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Schweiz Tourismus

Mit „Swisstainable“ in die Zukunft: Eidgenossen setzen auf Nachhaltigkeit

Print-Ausgabe 15. Juli 2022

V.l: Urs Weber, Sabine Stock und Martin Nydegger bei der Presse­konferenz zum Thema „Swisstainable“


 

Mit dem vor kurzem lancierten Slogan beschreitet die Schweiz einen Weg, der in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnen wird – eingebunden wird die gesamte Branche

Er ist ein Tourismusmanager vom Scheitel bis zur Sohle: Martin Nydegger. Der frühere Direktor der Ferienregion Engadin Scuol Zernez gehört schon seit mehr als 17 Jahren zum Team des Schweiz Tourismus (33 Büros weltweit, insgesamt 278 Mitarbeiter*innen), an dessen Spitze er als CEO seit Jänner 2018 steht. T.A.I. traf Martin Nydegger am Vortag der gemeinsamen Präsentation mit ÖBB Personenverkehr-Vorständin Sabine Stock über die Themen Nachhaltigkeit und „Swisstainable“ zum Gespräch.

Beides – also Nachhaltigkeit und „Swisstainable“ – gehören wie eineiige Zwillinge zueinander. „Es ist unser Schwerpunkt der nächsten Jahre“, wie Martin Nydegger erklärt. „Wir haben den Slogan ‚Swisstainable‘ ganz neu und frisch lanciert. Die gesamte schweizerische Tourismusbranche stellt sich dahinter.“

Eingebunden wird der Wirtschaftszweig in Form von drei Stufen: Die erste ermöglicht jenen, die sich laut Martin Nydegger „langsam an dieses Thema heranarbeiten“, einen Soft-Einstieg; die zweite Stufe beinhaltet bereits mehr, inklusive Zertifizierung. Für jene, „die sich schon sehr intensiv mit dem Thema beschäftigen, also die Leader“, ist Stufe drei gedacht.

Das Interesse ist sehr groß: Mitte Juni diesen Jahres wurde die 1.000er-­Marke an „Swiss­tainable“-Betrieben geknackt. Mittelfristig möchte Martin Nydegger, dass „5.000 bis 8.000 Betriebe mitmachen. Wir sind erst am Anfang.“ Zur Relation: In den 13 Tourismusregionen der Schweiz gibt es aktuell rund 30.000 gastgewerbliche Betriebe, mehr als 4.600 Hotelbetriebe sowie Para­hotellerie, Bahn-, Seilbahn- und Schiffahrtsunternehmen. Die größte Gruppe der „Swisstainable“-Mitglieder stellt aktuell die Hotellerie, am stärksten nimmt der Bereich Gastronomie zu.

Wobei es dem Schweiz Tourismus CEO Martin Nydegger fern liegt, „den Individualverkehr zu verteufeln“. Ganz im Gegenteil: Seit 2015 wird die „Grand Tour of Switzerland“ beworben, ein 1.600 km langer Straßentrip durch die Schweiz, „den man mit dem Verbrenner ebenso machen kann wie mit dem E-Auto“. Für letztere stehen alle 50 bis 80 km Ladestationen bereit, alle bei Restaurants oder Attraktionen.

Auf Schienen setzt im Gegensatz dazu die „Grand Train Tour of Switzerland“ (seit 2016), mit der es per Bahn über 1.280 km der schönsten Panorama­strecken des Landes geht und elf große Seen sowie fünf UNESCO-Welterbestätten bereist werden – und das mit einem einzigen Fahrausweis, dem „Swiss Travel Pass“. Martin Nydegger: „Da brauchst du nichts extra, weil wenn’s kompliziert wird, wird es nicht gekauft.“

Insgesamt müsse bei „Swisstainable“ laut Martin Nydegger „die Verhältnismäßigkeit in den Vordergrund gerückt werden.“ Die „wirklich großen Hebel“ bestünden dabei vor allem in der Energie- und der Müllwirtschaft sowie beim Forcieren von regionalen Produkten (saisonal und lokal). Nydegger: „Es gibt bereits viele Restaurants, die Null-Kilometer-­Menüs anbieten.“

