ANA
Millstätter See Tourismus GmbH

Innovationen als Strategie. „Ohne Produkt kein Marketing“

Print-Ausgabe 26. August 2016

Vollbluttouristikerin Maria Wilhelm im Gespräch über authentisches Storytelling und Erfolgsstrategien einer wetterempfindlichen Nahmarktdestination

Mit dem Leuchtturmprojekt „Biwak unter den Sternen“ konnte die Millstätter See Tourimus GmbH (MTG) jüngst die Jury der Innovationsmillion des Bundes im Tourismus 2016 überzeugen. Die sieben Holzbiwaks, die ab 2017 Gästen eine Übernachtungsmöglichkeit mit Blick auf Berge, See und Sterne bieten sollen, sind dabei nicht das einzige innovative Produkt aus der Feder der MTG. Vielmehr handelt es sich um eine gezielte sowie essentielle Strategie der Kärntner Urlaubsregion, wie Geschäftsführerin Maria Theresia Wilhelm im T.A.I.-Interview erklärt.

T.A.I.: Das Badewetter hat im Frühjahr etwas auf sich warten lassen. Was erwarten Sie von der Sommersaison?

Maria Wilhelm: „Im Mai war die Statistik sehr gut – vor allem im Vergleich zu Gesamtkärnten, wo wir mit 24 Prozent im Plus liegen. Viele rechnen mit einem extrem guten Sommer. Ich sage aber: abgerechnet wird erst, wenn die Saison fertig ist. Das Wetter fordert uns. Zwei Tage lang ist es schön und dann regnet es wieder. Noch dazu sind wir eine Nahmarktdestination mit einem Campinganteil von 28 Prozent. Das heißt: wenn das Wetter gut ist, sind die Leute da. Unser Ziel ist es daher, attraktive Produkte zu entwickeln, mit denen Gäste über Schlechtwettertage drüber kommen.“

T.A.I.: Um welche Angebote handelt es sich dabei?

Wilhelm: „Wir haben mit unserem Badehaus eine gute Schlechtwetteralternative, eine Wellnessanlage am See mit hochwertigen Wellnessräumen. Der See selbst wird dadurch ganzjährig nutzbar. Dazu kommt mit der Erlebniswelt Granatium ein sehr schönes Familienangebot. Insgesamt gibt es aber viele Bausteine, um Schlechtwetter zu überbrücken. Vor allem in den Schultersaisonen sind starke Produkte gefragt.“

T.A.I.: Vor zwei Jahren wurde mit den ‚Kulinarischen Landschaften‘ ein Kernprodukt geschaffen, mit dem speziell die Herbstsaison gestärkt werden sollte. Ist das gelungen?

Wilhelm: Der Ausgangspunkt war, dass wir in den Schultersaisonen mehr Auslastung gebrauchen können. Eine zentrale Bedeutung hat dabei die Kulinarik. Gäste können Wanderungen zu diversen Tafeln in der Natur – der Fischer-Tafel, Erntevollmond-Tafel und Alm-Tafel am Granattor – unternehmen oder Netzfischen auf dem Millstätter See gemeinsam mit den Reinankenwirten. Es ist uns gut gelungen dafür Aufmerksamkeit zu erzeugen. Essentiell ist auch, die Produkte in die Vertriebspipeline der Betriebe zu integrieren. Ein Hotel in Kombination mit einer Gästekarte ist ein touristisches Produkt, Hotel plus schlafen ist als Angebot zu wenig. Deshalb meine klare Ansage: product is king!“

T.A.I. An welches Zielpublikum richtet sich Ihr Produkt?

Wilhelm: „Unser Publikum ist milieutechnisch im Bereich der liberal-intellektuellen urbanen Bevölkerung zu suchen, ein städtisches Publikum, dass die kleinen feinen Geheimnisse einer Region entdecken möchte. Im Juli und August sind vorwiegend Familien da, die adaptiv-pragmatisch denken. Die große Herausforderung für uns lautet daher: Wenn wir da nicht erweitern, schrumpft die Saison auf zwei Monate.“

T.A.I.: Was sind die Kernprodukte am Millstätter See?

Wilhelm: „Wir haben in den letzten Jahren viel gemacht, um die Marke zu stärken. Dabei haben wir uns bemüht, neue Produkte aus dem See heraus zu entwickeln und die verschiedenen Gesichter des Millstätter Sees zu zeigen. Rund um das Thema Zeit zu zweit gibt es etwa ‚Dinner for 2‘ auf dem See sowie interessante Wanderangebote, wie das ‘Buchtenwandern‘, der ‘Höhensteig mit Granattor‘, der ‚Weg der Liebe‘ und vieles mehr. Neue Projekte, mit denen wir uns stark auseinandersetzen sind die Biwaks unter Sternen, die Millstätter Almenwelten sowie die neuen Slow Trails – leichte Wanderungen auf mittlerer Höhe mit einer Gehzeit von zwei bis drei Stunden und inszeniert mit passenden Geschichten. Insgesamt arbeiten wir viel an Storytelling und wollen eine authentische Geschichte der Region erzählen. Weg von den touristischen Werbetexten.“

T.A.I.: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der Kooperation „Urlaub am See“, der Sie ebenfalls vorstehen?

Wilhelm: „Es ist das wichtigste strategische Geschäftsfeld, das wir gemeinsam mit der Kärnten
Werbung bewirtschaften. Erkenntnisse aus dieser Gruppe sind sehr, sehr wichtig und auch die Abstimmung ist essentiell. Wir alle verkaufen Urlaub am See. Daher geht es stark um’s Reflektieren und Herauskristallisieren. Urlaub am See ist ein Sehnsuchtsversprechen. Diese Sehnsüchte müssen wir mit unseren Produkten wecken. Früher war Kärnten der nächste Süden für die Deutschen. Heute findet der Badeurlaub am Meer statt. Wir bewegen uns auf sehr ausdifferenzierten Märkten. Bei Gästen in den Schultersaisonen sind Architektur, Ästhetik, Kulinarik und  kleine feine Geheimnisse wichtig. Für Familienurlaub braucht es wieder eine gute Infrastruktur  mit Seezugängen, Bädern und Rutschen. Ich muss mir auch die Unterschiede in Bezug auf die Märkte anschauen: Tschechen sind beispielsweise sehr aktive Menschen, die Niederländer hingegen eher relaxt. Die Deutschen wiederum wollen den Sonntag oder das Wochenende mit dabei haben. Daher ist es wichtig auf die jeweilige Tonalität einzugehen und die richtigen Codes zu bedienen.“ 

Urlaub am See in Stichworten

Im Jahr 2014 schlossen sich die fünf Kärntner Seeregionen, die Millstätter See Tourismus GmbH, Wörthersee Tourismus GmbH, Region Villach Tourismus GmbH, Tourismusregion Klopeiner See - Südkärnten GmbH und NLW Tourismus Marketing GmbH (für Weissensee und Pressegger See) zusammen, um ihre Marketingaktivitäten operativ zu bündeln und mit innovativen Produkten neue Gästeschichten anzusprechen. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft. Sprecherin der Gruppe ist MTG-Geschäftsführerin Maria Theresia Wilhelm.

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Erstellt am: 26. August 2016

Foto: Investiert viel Kreativität in starke Produkte – Maria Theresia Wilhelm

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