Hotel-Gutscheine

Restposten als Outlet-Bestseller. Gucci-Strategie für die Hotellerie

Print-Ausgabe 12. August 2016

Als Guccio Gucci im Teenageralter in eleganten Hotels von Paris und London als Lift-Boy arbeitete, konnte er sich mit Sicherheit nicht vorstellen – es war Ende des 19. Jahrhunderts –, dass der von ihm später gegründete Modelabel einst die mit 12 Mrd. Dollar 44 wertvollste Marke der Welt sein wird. Und ebenso wenig, dass die von Gucci und anderen Top-Labels angewandte Strategie, Restposten über Outlet-Center zu starken Ertragsbringern werden zu lassen, zum Vorbild für Auslastungssteigerungen in der Hotellerie werden würde. Die Rezepte dazu liefert die Linzer SST Touristik Vertrieb.

Das von Gerhard Sperrer und Andreas Schabel vor knapp 15 Jahren gegründete Unternehmen ist darauf spezialisiert, Gutscheine für Hotelaufenthalte über das SST-eigene Portal (www.we-are.travel) sowie über ebay, eine der weltgrößten Online-Verkausfplattformen, erfolgreich zu vertreiben. eBay hat sich in den letzten Jahren vom Auktionshaus für gebrauchte Artikel hin zu einer Verkaufsplattform mit einem umfassenden Angebot entwickelt. Heutzutage sind 80 Prozent der verkaufen Waren Neuwaren.
 
Im Unterschied zu den Fashion-Produkten sind Hotelzimmer eine höchst verderbliche Ware. „Wir haben daher lange überlegt, wie wir ein leeres Hotelzimmer zur Outlet-Ware machen können“, erklärt Sperrer weiter und ergänzt: „wir haben herausgefunden, dass der einzige sinnvolle Zugang der ist, dem Kunden das Terminrecht abzusprechen und damit dem Hotel die Möglichkeit zu geben, gezielt so seine leeren Zimmer zu verkaufen.“ Alleine im Dezember 2015 – T.A.I. berichtete darüber – wurden mehr als 10.000 Hotelgutscheine verkauft und damit mehr als 27.000 Zimmernächte für die österreichische Hotellerie produziert. Sperrer: „Das funktioniert nach demselben Muster, wie der Outlet-Vertrieb von Gucci & Co.“

Der große Vorteil, den die großen Fashion-Marken dadurch generieren: Die nach Saisonablauf über Outlets zu reduzierten Preisen verkauften Produkte erzielen einen anders nie zustande gekommenen Zusatzertrag und zwar – und das ist das Entscheidende – ohne die reguläre Preisgestaltung zu beschädigen.

Das System funktioniert dermaßen perfekt, dass es mittlerweile längst nicht mehr nur um verbilligte Auslaufmodelle geht, sondern um einen zusätzlichen Vertriebszweig. Das Outlet hat sich dadurch von einer sekundären in eine primäre Erlösquelle verwandelt: Laut Studie des deutschen Beratungsunternehmens Ecostra verdienen knapp 60 Prozent der Firmen mit ihrem Outlet-Vertrieb bereits mehr als mit ihren Geschäften in den Innenstädten.

Längst geht es auch nicht mehr rein um den Preis: Die Beliebtheit dieses Formats hat mittlerweile viel mit dem zunehmenden Ereignischarakter des Einkaufens zu tun, weshalb sich zunehmend der Begriff „Flagship-Outlet“ durchsetzt, angelehnt an den „Flagship-Store“.

All dies auf die Anforderungen der Hotellerie (deren Auslastung zuletzt rückläufig war, siehe Info-Kasten) umgesetzt zu haben, ist das Erfolgsrezept der SST Touristik. Gerhard Sperrer dazu: „Betriebe, die mit uns arbeiten, schaffen es, ihre leeren Zimmer zu einem reduzierten Preis, der aber immer über den Grenzkosten liegt, im virtuellen Flagship-Outlet zu verkaufen. Sie erzielen damit einen echten Zusatzertrag und – wie bereits am Beispiel der Marken-Labels erwähnt – ohne dadurch ihre reguläre Preisgestaltung zu beschädigen“, so Sperrer. „Wir möchten der heimischen Hotellerie die völlig unbegründete Angst vor dem Verkauf im Travel Outlet nehmen und den Hotels so ganz einfach zu mehr Ertrag verhelfen.“

Gute Einzelhotels machen damit pro Jahr mit SST Touristik laut Gerhard Sperrer zwischen 200.000 und 250.000 Euro Umsatz. Das sind – so die aktuelle Bilanzanalyse der ÖHT TourismusBank – rund 10 Prozent und mehr der jährlichen Betriebseinnahmen.

Womit sich im gewissen Sinne auch ein Kreis der Geschichte schließt: Vor 120 Jahren brachte Guccio Gucci als Lift-Boy Gäste in die oberen Stockwerke der Hotellerie. Heute sorgt der Outlet-Vertrieb à la Gucci dafür, dass Hotels in obere Stockwerke ihrer Auslastungsmöglichkeiten gelangen. Mehr über die Wirtschaftlichkeit der Outlet-Aktionen bringt T.A.I. anhand einiger konkreter Beispiele in der Ausgabe vom 9. September.

Rückläufige Bettenauslastung

Die durchschnittliche Bettenauslastung österreichischer 4-und 5-Sterne-Hotels in der Offenhaltungszeit ist laut aktueller Bilanz-Analyse der ÖHT - TourismusBank zwar zwischen 2013 und 2015 von 67 auf 68 Prozent gestiegen, bei jenen Betrieben, die zum erfolgreichsten Viertel zählen, sank sie aber von 82 auf 79 Prozent.
Noch schwieriger ist es für die 3-Sterne-Hotels, ihre Kapazitäten abzusetzen. Hier sank die Bettenauslastung von 55 Prozent im Jahr 2013 auf 48 Prozent in 2014, woran sich 2015 nichts geändert hat. Bei den Spitzenreitern ging die Bettenauslastung von 74 auf 68 Prozent zurück.

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Erstellt am: 12. August 2016

Gerhard Sperrer und Andreas Schabel (v.l.) haben ein System gefunden, leerstehende Zimmer günstig zu verkaufen –  ohne dabei die Preisgestaltung zu beschädigen. © SST Touristik Vertrieb GmbH

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