Und wie läuft es heuer? „Gut, wir sind sehr zufrieden“, sieht sich Martin Nydegger in seiner seit Anfang der Corona-Krise vertretenen Überzeugung bestätigt, dass „nach zwei Jahren Pandemie ein touristischer Nachholeffekt eintritt. Wir haben alle auf diesen Moment gewartet. Er ist heuer im Frühjahr eingetreten.“

Drei Phänomene wären dabei zusammengekommen: So wurden vielerorts „Reise-Restriktionen sehr schnell zurückgefahren“, worauf sich die „Reiselust fast explosionsartig entfaltet“ hat. Drittens haben „die Menschen gespart und reisen dadurch in einer besseren Klasse und in bessere Hotels. Sie leisten sich eine gute Flasche Wein, einen Museumsbesuch oder einen Ausflug.“ Wie verträgt sich dies mit der Preissensibilität? „Die ist bei unseren Gästen unterdurchschnittlich ausgeprägt.“ Die Schweiz spüre preissensible Gäste nämlich „am schnellsten“.

Bezüglich des weltweiten Mitarbeiter*innen- und Fachkräftemangels gehe es der Schweiz besser als vielen anderen Ländern derzeit. „Wir hatten ein gutes Kurzarbeitsmodell und es gab Kredite für Betriebe“, unterstreicht Martin Nydegger. Die Branche war „von 0 auf 100 schnell einsatzbereit, nicht überall, aber wir haben im Kern großes Glück gehabt. Wir sind in der Lage, die Nachfrage zu befriedigen.“ Es gab stets „einen sehr guten Austausch mit der Regierung“ und „keinen einzigen Tag, an dem die Hotels zwangsweise geschlossen oder Bergbahnen zugesperrt waren.“ Rückblickend habe sich gezeigt, dass ein „absoluter Lockdown die Zahlen nicht verbessert“ habe, der eidgenössische Weg im Gegensatz dazu aber für vergleichsweise „wirtschaftlich gute Zahlen“ sorgte.

Für die bevorstehende Herbst- und Wintersaison gibt sich der Schweiz Tourismus CEO durchaus gelassen: „Es wird nicht so überraschend, wie zu Beginn der Pandemie“, betont Martin Nydegger, „wir haben Pläne in der Schublade, hoffen aber, dass wir sie nie mehr öffnen müssen.“ Die Situation sei mit einer Versicherung vergleichbar: „Wir sind vorbereitet, hoffen aber, sie nie in Anspruch zu nehmen.“

Soweit zum exklusiven T.A.I.-­Gespräch am Vorabend der gemeinsamen Pressekonferenz mit ÖBB  Personenverkehr-­Vorständin Sabine Stock, die ebenfalls dem Thema „Swisstainable“ gewidmet war. Sabine Stock: „Wir haben einiges zu ‚Swisstainable‘ beigetragen“.

Sie verwies damit nicht nur auf den hierzulande über ÖBB Rail Tours vertriebenen „Swiss Travel Pass“, sondern auch auf die umfangreichen Railjet-Verbindungen ab Wien und Graz in die Schweiz („Die Züge sind voll“) und die ÖBB Nightjets (mit aktuell 20 Verbindungen sind die ÖBB der größte Nachtzuganbieter Europas). Die Anreise auf Schienen verursache laut Sabine Stock „51-mal weniger CO2-Ausstoß als mit dem Flugzeug“. Die ÖBB arbeiten „an einem strategischen Ausbau des Nachtzugverkehrs“, wobei die Schweiz „ein ganz wichtiger Knotenpunkt, vor allem bei Verbindungen Richtung Süden“ sein werde.

Wie Urs Weber, Market Manager des Schweiz Tourismus in Österreich und Generalsekretär der Handelskammer CH-AT-LI in Wien, abschließend erwähnte, reisen rund 31,7 % aller Gäste mit dem Zug an oder durch die Schweiz. Die Nachfrage für das Urlaubsangebot „Swiss Travel Pass“ steigt gerade in Österreich stark an: Aktuell (Year-to-Date) liegen die Verkaufszahlen hierzulande um 11 % über dem Vergleichsjahr 2019. Und das war bislang das beste.

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