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Kulturtourismus

Frische Ideen sind gefragt. „Power Couple“ kein Selbstläufer

Print-Ausgabe 26. August 2016

Beim „5. Casinos Austria Kultur Talk“ in Bregenz ging es um konkrete Ansätze, wie das Miteinander von Tourismus und Kultur in Zukunft gestaltet werden kann.

Es ist kein Henne-Ei-Problem, jenes von Kultur und Tourismus. Denn die Kunst war schon Teil des menschlichen Alltags, lange bevor der Homo Sapiens auf friedliche Art und Weise auf Reisen ging. Die ältesten Höhlenmalereien entstanden vor 40.000 Jahren, die ersten Ansätze des Tourismus im antiken Griechenland. So gesehen scheint alles klar. Ebenso klar ist aber, dass ein Spannungsverhältnis zwischen beiden Bereichen besteht, das es zu überwinden gilt, wie sich vor kurzem beim „5. Casinos Austria Kultur Talk“ in Bregenz einmal mehr gezeigt hat. Initiiert von Casinos Austria Vorstand Dietmar Hoscher stand die Diskussionsrunde unter dem Motto „Kultur und Tourismus – Österreichs Power Couple“, wobei es um die Frage ging, wie das (zum Teil von Berührungsängsten geprägte) Miteinander von Tourismus und Kultur für die Zukunft gestaltet werden kann.

Als Diskussionspartner hatte Dietmar Hoscher den Präsidenten der Bregenzer Festspiele Hans-Peter Metzler (der Industrielle ist Namensvetter des Tourismus-Spartenobmanns in der WKO-Vorarlberg, Hans-Peter Metzler), den Vorarlberger Kulturlandesrat Christian Bernhard, den Geschäftsführer des Vorarlberg Tourismus Christian Schützinger sowie Hotelier und ÖHV-Vizepräsident Gregor Hoch gewonnen Geleitet wurde die Runde von ORF-Redakteurin Raphaela Herburger-Stefandl.

Kultur und Tourismus sind in Vorarlberg tatsächlich ein „Power Couple“. Alleine die Bregenzer Festspiele ziehen jährlich über 200.000 BesucherInnen an, von denen laut Christian Schützinger rund ein Viertel als Übernachtungsgäste kommen, ein Viertel davon in Vorarlberg, der Rest im Bodenseeraum. „Wir können zwar nicht auf Mozart und Schönbrunn zurückgreifen, aber 8 Prozent unserer Sommergäste kommen wegen Kultur-Ereignissen, wie Schubertiade, Kunsthaus oder Festspiele.“ Für zwei Fünftel der Gäste ist neben „Urlaub im ländlichen Raum“ der Besuch eines Kultur-Events (bis zu 300 Veranstaltungen pro Monat, von der Blasmusik bis zum poolbar-Festival) wichtig und mitentscheidend für die Wahl von Vorarlberg als Urlaubsziel.

Laut Gregor Hoch funktioniere dies nur, „wenn das Gesamtangebot stimmt“, und dafür sei die Hotellerie ein wichtiger Faktor. Diese wiederum profitiere vom Kultur-Gast: der gibt mit 125 Euro pro Tag um rund zwei Fünftel mehr aus, als ein „Normal“-Gast und, so Hoch, „der Kultur-Tourismus ist krisenresistent.“ Österreich (15 Prozent aller Sommerurlauber kommen wegen Kultur) und Vorarlberg selbst wären diesbezüglich also gut aufgestellt.

