Kitzbüheler Alpen St. Johann in Tirol

Destination des Glücks setzt auf mehr Wertschöpfung und Mut zum Preis

Print-Ausgabe 20. Mai 2022

Gernot Riedel ist der Meinung, dass „unsere Zukunft nicht im ‚schneller-höher-weiter‘ liegen darf“


 

Die konsequente Positionierung als Glücks-Region und der Slogan „Yapadu“ sollen das ihre dazu beitragen, wie TVB-Geschäftsführer Gernot Riedel T.A.I. gegenüber betont

Ein „Zurück zu Nächtigungsrekorden“ wird es wohl nicht so rasch geben, wie Gernot Riedel, Geschäftsführer des TVB Kitzbüheler Alpen St. Johann in Tirol, vor kurzem in einem TP-Blog betonte. Was aber dann? Diesbezüglich ist Riedel nicht um Antworten verlegen, wie sich im Gespräch mit T.A.I. herausstellte, denn die Region beschreitet seit Jahren konsequent Wege, die weg vom „schneller-höher-weiter“ hin zu mehr Wertschöpfung führen.

T.A.I.: Verglichen mit dem Winter 2019/20 war das Minus des TVB Kitzbüheler Alpen St. Johann per Ende März etwas höher, als im Tirol-weiten Schnitt. Was sind die Gründe dafür?

Riedel: „Wir haben schon vor Corona keine regionalen Nächtigungszahlen kommuniziert, da es letztlich keine wirklich relevanten Vergleiche mehr gibt. Wir stehen zudem vor einer statistisch bisher nicht gekannten Situation, nämlich das ganze Saisonen und Märkte nur mehr eingeschränkt funktionieren bzw. funktioniert haben. Ebenso haben wir bei Durchsicht der vorliegenden Daten festgestellt, dass es für den bei uns, – im Vergleich zum Durchschnitt etwas anderen Saisonverlauf –, ein paar Faktoren gibt.“

T.A.I.: Um welche handelt es sich?

Riedel: „Viele Betriebe sind teilweise sehr spät, – rund um Weihnachten –, in die Saison gestartet und haben diese dann auch aufgrund der für uns skitechnisch ungünstig späten Oster-Konstellation früher als sonst beendet. Dazu kommt, dass vor allem Vermieter*innen im Bereich der Privat- oder niedriger kategorisierter Unterkünfte überdurchschnittlich unter der Verunsicherung der Gäste litten, vor allem bei preissensiblen Gästen oder unter dem kompletten Fernbleiben von Schülergruppen. Aktuell verzeichnen wir zudem generations- oder übergabebedingt einen Bettenrückgang – es fehlen also auch einige hundert Betten im Vergleich zum Winter 2019/20.“

T.A.I.: Wie sieht es mit der Wertschöpfung aus?

Riedel: „Wir greifen hier auf Auswertungen des TTR (Tirol Tourism Research) zurück, welche uns bis vor Corona in dem Bereich eine sehr positive Entwicklung attestierten. Aufgrund der letzten beiden Jahre wird sich auch hier vieles geändert haben, was wir aber noch nicht mit Zahlen belegen können. Abgesehen davon predigen wir natürlich den Betrieben, Preise nicht nur zu halten, sondern entsprechend zu steigern. Alle Betriebe, die in den letzten Jahren auf qualitative Weiterentwicklung gesetzt haben, verzeichnen positive Erlös- und Wertschöpfungsentwicklungen. Letzten Endes muss man aber wohl so realistisch sein, dass nicht der TVB die Wertschöpfung steigern kann, denn wir haben keinen unmittelbaren Einfluss auf die Preisgestaltung. Wir können nur zum ‚Mut zum Preis‘ motivieren und versuchen, uns als Region mit unserer einzigartigen Positionierung zum Thema Glück vom Mitbewerb zu differenzieren!“

T.A.I.: Stichwort Glücksdestination: Weshalb wird heuer so intensiv mit der Ende 2017 erfolgten Positionierung und dem Slogan „Yapadu“ durchgestartet?

