten und Projektberichte zu werfen und einige interessante Erkenntnisse zur erfolgreichen Umsetzung einer nachhaltigen Entwicklung des Tourismus auf Destinationsebene zur Diskussion zu stellen“.

Die Einnahme einer „Change-­Perspektive“ kann auf diesem Weg sehr hilfreich sein, „geht es doch zumeist um die Änderung jahrzehntelang einstudierter Praktiken und Routinen“. Ausgehend von der Erkenntnis, dass eine tiefgreifende Veränderung an einer langen Liste von Gründen scheitern kann, können bestimmte Erfolgsfaktoren festgehalten werden.

Wie also können Tourismus und Bedürfnisse der einheimischen Bevölkerung unter einen gemeinsamen Hut gebracht werden? Klaus-Peter Fritz: „Die wohl wichtigste Voraussetzung ist ein klarer Wille zur aktiven Veränderung, dem auch eine entsprechende persönliche Wertehaltung zugrunde liegt. Destinationen, die sich nicht verändern wollen, werden sich auch nicht verändern.“

Qualitative und quantitative Indikatoren als große Hilfe

In einem nächsten Schritt geht es darum, einen umfassenden Eindruck der aktuellen Situation zu bekommen und ungewünschte Entwicklungen zu identifizieren. Dazu haben sich laut Fritz „qualitative und quantitative Indikatoren jenseits von reinen Ankünften und Nächtigungen als sehr hilfreich erwiesen“. Sobald diese erarbeitet wurden, gilt es, ein klares Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Veränderung auf Destina­tionsebene aufzubauen. Fritz: „Nur wenn ein gemeinsames Gefühl der Dringlichkeit unter allen Beteiligten erzeugt wird, kann Veränderung auch gelingen.“

Auf diesem Weg können vermeintlich äußere Einflüsse und Umstände (wie z. B. überlaufene Straßen, Massen von Instagram-Foto-­Trophäenjägern oder aber auch ausbleibende Niederschläge und austrocknende Seen) zum eigenen „Vorteil“ genutzt und als argumentativer Ausgangspunkt für eine Veränderung herangezogen werden.

In weiterer Folge geht es darum, auf Destinationsebene starke Netzwerke aufzubauen und Überzeugungsarbeit auf allen Ebenen zu leisten sowie „Freund:innen am Weg zu gewinnen“. Fritz: „Konkret zu ergreifende Maßnahmen sollten dabei immer einer klaren Vision und Strategie folgen.“ Auch begleitende Kommunikationsmaßnahmen mit allen betroffenen Personengruppen sind essenziell. Sie helfen, die Ziele einzelner Maßnahmen zu vermitteln. „Alle Beteiligten – auch Personen aus der ‚2. Reihe‘ wollen miteinbezogen werden – sollten den Sinn einzelner Maßnahmen verstehen, um die notwendigen Veränderungen auch mittragen zu können“, so Fritz, demzufolge Diskussionsrunden, Bürgerforen sowie umfangreiche Informationsarbeit den Widerstand minimieren.

Erreichtes möchte auch gefeiert werden

Bei der Umsetzung gilt es, kurzfristig sichtbare Erfolge aufzugreifen und für den Anfang realistische Ziele zu setzen, die auch in absehbarer Zeit erreichbar sind. Klaus-Peter Fritz: „Erreichtes möchte gefeiert werden. Gerade große Veränderungen benötigen einen ausreichenden Zeithorizont, um sich zu konsolidieren. Schnell sichtbare Teilerfolge können den Weg dorthin verkürzen.“

Fest steht für Fritz aber auch, dass „neben ersten Erfolgen oft auch Stürme und Orkane auf dem Weg der Veränderung akzeptiert und ausgestanden werden müssen. Manchmal kann es auch notwendig sein, allein gegen den Strom zu schwimmen und durchzuhalten.“ Die Freude ist dann umso größer, wenn nach überstandenen Rückschlägen und Konsolidierung erste Erfolge erzielt werden. „Dann können weitere Maßnahmen und Ziele formuliert werden“, so Klaus-Peter Fritz. „Neue Ansätze und Praktiken werden im Laufe der Zeit immer mehr zur Gewohnheit und können schließlich in das Selbstverständnis einer Destination integriert werden“. Der nachhaltigeren Entwicklung des Tourismus steht damit nichts mehr im Wege.

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