Hier hakte Gastgeber Dietmar Hoscher ein: „Wie kann es weitergehen, oder haben wir ohnehin bereits alles erreicht?“ Hoschers Überzeugung: „Gäste kommen nicht von selbst, und wir dürfen nicht verharren, sondern überlegen, wie die Weiterentwicklungen aussehen könnten.“ Denn, so Hoscher: „Gäste wollen in immer kürzerer Zeit immer mehr erleben.“ Er sehe nicht zuletzt ein Problem bei den 15- bis 25-jährigen (Generationen X und Y): „Wir können nicht nur auf der Vergangenheit aufbauen, wir brauchen eine Digital-Agenda im Bereich Kunst und Kultur in Kombination mit dem Tourismus.“ Hoscher: „Wenn wir versäumen, das in verschiedenen Affinity-Groups aufzubauen, werden wir scheitern!“
 
Dem stimmte Kulturlandesrat Christian Bernhard zu: „Die demographische Entwicklung (Stichwort: Alterspyramide) darf nicht dazu verleiten, zu glauben dass das, was in der Vergangenheit funktioniert hat, in den nächsten zwei Jahrzehnten durch die breite der älter werdenden Zielgruppen auch weiter funktioniert.“ Sein Aufruf: „Die Jugend hören und mitmachen lassen.“ Festspiel-Präsident Hans-Peter Metzler sieht desbezüglich die Vielfalt der Kultur-Events als entscheidend an, „nicht nur Klassik und nicht nur Vielzahl.“ Erst die Vielfalt generiere „ein Mikroklima, wo man sich für bestimmte Dinge interessiert. Ohne diesen Nährboden wird es nicht gehen.“ Man müsse etwas bieten, „vom Visuellen her und vom Gesamterlebnis.“ Bei den Bregenzer Festspielen scheint dies zu gelingen: „Wir sehen am See, dass sich das Publikum verjüngt.“

Ebenso wichtig ist die enge Verlinkung zwischen Tourismus und Kultur. „Wir haben die Tools, sie haben den Inhalt“, brachte es Vorarlberg Tourismus-Chef Christian Schützinger auf den Punkt. Dabei gehe es laut Dietmar Hoscher um die Frage, „wie wir die unendlich vielen Initiativen in Kunst und Kultur an Gäste im In- und Ausland vermitteln.“

Die Lösung bestünde in der Bildung von Clustern (Vorarlberg hat diesbezüglich die Vorreiterrolle übernommen – siehe Info-Kasten). Die Österreich Werbung versuche dies seit Jahren, scheitert aber an den diversen Vereinen. Was ORF-Redakteurin Raphaela Herburger-Stefandl zur spitzen Bemerkung veranlasste: „Kirchturm-Politik als Hindernis.“

Fazit: Der 5. Casinos Austria Kultur Talk bot nicht nur eine spannende Diskussion, sondern lieferte auch konkrete Ansätzen, wie das Miteinander von Tourismus und Kultur für die Zukunft gestaltet werden kann. Die drei wichtigsten Punkte: Cluster-Bildung, intensivere Ansprache junger Zielgruppen sowie verstärkter Einsatz moderner Medien. Dietmar Hoscher ist überzeugt: „Das wird wie ein Schneeball-Effekt um den ganzen Globus wirken.“ 

Eindrücke vom 5. Casinos Austria Kultur Talk

Eindrücke vom 5. Casinos Austria Kultur Talk

Eindrücke vom 5. Casinos Austria Kultur Talk

Vorarlberger Plattform Kultur & Tourismus

Auf Initiative des Vorarlberg Tourismus wurde 2009 die „Plattform Kultur & Tourismus“ gegründet. Sie ist die bislang einzige derartige Plattform in Österreich und vernetzt auf Basis halbjährlicher Treffen die Vorarlberger Kulturschaffenden mit den international tätigen Tourismusorganisationen des Landes. Ziele der von Kommunikationsberater Hans-Joachim Gögl moderierten Gruppe sind Gedankenaustausch, gegenseitiges Kennenlernen und die Entwicklung von Kooperationsstrategien. Das jüngste Treffen fand im Juni zum Thema „Eine neue Kulturstrategie für Vorarlberg - Herausforderungen, Handlungsfelder, Dialogfelder zum Tourismus“ statt.

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Erstellt am: 26. August 2016

Foto oben: Casinos Austria Vorstand Dietmar Hoscher (l.) und Hans-Peter Metzler, Präsident der Bregenzer Festspiele © Udo Mittelberger für Casinos Austria

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