Riedel: „Die Zeit ist nunmehr reif für Glück, denn die Menschen sehnen sich mehr denn je nach Glücksmomenten jenseits von Krise, Krieg und Krankheit. Wir hatten unsere Strategie schon vor Corona in Vorbereitung, aber die letzten zwei Jahre waren wohl wenig geeignet, sich als TVB mit diesem Thema zu befassen. Nunmehr geben wir hier richtig Gas. Ich denke, wir sind auf einem guten und richtigen Weg, wie wir uns als Region von anderen unterscheiden können. Mir ist es absolut wichtig, dass ‚Mein Yapadu‘ mehr als ein weiterer inhaltsleerer Werbespruch ist. Wir befüllen das Thema mit mehr Inhalten, treten den Umsetzungsbeweis mit unseren ausgezeichneten ‚Yapadu-Betrieben‘ an und setzen mit neuen Events, wie dem ‚Yapadu-Summit‘, konkrete Zeichen, was wir mit Glück meinen. Wir wollen uns damit auch deutlich vom ‚schneller-höher-weiter‘ der Tourismusbranche abgrenzen.“

T.A.I.: In welcher Form?

Riedel: „Bei uns geht es nicht um die besten, tollsten oder größten Investitionen, sondern wir wollen verstärkt auf die ‚Qualität des Miteinanders, des Zwischenmenschlichen‘ setzen – und das ist ein langer, nie endender Weg. Ich bin überzeugt, dass dies eine der wenigen Möglichkeiten ist, wie wir uns von anderen unterscheiden können, denn schöne Berge, saubere Luft, klares Wasser und weißen Schnee bieten alle, quer durch den Alpenraum.“

T.A.I.: Worum geht es bei der Yap­Academy?

Riedel: „Die YapAcademy ist unser Schulungsprogramm für Mitarbeiter*innen und Gastgeber*innen. Wir haben aus Synergiegründen die Vermieterakademie des Landes Tirol integriert, um keine Doppel­gleisigkeiten aufkommen zu lassen. Als Besonderheit bieten wir auch eine App mit Microkursen an, mit denen sich Mitarbeiter*innen jederzeit am Smartphone Wissen über die Region holen und dann an Gäste weitergeben können. Smartphones können somit auch hilfreich sein und nicht jeder Blick aufs Handy muss Richtung Facebook & Co. gehen … (schmunzelt).“

T.A.I.: Zu Jahresbeginn meinten Sie, dass die Pandemie den TVB finanziell bzw. budgetär bis 2024/25 begleiten werde. Ist diese Einschätzung weiterhin aktuell?

Riedel: „Diese Einschätzung ist aus unserer Sicht nach wie vor goldrichtig. Bis dato sind wir mit Hilfe der Tourismusabteilung im Land Tirol gut über die Runden gekommen. 2022 gehe ich davon aus, dass es keine Corona-Entschädigungen mehr gibt und wir vor allem im Bereich der Tourismusabgabe, aber auch bei den Ortstaxen, dem Vor-Corona-Niveau noch länger hinterherhinken werden. Dazu kommt der Krieg in der Ukraine. Der ist wohl ein zweischneidiges Schwert – einerseits leiden viele Menschen unter den wirtschaftlichen Auswirkungen, andererseits könnten erdgebundene Reisen, vor allem in Nahdestinationen, davon profitieren.

T.A.I.: Welche Akzente und Aktivitäten setzen Sie für den bevorstehenden Sommer?

Riedel: „Für den Sommer läuft die Marketingmaschinerie auf Hochtouren, von umfangreichen Online-Kampagnen, über Kooperationen mit Österreich Werbung und Tirol Werbung, bis hin zu unserer Bergsommeropening-Kampagne mit den Kitzbüheler Alpen, um nur einige zu nennen. Grundsätzlich hoffen wir auf einen positiven Sommerverlauf. Der Tages- und Naherholungstourismus dürfte weiterhin boomen. Die Wertschöpfung dürfte aber in direkter Relation zur unsicheren Wirtschaftslage stehen: Einige werden wohl sparen müssen. Hochwertige Angebote, Produkte und Unternehmen spüren das aber (noch) deutlich weniger. Daher muss das Motto für die Zukunft lauten: ‚Weniger ist mehr und Qualität vor Quantität‘. Masse kann und darf nicht die Zukunft unserer Erde sein. Wir alle sind gefordert, entsprechend intelligente Konzepte umzusetzen. Wir stehen vor einem großen Wandel, es bedarf neuer Wege und Methoden, unsere Zukunft kann und darf nicht im ‚schneller-höher-weiter‘ liegen.“

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