Print-Ausgabe 18. Juni 2021
Wolfgang Lackner (l.) und Andreas Sturmlechner wollen 2022 wieder das Prämienniveau von 2019 erreichen
Die Chefs der Europäischen, Lackner und Sturmlechner, gehen von einem starken Comeback der Reisebranche aus – diese sollte die sich jetzt bietenden Chancen nutzen
Die Europäische Reiseversicherung hat die gesamte Pandemie in einem für die Branche unüblichen Modus verbracht: ohne Kurzarbeit. Und auch alle 85 MitarbeiterInnen sind weiterhin mit vollem Einsatz mit dabei. Die beiden Vorstände des Marktführers, CEO Wolfgang Lackner und Andreas Sturmlechner, gehen von einer raschen Erholung des Reiseaufkommens aus: „Wir rechnen heuer mit rund 60 bis 70 Prozent des Prämienniveaus von vor der Krise. 2022 bzw. spätestens zu Beginn 2023 wollen wir auf dem Niveau von 2019 sein“, betonten sie im Gespräch mit T.A.I. Mitverantwortlich dafür ist einerseits eine starke Entwicklung im Bereich Incoming-Versicherung (Hotellerie), anderseits ein „Buchungsansturm“, den Lackner und Sturmlechner für den Sommer erwarten. Dem stationären Reisevertrieb empfehlen sie dabei, „eine strikte Preispolitik“ einzuhalten.
T.A.I.: Im September 2020 rechneten Sie aufgrund des hohen Anteils an Jahresversicherungen trotz eingeschränkter Reisetätigkeit mit einer „günstigeren Entwicklung“ als etwa die TUI. Hat sich diese positive Einschätzung bewahrheitet?
Sturmlechner: „Wir waren wohl etwas zu optimistisch und haben an einen früheren Restart geglaubt. Um eine Metapher aus der Reisebranche zu bemühen: Wir haben unsere positive Einstellung konstant vor uns hergeschoben wie ein Kreuzfahrtschiff seine Bugwelle. Jetzt geht es aber eindeutig los. Es werden nicht nur wieder Reisen gebucht, sondern verhältnismäßig viele Reiseversicherungen abgeschlossen. Wir sehen Tag für Tag zunehmende Prämieneinnahmen und hohe Abschlussquoten. Denn so groß die Sehnsucht nach Reisen ist, so groß ist auch das Sicherheitsbewusstsein und die Bereitschaft, die Risiken auf Reisen abzusichern. Wenn erst das Vertrauen in die Reisemöglichkeiten wieder steigt, rechnen wir mit einem Trend hin zur zweiten und dritten Reise und somit auch zur Jahresreiseversicherung der Europäischen Reiseversicherung, die dafür die beste Absicherung darstellt.“
T.A.I.: Vom vielfach erwarteten Buchungsboom ist aber noch wenig zu spüren. Ist das die sprichwörtliche Ruhe vor dem Sturm?
Lackner: „Wie gesagt, wir sehen starke Zuwächse. Ein erster, aber wichtiger Schritt ist mit dem 19. Mai geschehen: Die Länderlisten für Ein- und Rückreise ohne Quarantäne und die Länderliste für Reisen ohne Reisewarnung sind ident und beinhalten fast alle Küsten des Mittelmeers – seit kurzem auch Kroatien. Was allerdings fehlt, ist eine zumindest europaweit abgestimmte und klare Regelung bezüglich Einreise, Rückreise, „Grüner Pass“, Quarantäne, Grenzöffnungen usw.
Sturmlechner: „Der Buchungsansturm wird im Sommer kommen, davon sind wir überzeugt. Sowohl für Reisen im Inland als auch für Reisen in viele Länder Europas. Fernreisen müssen noch warten, aber jetzt ist einmal Sommer.“
T.A.I.: Wie sieht es mit den MitarbeiterInnen der Europäischen Reiseversicherung aus? Wie viele sind in Kurzarbeit und wann rechnen Sie damit, dass diese Phase zu Ende geht?
