T.A.I. Exklusiv-Interview

Wissens-Cluster im Verkehrsbüro. Leisure Touristik rückt zusammen

Print-Ausgabe 15. Juli 2016

Die umsatz- und gewinnstärkste Säule der Verkehrsbüro Group steht seit einem Dreivierteljahr unter Verantwortung von Helga Freund. Wie das neue Vorstandsmitglied in das alles andere als einfache Premieren-Jahr gestartet ist, wie es mit den Post Reisen in Deutschland läuft, wie mit den Rostock-Charters, welche Synergien von Eurotours, Jumbo und Ruefa demnächst gehoben werden, wie es um das Beratungs-Honorar steht und was von 2017 zu erwarten ist, darum ging es im Sommer-Gespräch mit T.A.I.

T.A.I.: Das Touristikjahr 2016 ist bekanntermaßen alles andere als einfach. Wie kommt die Leisure Touristik der Verkehrsbüro Group mit den Herausforderungen zurecht?

Helga Freund: „Das Jahr ist herausfordernd. Da wir verschiedene Standbeine im Konzern haben, können wir das jedoch ausgleichen. Bei Ruefa verschieben sich die Gästeströme massiv, Destinationen im östlichen Mittelmeer fallen aus: Die Türkei wird nur mehr halb so viel gebucht, Ägypten hat ein Minus von 60 Prozent. Dafür wächst Spanien auf hohem Niveau mit plus 9 Prozent – dort gibt es übrigens noch Kapazitäten –, Portugal liegt mit 36 Prozent im Plus, Bulgarien mit 70 Prozent. Trotzdem können diese Destinationen den Ausfall nicht ganz wettmachen. Bei Eurotours boomt der Österreich-Urlaub mit einem 7,8 Prozent Zuwachs im Sommer. Die Österreicher selbst buchen um 11 Prozent mehr Urlaub im eigenen Land. Italien, Kroatien und Deutschland sind stark nachgefragt. Auch die polnische Küste verkauft sich gut, ebenso Kreuzfahrten. Die Branche muss heuer sehr flexibel sein.“

"Die Antwort auf die Frage, ob wir bei Ruefa noch aufholen können, lautet nein."

T.A.I.: Wie sieht es mit den Last-Minute Buchungen aus? Wird man die Rückgänge noch aufholen können?

Helga Freund: „Einen Run auf Last-Minute stellen wir noch nicht fest. Griechenland war im Juni aber stärker gebucht. Bei der Türkei haben wir sehr gehofft, dass es Last Minute noch anzieht. Nach dem jüngsten Anschlag ist dies nicht mehr zu erwarten. Die Antwort auf Ihre Frage, ob wir bei Ruefa noch aufholen können, lautet daher nein. Jene Reisebüros, die individuell und mit Expertise beraten, verzeichnen aber auch heuer schöne Zuwächse.“

T.A.I.: Wie entwickeln sich die anderen beiden Leisure Touristik-Säulen?

Helga Freund: „Jumbo läuft ganz gut, ca. auf Vorjahresniveau. Jetzt startet bereits der Verkauf der Fernreisen. Studienreisen gehören zu den Bestsellern. Bei Eurotours liegen wir über dem Vorjahr. Hofer Reisen entwickelt sich sehr gut, aber auch im Incoming sowie am deutschen Urlaubsmarkt sind wir gut unterwegs.“

T.A.I.: Stichwort Großbritannien: inwieweit wird hier der Brexit Auswirkungen haben?

Helga Freund: „Den Sommerurlaub haben die Briten bereits gebucht, hier wird es keine Auswirkungen im Incoming geben, für den Winter wird man sehen, auf welchem Wert sich das Pfund einpendelt und sich der Winterurlaub für die Briten verteuert. Ski-Urlaub ist aber sowieso ein hochwertiges Produkt und kein Billig-Urlaub. Die Briten machen im Winter nur 1,5 Prozent vom Eurotours-Aufkommen aus. Im Sommer sind es 3,2 Prozent. Im Outgoing ist es anders: Urlaub in Großbritannien wird billiger. Diesen Vorteil geben wir mit kurzfristigen, vergünstigten Angeboten an unsere Kunden weiter. Wir vertreiben Trips nach London inklusive Musicals etc., über Eurotours sowie über Ruefa.“

T.A.I.: Welchen Stellenwert nimmt bei Ihnen ruefa.at ein?

Helga Freund: „Ruefa.at macht ca. 7 Prozent vom Gesamtaufkommen aus. Im Herbst ist ein Relaunch geplant, alle Produkte auf ruefa.at sind dann online buchbar. Derzeit ist das noch nicht der Fall, einige Reisen sind nur auf Anfrage buchbar. Beides ist wichtig: So sind etwa die Destinationen Österreich und Kroatien über Reisebüros schwer zu vermitteln, online aber stark gebucht. Dort setzt auch unser Multi-Channel Projekt an, also die Verbindung der Online-Welt mit den stationären Reisebüros, Agents sollen auch online beraten können. Eine Chat-Funktion, gibt es bereits, die läuft aber über unser zentrales Call Center. Die Idee ist, diese auf MitarbeiterInnen in den Filialen auszuweiten. Damit wird vorhandenes Know how breit genutzt und abrufbar, wenn sich ein Kunde online beraten lassen will.“

T.A.I.: Das erinnert an die seinerzeitige ‚Expertline‘ …

Helga Freund: „Ja, das war aber damals technisch noch nicht so möglich. (Anm. d. Red.: Expertline wurde Ende 2004 gestartet). Entscheidend ist auch: Wer ist Experte wofür? Deshalb das Clustern. Andere haben das in dieser Form nicht. Mit Jumbo haben wir über Ruefa hinaus zusätzliche Experten.“

T.A.I.: Das klingt ganz nach Vorbereitung des Beratungs-Honorars? Von Verkehrsbüro-Ruefa Seite war zu vernehmen, dass die Einführung im Herbst erfolgen soll. Bleibt es dabei?

