Print-Ausgabe 22. Jänner 2021
„Wir haben uns so aufgestellt, dass wir auch im schlimmsten Fall die Krise überstehen“, so Dominik Sengwein
Wie schafft es ein mittelständischer österreichischer Reiseveranstalter durch die Corona-Krise? T.A.I. wird in dieser und den kommenden Ausgaben darüber berichten
Den Anfang macht Prima Reisen, dessen Geschäftsführer und Hälfte-Eigentümer Dominik Sengwein (die andere Hälfte gehört seinem Vater Karl-Heinz Sengwein) zusammen mit dem Leiter Produktion und Vertrieb Gottfried Winkler Mitte November das „GET UP 2022 Programm“ präsentierte. Jetzt bat T.A.I. Dominik Sengwein zum Hintergrundgespräch.
Die Ausgangslage: In „Normalzeiten“ bietet Prima Reisen zu bestimmten Terminen Direktflüge etwa nach Süditalien (geführte Busrundreisen, Inselhüpfen oder Sternfahrten), Norwegen (geführte Rundreisen, Mietwagenreisen oder Wanderreisen), in Ferndestinationen (Rundreisen abseits der touristischen Pfade durch Georgien, Armenien, Vietnam oder Thailand) oder Sonderflüge ins finnische Lappland (Zeit der Polarlichter Ende Jänner bis Mitte März).
Ein Blick in die verkürzte Bilanz zeigt, dass all dies von Erfolg begleitet ist: Die Eigenkapitalquote zum Ende des Geschäftsjahres 2019 (31. Oktober) erreichte 40,5 Prozent (davor 33,3 Prozent) und aus der Differenz zwischen Bilanzgewinn und Gewinnvortrag ergibt sich ein Jahresüberschuss im sechsstelligen Euro-Bereich.
Prima Reisen befand sich also in einer überaus soliden Situation, als Corona in voller Wucht zur Pandemie wurde. Dominik Sengwein: „Wir haben bereits Anfang März 2020 relativ rasch einen Krisenstab gebildet und einen dreistufigen Krisenplan ausgearbeitet.“ Die drei Szenarien und die darin festgelegten Maßnahmen waren darauf ausgerichtet, dass Reisen ab Juni, ab September oder im schlechtesten Fall erst ab Beginn des neuen Geschäftsjahres mit 1. November 2020 möglich sein werden.
Bekanntlich trat keines dieser Szenarien ein: „Ab September war uns bewusst, dass wir den ‚worst worst case‘ haben“, so Sengwein. „Wir haben daraufhin alles auf einen Notbetrieb runtergefahren und die gesetzten Maßnahmen so ausgerichtet, dass wir mittelfristig die Krise überstehen.“ Das wirft die Frage auf, was unter „mittelfristig“ zu verstehen ist. Sengwein: „Wir haben uns so aufgestellt, dass wir auch im schlimmsten Fall, der eintritt, wenn wir 2022 nur mit 50 Prozent des Umsatzes von 2019 rechnen können, die Krise überstehen.“
Bis vor knapp einem Jahr waren 20 MitarbeiterInnen bei Prima Reisen beschäftigt. Jetzt sind es 13, um „dann nach Ablauf aller Fristen“ (Sengwein) bei 11 zu landen. Um wenigstens diese Beschäftigungsquote zu halten, habe laut Dominik Sengwein die Kurzarbeit „sehr geholfen, die von den Staatshilfen den größten Punkt“ einnahm. Für ihn „ist es nicht selbstverständlich, dass es diese Unterstützung gibt. Das ist uns extrem entgegengekommen.“ Ebenfalls in Anspruch genommen wurde der Fixkostenzuschuss I und zwar für die beiden Unternehmen Prima Reisen GmbH (FKZ I vor kurzem eingereicht) sowie für die Reisetreffpunkt GmbH (= Direktvertrieb; FKZ I wurde bereits bestätigt).
Jetzt wird der FKZ II in Angriff genommen. Sengwein: „Das ist eine wichtige und gute Lösung für uns, da kann sich niemand beschweren. Wir gehen bei Prima Reisen davon aus, dass wir die 800.000 Euro ausschöpfen werden. Wir sind genau in der richtigen Größe dafür.“
Umsätze wurden 2020 „vereinzelt“ erwirtschaftet. So konnte im Sommer eine Gruppe nach Island gebracht werden, im September und Oktober einige Gruppen nach Griechenland. „Alles immer mit extremen Bauchweh“, wie Dominik Sengwein T.A.I. gegenüber betont. Dies hatte einerseits mit den sich ständig ändernden Reisewarnungen zu tun, andererseits mit den Zahlungen an die Agenturen in den Zielgebieten, die meist Zug um Zug abgewickelt wurden. „Das Liquiditäts-Management steht derzeit an oberster Stelle“, betont Dominik Sengwein.
Für heuer bräuchte man sich keinerlei Illusionen hingeben: „Es werden ganz bittere Monate.“ Inwiefern? „Uns fehlen jetzt die Buchungen (Anm.d.Red.: für die Abreisetermine im Frühjahr; üblicherweise wäre jetzt Buchungs-Hochsaison) und die bisher gebuchten Umsätze sind solange nichts wert, bis KundInnen tatsächlich abreisen.“ Die für 2021 aufgelegten Produkte entsprechen überwiegend den Bestsellern aus 2019, darunter vor allem Rundreisen nach Nord- und Südeuropa, allerdings „mit ausgedünnten Terminen, je nachdem wie sich die Lage entwickelt.“
Sieht Dominik Sengwein die Corona-Krise als Chance für österreichische Anbieter? „Auf jeden Fall“, so Sengwein. Man sollte sie „zum Anlass nehmen, um Produkte für den Markt zu schaffen, zu dem Vertrauen besteht, und mit Partnern, auf die man sich langfristig verlassen kann.“
Das war auch einer der positiven Aspekte der zurückliegenden Monate: „Wir sind intensiv mit Mitbewerbern zusammengerückt“, so Dominik Sengwein, der hier u. a. GTA Sky Ways und Retter Reisen nennt. Ziel sei es, „gemeinsam 2021 zu überleben.“
Reiseart: Sternfahrt, Destination: Italien / Kampanien
Erstellt am: 22. Jänner 2021
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