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Liegenreservierer bleiben Dauerbrenner

Print-Ausgabe 26. August 2016

Es gibt ein verlässliches Sommerthema: Die Sonnenliegen-Reservierer, die im Morgengrauen mit Handtüchern, Gummitieren und Zeitschriften ausrücken, um die besten Plätze am Strand oder Pool damit zu belegen, die den anderen, die nach einem gemütlichen Frühstück kommen und nur mehr einen Platz mit Fernblick auf das Wasser ergattern, ordentlich auf die Nerven gehen. Insbesondere dann, wenn die erkämpften Liegen dann halbe Tage unbenützt bleiben, weil ihre glücklichen Besetzer einen Ausflug machen.

Die Marine konfisziert Schirme

Diesmal waren italienische Medienberichte der Auslöser: Von der Küstenwache würden rigoros Liegebetten, Schirme, Schwimmtiere etc. entfernt, mit denen Plätze nahe am Wasser reserviert werden, und zwar zu Unzeiten, zu denen eigentlich noch gar kein Betrieb herrscht – vor 8.30 Uhr oder gar schon am Vorabend. Es wird von zahlreichen Gemeinden berichtet, wo bei dieser Aktion scharf bereits Berge von Strandutensilien einkassiert wurden. Zurückholen werden sich die Leute ihr Hab und Gut kaum, 200 Euro Strafe sind mehr, als das Zeug meist Wert ist.

Wer diese Geschichte seltsam findet, liegt richtig: Tatsächlich geht es um eine andere Baustelle: Nicht um Hotelgäste, die auf dem Hotelgelände Sonnenliegen blockieren, sondern um jene Urlauber, die am freien Strand Plätze reservieren. Auch in Italien ist der unmittelbare Strandbereich öffentliches Gut, der Staat kann ihn an Vermieter verpachten oder muss ihn für alle frei zugänglich halten. Kontrolliert wird dies vor allem von den Pächtern, die keine Freude an Entwicklungen bis zur „illegalen Vermietung“ haben und Anzeige erstatten, wenn´s zu arg wird. Im Falle der „Strandbesetzer“ geht es auch nur vordergründig um Chancengleichheit für alle Strandbenützer. Die „Zona Libera“ ist ein sehr begrenztes Areal, auf dem es vor allem an Wochenenden sehr eng werden kann. Sie wird daher auch vor allem von Einheimischen bevorzugt. Bei den Regionen, die bei der Aktion scharf im Fokus stehen – etwa die Ligurische Küste, die Toscana etc. – handelt es sich um relativ teure Badegegenden, wo man in den Mietanlagen für einen Schirm und zwei Liegen durchaus auch mehr als 40 Euro am Tag ablegen kann. Das erhöht den Anreiz, auf eine billigere Variante auszuweichen und natürlich auch den Druck der Pächter, diese Gratiskonkurrenz in Grenzen zu halten.

Mit dem weltweiten Ärgernis der Blockierung von Strandliegen hat das alles nichts zu tun, das Missverständnis wurde nur zur Zeitungsente, weil die meisten Medien absichtlich auf seine Aufklärung verzichteten – sonst hätte die Geschichte kaum jemand gelesen. In der Causa selbst hat sich rein gar nichts verändert, wie man vor allem den „sozialen Medien“ entnehmen kann, in denen die Liegenreservierer für ungebrochene Empörung sorgen. Mit Logik und Hausverstand betrachtet, müsste man schnell zur Erkenntnis kommen, dass es für dieses Problem einfach keine Lösung gibt: Selbst im kaum je erfüllten Idealfall, dass es tatsächlich für jeden Gast eine Liege gibt, können natürlich nicht alle gleichwertig sein. Ob ein Badeurlaub gelingt, hängt von den Umständen ab: Wenn man gemütlich frühstücken möchte, immer an der Rückseite des Gebäudes, weil um diese Zeit anderswo nichts mehr frei ist? Ständig in der prallen Sonne, weil alle Schirm – und Schattenplätze belegt sind? Eltern, die kleine Kinder im Auge behalten müssen, ohne Platz am Pool? Wie kommt eine Familie zu vier nebeneinander liegenden, brauchbaren Plätzen? Wenn eine Gruppe von Freunden einen Urlaub gemeinsam verbringen möchte, wie können sie verhindern, dass sie dabei über das ganze Gelände verteilt sind?

Das alles sind legitime Wünsche, deren Erfüllung aber nicht einmal mit großem Aufwand organisierbar ist. Der Versuch eines Clubhotels, den Poolbereich erst ab 9 Uhr zu öffnen und so Reservierungen zu verhindern, ließ die taktischen Manöver zur offenen Schlacht ausarten, der Beschwerdetsunami war beispiellos.

Probleme auch in Thermenhotels

Zu glauben, es handle sich um ein Phänomen, das primär die (großen) Baderesorts am Meer betrifft, ist eine krasse Fehleinschätzung. Vor allem in der heimischen Wellness- und Thermenhotellerie wird das Liegenproblem akut, es gibt auch prominente Häuser, in denen nach dem Frühstück kaum mehr eine Chance auf einen guten Platz hat, wer vorher nicht vorgesorgt hat.

Fazit: Absolute Großzügigkeit bei der Ausstattung mit Liegen – und mit der Welt so leben, wie sie ist.

Günther Greul

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