Helga Freund: „Dieses Jahr nicht mehr, ist nicht oberste Priorität.  Das Thema ist aber nicht weg vom Tisch.“

T.A.I.: Im Vorjahr erfolgte der Start der Post-Reisen in Deutschland. Einer Aussendung zufolge wurde 2016 das Angebot stark ausgebaut, zu den Pauschalreisen kamen 30.000 Hotels hinzu. Wie entwickelt sich das Geschäft heuer? Sind Post-Reisen bereits flächendeckend in ganz Deutschland vertreten?

Helga Freund: „In der Printwerbung konzentriueren wir uns auf den Osten und die Reiseregion rund um München sowie in Nordrhein Westfalen. Online sind wir bereits im ganzen deutschen Raum präsent. Wir liegen mit den Post Reisen 60 Prozent im Plus, allerdings noch nicht auf so hohem Niveau. Die Reisepackages werden sehr gut von deutschen Kunden angenommen. Wir testen sehr viel im Dialog-Marketing. Das heißt: zielgerichtete Mailings für Deutschland-Aufenthalte sowie umgebenden Ländern, wie Österreich, Schweiz, polnische und niederländische Küste, Kreuzfahrten und Fernreisen.“

T.A.I.: Stichwort Küste: Wie laufen Ihre Charterketten ex Linz und Basel nach Rostock an die deutsche Ostseeküste?

Helga Freund: „Bestens. In Österreich haben wir eine hohe Auslastung. Der Charter läuft seit Ende Mai. Wir verkaufen auch Kreuzfahrten und die Ostsee mit Warnemünde, Rügen, Boot- und Radferien. In Jahren wie diesen ist das ein hervorragendes Alternativ-Produkt.“

T.A.I.: Wie sieht es mit dem Flugpartner Olympus Airways aus?

Helga Freund: „Wir sind nach der ersten Rotation zu Helvetic Airways gewechselt und ab Mitte Juli fliegen wir Basel - Rostock - Linz und retour mit Air Horizont. Deren Boeing 737-400 ist sogar größer, sie bietet 162 Plätze, wodurch wir aufstocken können. Wir verkaufen das sehr gut.“

"Fernreisen sind generell ausbaufähig, auch Studienreisen"

T.A.I.: Sie haben im Vorjahr die Rostock-Charter mit einer kurzen Saison Ende des Sommer begonnen. Heuer fliegen Sie von Ende Mai bis Ende September. Gibt es 2017 eine Neuauflage?

Helga Freund: „Wir machen 2017 sicher weiter, es ist ein erfolgreiches Programm, und über alle Vertriebswege verkaufbar, sowohl über Ruefa als auch über Hofer Reisen.“

T.A.I.: Bleiben wir in 2017: ist zu erwarten, dass es ähnlich schwierig wird, wie 2016?

Helga Freund: „Dazu müsste ich eine Glaskugel vor mir haben. Die Türkei wird ähnlich schwierig werden, so wie es derzeit aussieht. Es wird wohl ähnlich laufen wie heuer.“

T.A.I.: Wie wird sich die Verkehrsbüro Group darauf vorbereiten?

Helga Freund: „Wir werden die sicheren Mittelmeerländer, die heuer starke Zuwächse verzeichnen, aufstocken, wie etwa Kroatien-Angebote. Ich gehe davon aus, dass es so ähnlich laufen wird wie dieses Jahr. Wir werden die Veranstalter-Tätigkeiten harmonisieren, das heißt, wir werden Jumbo-Produkte über Eurotours verkaufen und Eurotours-Produkte über Ruefa. Fernreisen sind generell ausbaufähig, auch Studienreisen. Denn neben Jumbo schnürt auch Eurotours Fernreise-Packages. Wichtig ist, das Wissen in der Leisure Touristik zu bündeln und Synergien zu nutzen.“

Die Verkehrsbüro Leisure Touristik in Stichworten

Die Leisure Touristik ist – neben der Hotellerie und Business Touristik – einer von drei Geschäftsbereichen der Verkehrsbüro Group, dem größten Touristik-Unternehmen Österreichs. Sie umfasst drei Standbeine: Ruefa, Eurotours und Jumbo Touristik. Mit 599,3 Mio. Euro macht sie zwei Drittel des Konzern-Umsatzes aus und steuert mit einem Ergebnis vor Steuern von 8,6 Mio. Euro den Löwenanteil zum Gewinn bei.
Helga Freund ist seit Oktober 2015 Mitglied des Vorstands der Österreichisches Verkehrsbüro AG und trägt dort vorrangig für die touristischen Belange die Verantwortung. Freund gehört seit 1993 zum Management der Eurotours, seit 2012 als Mitglied der Geschäftsführung.

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Erstellt am: 15. Juli 2016

Foto oben: © Regine Hendrich
Foto mitte: © Kurier Jürg Christandl
Foto unten: © Eurotours

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