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FHWien der WKW

Fünf Themenfelder mit hoher Relevanz für die touristische Praxis

Print-Ausgabe 15. Dezember 2023

„Es lässt sich erkennen, dass sich ein Wandel von Lerninhalt zu Lernmethode vollzieht“, so Florian Aubke

Die Rolle von Forschung wird von der Tourismuswirtschaft mitunter kritisch beäugt – die EuroCHRIE Konferenz in Wien machte deutlich, dass dies ein Fehler ist

Anfang Oktober fand an der FHWien der WKW (Wirtschaftskammer Wien) die jährliche wissenschaft­liche Konferenz der EuroCHRIE statt. Es handelt sich um den offiziellen Verband für die EMEA-Region (Europa, Mittlerer Osten und Afrika) der 1946 gegründeten internatio­nalen CHRIE-Organisation, die Bildung und Ausbildung für Tourismus unterstützt. Im Rahmen der Wiener Konferenz trafen sich Akademiker:innen internationaler Hochschulen, um sich über Entwicklungen in Forschung und Lehre im Bereich Hotel- und Touris­musmanagementausbildung auszutauschen. Im Fokus standen 144 wissenschaftliche Beiträge, die das Konferenzthema „Changing Reali­ties. New Opportunities.“ aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchteten.

Das Motto war gut gewählt. Es nahm ebenso auf die geopolitischen und wirtschaftlichen Verwerfungen Bezug, welche die globale Tourismus­industrie bewegen, wie auf die vielen der unmittelbar spürbaren Veränderungen der touristischen Mikroökonomie, die auf Erfahrungen der Covid-19-Pandemie zurückzuführen sind. Florian Aubke, Leiter des Programmes „Tourism & Hospitality Management“ an der FHWien der WKW und Vizepräsident von EuroCHRIE: „Die Folgen sind ein geändertes Konsumentenverhalten, neue Arbeits­welten, gesteigerte Aufmerksamkeit für Klimathemen sowie eine daraus resultierende Nachhaltigkeitsbewegung in der Breite der Gesellschaft. Auch digi­tale Fortschritte sind längst keine rein theoretischen Konstrukte mehr.“

Die Konferenzteilnehmer:innen stellten sich diesen aktuellen Herausforderungen in den fünf Themenfeldern Digital Realities, Sustainable Realities, Educational Realities, Managerial & New Work Realities und Urban Tourism Realities.

Bei den Diskussionen rund um das erste Thema wurde deutlich, dass ein Fokus auf der Interaktion von Menschen & Maschine liegt. Aubke: „Der Einsatz von digitalen Lösungen beeinflusst den Umgang mit Gästen und verändert das Konsumentenverhalten entlang der gesamten Wertschöpfungskette.“ Der Einsatz von künstlicher Intelligenz in Form von Chatbots wiederum verspricht Effizienz, die Akzeptanz leidet aber unter der Sorge vor Datenmissbrauch und Unpersönlichkeit.

Im Themenbereich „Managerial & New Work Realities“ stellte sich heraus, dass der Umgang mit Diversität eine der zentralen Herausforderungen des Tourismus ist. Mitarbeiter:innen zu finden und zu binden ist nicht erst seit der Pandemie ein Thema. Aubke: „Mehrere der präsentierten Studien zeigen, dass effektives Diversitätsmanagement einen positiven Einfluss auf Produktivität, Mitarbeiterzufriedenheit und Betriebsergebnis hat.“

Beim Thema Nachhaltigkeit waren sich die Forscher:innen einig, dass es für Konsument:innen inzwischen ein selbstverständliches Attribut des Reiseerlebnisses ist und dass das Fehlen einer Nachhaltigkeitsorientierung sogar als negativ wahrgenommen wird. Die Diskussionen auf der Konferenz drehten sich jedoch primär um Anforderungen an ein Environmental, Social und Gover­nance (ESG) Reporting. „Das erinnert ein bisschen an die Debatten über Onlinebewertungen in den frühen 2000er Jahren“, so Florian Aubke. „Ein Mangel an Transparenz, unterschiedliche Bewertungszugänge und Methoden von ESG-Ratingagenturen lassen die Ergebnisse in einem fragwürdigen Licht erscheinen.“ Um dem entgegenzuwirken, sollten Hotels nichtfinanzielle und ESG-bezogene Informationen offenlegen, um zu klareren ESG-Bewertungen und einem besseren Verständnis dieser Bewertungen beizutragen.“

Wie lautet nun das Fazit der Wiener EuroCHRIE-Konferenz? Florian Aubke: „Aus den Konferenzbeiträgen lässt sich erkennen, dass sich ein Wandel von Lerninhalt zu Lernmethode vollzieht.“ War vor einigen Jahren noch das Ziel, Technologien anwendungsorientiert zu unterrichten, so ist Technologie heute eher ein Mittel zum Kompetenzerwerb. Beispiele dafür sind die Künstliche Intelligenz (sie vereinfacht Informationssuche und gibt Raum für inhaltliche Arbeit) sowie die Virtual und Augmented Reality (sie bieten Lernerfahrungen für diverse Studierende, unter­liegen weniger geographischen Einschränkungen und etablieren sich als resiliente Lehr- und Lernmethode). Florian Aubke: „Es ist erkennbar, dass dadurch ein Mangel an fachpraktischer Ausbildung an eher theorieorientierten Hochschulen kompensiert werden kann.“

Florian Aubke ist sich bewusst, dass „in der – zugegebenermaßen anwendungsorientierten – Tourismuswirtschaft die Rolle von Forschung mitunter kritisch beäugt wird.“ Die Erkenntnisse der EuroCHRIE-Konferenz zeigen ihm zufolge jedoch, „dass die behandelten Themen nicht nur relevante Fragestellungen aufgreifen, sondern auch über den Umweg der Tourismusausbildung die Industrie bereichern können.“ Aubke abschließend: „Es ist daher begrüßenswert, dass der Tourismusstandort Österreich auch in Forschung und Lehre eine nachweislich relevante Rolle spielt.“

Interessant ist ergänzend dazu folgender weiterführender Bericht:
FHWien der WKW

Über Waldviertler Mohn und das Heilwissen der Pinzgauerinnen

26. Mai 2023 | Österreich

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