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Zypern Tourismus

Sonne und Strand sind zu wenig! Zyperns Zukunft mit „Joint-Packages“

Print-Ausgabe 28. Juni 2019

Möchte Zypern in Zukunft als Ganzjahres-Destination promoten: Tourismusminister Savvas Perdios

Im Tourismus der Mittelmeer-Insel bleibt kein Stein auf dem anderen – die komplett neue Strategie stößt bei Reiseveranstaltern auf reges Interesse

Mit Savvas Perdios hat Zypern seit Anfang 2019 erstmals einen Tourismusminister. Das neu geschaffene Ministerium (zuvor ressortierte der Tourismus im Handelsministerium) ersetzt auch die Cyprus Tourism Organisation (CTO). Hintergrund dieser Weichenstellungen ist die Bedeutung, die der Tourismus für Zypern erlangt hat: Sein Anteil am BIP beträgt laut World Travel and Tourism Council (WTTC) aktuell 22,3 Prozent und soll bis 2028 auf 29 Prozent klettern. T.A.I. traf Savvas Perdios während seines zweitägigen Wien-Besuchs Mitte Juni zum Interview.

T.A.I.: Was hat Sie dazu bewogen, aus der Wirtschaft in die Politik zu wechseln?

Perdios: „Nicht ich habe das beschlossen; die Regierung wollte für das Tourismus-Ministerium jemanden aus dem Privatsektor, der Erfahrung hat. Der Präsident von Zypern war der Meinung, dass ich der beste Mann für diesen Job bin. Für mich ist das eine große Ehre. Unsere Aufgabe ist es, Zyperns Tourismus in die nächsten Dekaden zu führen. Ziel ist, dass alle in die gleiche Richtung gehen. Meine Liebe gehört nicht der Politik, sondern dem Tourismus. Wenn ich meinen Job als Tourismusminister eines Tages erledigt habe, werden Sie mich auf keinem anderen Minister-­Posten sehen.“

T.A.I.: Wo werden Sie primär die Hebel ansetzen?

Perdios: „Zyperns Tourismus geht es sehr gut. Er hat eine starke Basis. Seit 2015 sind unsere internationalen Ankünfte von 2,32 auf 3,98 Mio. angestiegen. Aber nur ein Viertel davon kommt von November bis April. Bis 2030 werden wir 5 Mio. Ankünfte pro Jahr haben. Diese zusätzliche Million soll nicht im Sommer, sondern im Winter kommen. Ziel ist, dass 2030 rund 40 Prozent aller Ankünfte im Winter erfolgen. Jetzt geht es darum, Wege zu finden, wie wir das schaffen.“

T.A.I.: Woran denken Sie?

Perdios: „Derzeit hängen wir stark  vom Familien-Urlaub mit Sonne-­Strand-Fokus ab. Wir müssen deshalb die Möglichkeiten ausspielen, die Zypern in der Schultersaison und im Winter hat. Ziel ist es, dass neue Regionen und neue Monate davon profitieren.“

T.A.I.: Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen?

Perdios: „Werfen Sie einen Blick auf die demographische Entwicklung: Die KonsumentInnen werden älter. Es geht also darum, die Zielgruppe 50+ in Europa aktiv anzusprechen. Der zweite demographische Wandel vollzieht sich im Mittleren Osten und in der Golf-Region. Dort ist die Hälfte der Bevölkerung 30 Jahre und jünger. Wir können diese Zielgruppe mit kurzen Lifestyle-Breaks erreichen. Ebenso wichtig ist unsere geographische Lage im Osten des Mittelmeeres: Wir sind das einzige Land der Welt, das in einer Stunde Flugzeit von drei Kontinenten aus erreichbar ist. Wir können Zypern dadurch in Form von Kombinations-Packages dieser drei Kontinente positionieren, z. B. Reisen auf den Spuren des Hl. Paulus mit Zypern und Israel oder ‚Roots of Love‘ mit Santorini und Paphos. Wir gehen weg davon, Zypern nur als eigene Destination zu promoten, hin zu Joint-Packages in Kombination z. B. mit Griechenland.“

T.A.I.: Wann beginnen Sie mit der Umsetzung?

Perdios: „Wir sind dabei. Auf der ITB 2020 werden wir unsere neue Brand vorstellen. Kein Logo mehr mit Sun & Sea, sie präsentiert Zypern auf eine neue Art. Als kleines Land müssen wir in Partnerschaften investieren und die Joint-Packages sind ein wesentlicher Teil davon. Die Vorteile unserer Lage im östlichen Mittelmeer haben wir in den letzten Jahrzehnten im Tourismus nicht genützt.“

T.A.I.: Wie reagieren die Reiseveranstalter auf diese Pläne?

Perdios: „Sie lieben die Idee der Joint-Packages, die das Potential haben, den Tourismus zu revolutionieren. Und die Reiseveranstalter sind auch begeistert, dass wir eine neue Brand entwickeln, die nicht nur auf Sun & Sea fokussiert. Das ist wichtig, damit die Reiseveranstalter Zypern als Ganzjahres-Destination promoten können. Bei der neuen Brand geht es um ‚soft assets‘ und nicht darum, dass wir das beste Essen, schöne Berge, eindrucksvolle Kultur und tolle Strände haben. Das sagen alle über sich. Die entscheidende Frage ist: Was macht uns besonders?“

T.A.I.: Und was macht Zypern besonders?

Perdios: „Es sind sechs Dinge: 1. Das Wohlfühl-Klima: Zypern hat viel Natur, wenig Industrie, gesundes Essen, saubere Luft, nicht viel Bevölkerung und deshalb nicht viel Verkehr. Das ist ein guter Kontrast für Menschen, die in Städten leben. 2. Unsere Gastfreundschaft: Wer in einem Wohlfühl-Klima lebt, der ist glücklich und das gibt er auch an andere weiter. 3. Unsere Position im östlichen Mittelmeer. 4. Die Nähe: Wir sind ein sehr kleines Land. Von den Bergen zum Meer gelangt man in nur einer Stunde. BesucherInnen können also in kurzer Zeit sehr viel machen. 5. Die Sprache: 80 Prozent der ZyprerInnen sprechen Englisch, auch jene, die in den Bergen leben. Das gibt unseren Gästen Sicherheit und schafft Vertrauen. 6. Unsere Offenheit gegenüber allen Nationalitäten, Religionen und Kulturen: Wir haben in 11.000 Jahren unserer Geschichte gelernt, andere zu akzeptieren. Diese Soft Facts haben wir in den letzten sechs Monaten im Gespräch mit tausenden Menschen in Zypern und der Welt erarbeitet. Das hat uns geholfen, unser Land besser zu verstehen, und so werden wir Zypern in den nächsten Dekaden promoten.“ 

Kurzportrait Savvas Perdios

Savvas Perdios lernte den Tourismus seit seinem 15. Lebensjahr von der Pieke auf kennen (u. a. Koch im Hilton Wien sowie Sushi Meister-­Kurs bei Akakiko in Wien), studierte an der University of Warwick sowie danach an der Ecole Hôtelière de Lausanne Hospitality Management und startete seine berufliche Karriere 2008 im Mykonos Theoxenia Boutique Hotel. Im Jänner 2010 kam Savvas Perdios als Quality & Branding Manager zu den Louis Hotels, wo er zum Chief Operations Officer (COO) avancierte. Anfang 2019 wurde er von Zyperns Präsidenten Nikos Anastasiadis zum Deputy Minister of Tourism ernannt.

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