ANA
T.A.I. vor Ort bei der Baseler Fasnacht

„Schnitzelbänke“ & „Blagedde“: Damit stellt Basel alles in den Schatten

Print-Ausgabe 19. August 2022

Die „drey scheenschte Dääg“ gelten als krönender Höhepunkt des eidgenössischen Faschings und zählen mit ihrem einzigartigen Flair zu einem absoluten „must visit“

Den Villacher Fasching kennen viele, ebenso den Kölner Karneval. Aber Hand aufs Herz: Wie steht es um die Basler Fasnacht? Die hat es in sich, ist nicht mehr wegzudenken aus der Stadt und stellt den alljährlichen Höhepunkt für Bewohner*innen und Gäste der eidgenössischen Kulturhauptstadt dar. Die „drey scheenschte Dääg“, wie dieses Spektakel liebevoll genannt wird und die Stadt am Rhein traditionell in Ausnahmezustand versetzt, sind dermaßen einzigartig, dass sie vor fünf Jahren zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurden. Grund genug für den Schweiz Tourismus, ausgewählten Medienpartner*innen die Möglichkeit zu bieten, die „5. Jahreszeit“ nach zweijähriger Zwangspause – 2021 musste die Fasnacht abgesagt werden – heuer selbst mitzuerleben. T.A.I. war mit dabei.

Am Montag nach dem Aschermittwoch geht es zu nachtschlafender Zeit um 04:00 Uhr los (2023 steht der Termin mit 27. Februar bis inklusive Mittwoch 1. März bereits fest): Sobald der Glockenschlag der Martinskirche ertönt (die älteste Basler Pfarrkirche wurde um 1100 erstmals urkundlich erwähnt, womit sie den Wiener Stephansdom um einige Jahrzehnte übertrifft), werden alle Lichter der Innenstadt gelöscht und es folgt das Kommando „Morgestraich: Vorwärts, marsch!“ In allen Straßen erklingen daraufhin Piccolo Flöten und erschallen Trommelwirbel mit der traditionellen Melodie des Morgenstreich-Marsches, der alljährlich nur zu dieser Gelegenheit gespielt wird. Erhellt wird Basel dann nur noch durch Laternen, die von Fasnächtler*innen in tranceartig anmutendem Gleichschritt getragen oder gezogen werden.

Der stimmungsvolle „Morgestraich“ stellt lediglich den Auftakt der Festivitäten dar. Farbig und lärmend bilden die beiden großen Umzüge („Cortège“ genannt) am Montag- und Mittwochnachmittag zwei weitere grandiose Höhepunkte. An die 20.000 aktive Fasnächtler*innen präsentieren dann ihre Sujets, mit geschmückten Wägen, mit „Gugge“ (mit Schlag-, Rhythmus- und Blechblasinstrumenten intonierte Blasmusik, die zünftige Schlager, Pop und Jazz erklingen lässt), mit „Ainzelmasggen“ (kostümierte Personen), in großen und kleinen „Cliquen“ sowie mit „Chaisen“ (Kutschen).

Ab Montagabend stellen besagte Cliquen auf dem Münsterplatz ihre kunstvoll und aufwendig gestalteten Laternen zur Schau. Besonders reizvoll gestaltet sich dies nach Sonnenuntergang, wenn die Laternen wie beim „Morgenstreich“ erleuchtet werden und ihre volle Pracht entfalten. Stil und Formen der handbemalten Laternen sind vielfältig und stehen jedes Jahr unter einem bestimmten Motto (heuer in Anspielung auf die Gewichtszunahme vieler Basler*innen während der Corona-Pandemie lautete es „Bassts no?“).

Der Dienstag gehört dann ganz den Kindern. Begleitet von Eltern, Großeltern und anderen Erwachsenen ziehen sie in fantasievollen Kostümen, mit Trommeln, Musik­instrumenten und Wägelchen durch die Straßen, verteilen Bonbons und bewerfen sich gegenseitig mit „Räppli“ (Konfetti). Die Erwachsenen genießen derweil in frei zusammengestellten Formationen in persönlichen Lieblingskostümen den zweiten der „drey scheenschte Dääg“ nach Lust und Laune.

Es wäre nicht die Basler Fasnacht, gäbe es zu dem Anlass keine „Schnitzelbänke“. Diese gelten als eines der wichtigsten Elemente des dreitägigen Treibens. Es handelt sich dabei um in Versform verfasste, singend vorgetragene Spottlieder, die als Konzentrat des Basler Fasnacht-Witzes gelten. Jede „Schnitzelbank“ nimmt in kunstvollen Reimen, stets humorvoll, satirisch und mit viel Biss allerlei Geschehnisse aus Politik und Gesellschaft unter die Lupe und lässt so das vergangene Jahr Revue passieren. Zu hören sind sie Schnitzelbänkler*innen jeweils am Montag- und Mittwochabend in Restaurants und Theatern, am Dienstagabend auch in Cliquenkellern.

Den krönenden Abschluss bildet dann der „Endstreich“ in den letzten Minuten vor 4 Uhr früh am Donnerstagmorgen. Zuvor intensiviert sich das Fasnachtstreiben ab Mittwochabend nochmals in einer fantastischen Art mit allen aktiven Teilnehmer*innen, die speziell nach Mitternacht noch einmal alles geben. Zum Finale wird noch ein allerletzter Marsch aufgespielt, dann heißt es Abschied nehmen bis zur nächsten Fasnacht.

Für die Organisation der „drey scheenschte Dääg“ zeichnet das Fasnachts-Comité mit Obfrau Pia Inderbitzin an der Spitze verantwortlich. Das Gremium besteht aus 10 bis 15 ehrenamtlich tätigen Mitgliedern. Im August wird es zum ersten Mal spannend für das Team: Dann wird nämlich der Entwurf für die „Blaggedde“ (Plakette) des kommenden Jahres ausgewählt. In diesem Jahr (es gab insgesamt 129 Einsendungen) zeigte sie dem Motto „Bassts no?“ entsprechend einen altgedienten Tambour-Major mit dickem Bauch­umfang.

Die Plakette gilt als eine Art Eintrittsbillett für die Fasnacht. Zwar besteht kein Kaufzwang (von 9 Franken der „Blaggedde“ in Kupfer über 45 Franken für die Variante in Gold bis zum 100 Franken wohlfeilen Bijou-Anhänger), aber es gilt als Ehrensache, eine oder gleich mehrere Exemplare zu erwerben, denn der Reinerlös aus dem Verkauf macht den Löwenanteil der Subventionen für die Veranstaltung aus, mit denen die enormen Auslagen für die Umsetzung des jährlich wechselnden Sujets beglichen werden – quasi ein Garant für die Narrenfreiheit der Basler Fasnacht. Fazit des medialen Kurztrips: Die „drey scheenschte Dääg“ zählen mit ihrem einzigartigen Flair zu einem absoluten „must visit“. 2023 besteht dazu die nächste Chance.

Fasnacht Basel Laternen

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