Lackner: „Wir haben weder MitarbeiterInnen abgebaut, noch gab es bei uns Kurzarbeit, darauf sind wir stolz. Tatsächlich waren wir mit der Bearbeitung von Schadensfällen und Prämienrückerstattungen ausgelastet. Der Austausch mit der Hotellerie und den Reisebüros war intensiv und wir haben es sogar geschafft, viele neue Partnerschaften einzugehen. Aktuell sind etwa 20 Prozent mehr Hotels an unsere Systeme angebunden als am Beginn der Krise, wir haben vier Schnittstellen mit Hotelbuchungstools realisiert. In Österreich, Südtirol und in Slowenien konnten neue Vereinbarungen mit zahlreichen Reisebüros abgeschlossen werden.“
T.A.I.: In welcher Form halten Sie mit Hotellerie und Reisebüros Kontakt?
Sturmlechner: „Die Betreuung unserer Partner erfolgte virtuell, so konnten wir wesentlich mehr Gespräche führen als vor der Pandemie. Alleine heuer nahmen über 4.000 Hoteliers und MitarbeiterInnen von österreichischen und Südtiroler Hotels an unseren wöchentlich wechselnden Incoming-Webinaren und über 2.000 Reisebüro-Agents an den Webinaren unseres Outgoing-Teams teil.“
T.A.I.: Wie sieht es mit den berühmten Stammtischen der Europäischen Reiseversicherung aus?
Sturmlechner: „Unser Vertriebsleiter Alois Genner und sein Team freuen sich schon auf ein persönliches Wiedersehen mit den vielen TourismuspartnerInnen. Schulungen werden wir zum Teil digital abhalten, das hat sich bewährt. Die berühmten Touristik-Treffs wird es wieder geben. Vielleicht gibt es auch was Neues, aber das verraten wir heute noch nicht.“
T.A.I.: Im Reisebürovertrieb kam es in den zurückliegenden Monaten zu Marktbereinigungen und Umstrukturierungen. Wie sehen Sie die Entwicklung?
Sturmlechner: „Wir sehen darin keinen längeren Prozess, sondern glauben, dass die Reisebüros durch den Buchungsboom ab Sommer großteils gut aus der Krise kommen werden. Besonders wichtig ist aber unserer Ansicht nach eine strikte Preispolitik im stationären Reisevertrieb. Preisvorstellungen haben sich nach der langen Pause verflüchtigt, Preisniveaus werden gerade neu gebildet, weshalb es auch für die Zukunft wichtig ist, angemessene Reisepreise zu verlangen. Die Chance auf nachhaltig höhere Margen sollte genutzt werden – Stichwort: Buchungsgebühr, Servicegebühren, nützliche Zusatzleistungen, Risiken mit einer guten Reiseversicherung absichern. Statt auf der Preisebene zu konkurrieren, sollte man bei Nachfragen erklären und den Preis argumentieren, auf den Abschluss pochen und Anzahlungen sofort kassieren. Die Reisekassen der KundInnen sind gefüllt, sie hatten während der Pandemie keine Möglichkeiten, in Urlaub zu investieren. Die Sehnsucht nach Reisen, Meer, fremden Kulturen und Urlaubsgefühlen ist so groß wie nie. Reisewillige buchen, was verfügbar ist. Die Auswahl ist eingeschränkt. Der Glaube, alles immer irgendwo günstiger zu bekommen, ist verschwunden. ‚Geiz ist geil‘ hat keine Berechtigung mehr.“
T.A.I.: Wird der Verkauf von Reiseversicherungen und der damit erzielte Ertragsfaktor im Reisebüro weiter steigen?
Lackner: „Der Ertragsfaktor Reiseversicherung war, ist und bleibt wesentlich für den Reisevertrieb. Durch das hohe Sicherheitsbewusstsein der KundInnen ist es noch leichter, Margen daraus zu erzielen. Die Ertragschancen für die Reisebüros sollten genutzt werden.“
T.A.I.: Was geben Sie als ÖRV-Mitglied der neuen Präsidentin Eva Buzzi mit auf den Weg?
Lackner & Sturmlechner: „Eva hat gleich an ihrem ersten Tag unmittelbar nach der Wahl einen fulminanten Start hingelegt, wir waren live dabei. Es ist klar, dass wir sie und die gesamte ÖRV-Familie nach besten Kräften unterstützen werden, wo immer wir können.“
Erstellt am: 18. Juni 2021
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