ANA
Das Gegenteil von Storytelling

Synthetische Website-Sprache. Nichts geht über Allgemeinplätze!

Print-Ausgabe 22. April 2015

Aus einer Kurzstudie touristischer Internetseiten geht hervor, dass diese meist mit unpersönlichen „Genussbefehlen“ im uniformen Einheitsstil verfasst sind

Beim 30. T.A.I. WERBE GRAND PRIX (siehe Sonderteil in der Mitte dieser Ausgabe) sorgte die Sprach- und Textexpertin Eleonore Gudmundsson als Mitglied der Fachjury für harte Kost „auf möglicherweise nüchternen Magen“. Bevor es zur Verleihung der Signum Laudis-Medaillen, der Sonderpreise und der T.A.I. Kristall-Awards ging, präsentierte die ehemalige Kommunikations-Chefin der Österreich Werbung  und nunmehrige UniversitätsLektorin und Unternehmensberaterin den über 110 Gästen der Veranstaltung im Hilton Vienna am Stadtpark die Ergebnisse einer Kurzstudie zum Thema „touristische Sprache“ auf Websites. Diese ist – so das unerfreuliche Fazit – an Uniformität kaum zu übertreffen.

Zum Einstieg lieferte Eleonore Gudmundsson zahlreiche Beispiele, von „genießen Sie unsere Angebotsvielfalt“ über „stilvolles Ambiente“ und „kulinarische Highlights“, die „mit allen Sinnen zu genießen“ sind, bis hin zu „ganzheitlichem Urlaubsgenuss“, „Vielfalt in Toplage“ und „beeindruckendem Panorama.“

Das „kompetente Personal“ beziehungsweise „motivierte Mitarbeiter“, die „Ihren Aufenthalt abwechslungsreich“ gestalten, fehlte ebenso wenig, wie das „internationale Flair“ oder die Mischung von „Tradition und Moderne“. Der Aufenthalt wird „innovativ dank spannender Aktivitäten und verschiedener Erlebnisse“, „unvergesslich“, „pur“, „mit Charme“ und „deshalb freuen wir uns, Sie bei uns begrüßen zu dürfen.“

Provokant stellte die Textexpertin die Frage in den Raum: „Kommt Ihnen dieser Ton bekannt vor?“ Das tat er. Schlussfolgerung: „Während Bildsprache und Webästhetik generell erfreulicher werden, ist das, was wir den Gästen im Textteil zurufen, einförmig und austauschbar.“ Um die Wirkung dessen zu veranschaulichen, forderte Eleonore Gudmundsson die anwesenden Gäste zu folgendem gedanklichen Experiment auf: „Stellen wir uns vor, wir würden es mit Fotos genauso halten: Ein Bergpanorama für alle Gastronomiebetriebe und Hotels in den Alpen, ein Foto für alle zum Thema Frühstücksbuffet, und unter Wellness hätten wir auch nur ein Foto: einen wunderschön geformten Frauenrücken mit schwarzen Steinen über jedem zweiten Wirbel.“

Soviel zur unerfreulichen Realität. Dass es textlich auch anders geht, machte Gudmundsson am Ende ihres Kurzreferates – quasi als einfaches Mittel gegen diese Uniformität – deutlich: „Beschreiben wir, was der Gast vorfindet, wenn er zu uns kommt.“ Dafür lieferte sie auch ein konkretes Beispiel: „Eine Terrasse unter Marillenbäumen: Ein kühler Hauch von der Donau bauscht das rote Tischtuch. Aber schon beschwert es die Wirtin mit einer Brettljause. Aus dem Brotkorb duften die Wachauerlaberln. Der grüne Veltliner schimmert im Glas.“

Wie anders klingt dies, als jener uniforme Website-Einheitsbrei à la „Genießen Sie eine typische Wachauer Brettljause in unserem gemütlichen Gastgarten. Als Traditionsbetrieb servieren wir ihnen gerne kulinarische Schmankerln und erstklassige Weine aus besten Rieden. Sie werden vom Charme begeistert sein.“

Eleonore Gudmundsson abschließend: „Gute Sprache und Storytelling helfen dabei, die Qualität unserer touristischen Kommunikation besser und unser touristisches Angebot wettbewerbsfähiger zu machen.“ Es sollte den Versuch wert sein. 

Die häufigsten Text-Sünden

Für die Kurzstudie wurden Websites von 63 Hotels sowie sieben TVBs, LTOs und NTOs untersucht. Ergebnis: „Genussbefehle“ („genießen Sie“, „erleben Sie“ etc.) finden sich bei über 63 Prozent aller Seiten. Die Verbindung „Tradition und Moderne“ ist auf 78 Prozent der Websites anzutreffen.

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Erstellt am: 21. April 2016

Eleonore Gudmundsson, Jurymitglied des T.A.I. Werbe Grand Prix 2015/2016 © T.A.I. / V.Sufiyan

Karin Strickner HOTEL CITY
14. 5. 2016
TEXTE SPRACHE BILDER
Ich bin selbst "Opfer" meiner Texte, der Texte der Fachleute, der Zeit- ich möchte das ändern und bin dankbar, dass es Menschen gibt, die Worte in Bilder kleiden. Das spricht Suchende an. Frau Gudmundsson gratuliere ich und möchte das Übliche auf den "Kopf stellen". www.hotelcity.at ( bis dato "alten Gewohnheiten in den Texten"). Bitte schicken Sie mir Kontake von: Anders-textenden, von Frau Gudmundsson...
lieben Gruß Karin Strickner

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