T.A.I. auf Flusskreuzfahrt in Indien

Tempel, Diwali und Knallkörper. Kreuzfahrt durch eine andere Welt

Print-Ausgabe 29. November 2019

Nicht auf dem Ganges, sondern auf dessen Mündungsarm Hugli erlebte eine Gruppe österreichischer TouristikerInnen Indien in seiner ganzen Vielfalt

Flusskreuzfahrt-Fans entdecken zunehmend exotischere Gewässer. Zu einem ganz besonderen lud der Geschäftsführer von Caravelle Seereisen Manfred Jägersberger-Greul Ende Oktober auf den Hugli im Bundesstaat Westbengalen im Nord­osten Indiens, einen 260 km langen Mündungsarm des Ganges.

Die Anreise erfolgte via Delhi (ab Wien mit Air India) und von dort nach Kolkata, der mit 14 Mio. EinwohnerInnen drittgrößten Stadt Indiens. Nach zweistündiger Fahrt durch die Metropole kam dann die Einschiffung auf der RV Bengal Ganga. Das Schiff der Heritage River Cruises ist mit 60 m Länge und nur 28 Kabinen (Dusche, WC, Klimaanlage, Tisch und zwei Sessel) erfreulich kompakt. Saloon, Bar, ein Sonnendeck mit Bar und Liegen sowie ein Spa sorgen für Wohlfühl­atmosphäre. Das Restaurant überzeugt mit hervorragendem Essen und eine 37-köpfige Crew kümmert sich um das Wohl der Gäste. So werden etwa nach jedem Ausflug die Schuhe frisch geputzt und wenig später vor die Kabinentür gestellt.  Das Routing der RV Bengal Ganga führt zu Orten, die nur selten TouristInnen zu Gesicht bekommen. Während der Fahrt gibt es Vorträge und TV-Dokumentationen, die einem die Destination näher bringen.

Erste Station war Chandernagore. Die vorbeiziehende Landschaft bot erste Einblicke in Indiens Alltagsleben: Zahlreiche Rauchfänge von Ziegelfabriken, viel Grün und immer wieder Menschen an den Ufern beim Wäschewaschen, Fischen oder gemeinsamen Bad mit Wasserbüffeln; alle paar hundert Meter kleine Boote voll mit Fahrrädern, Mopeds und Autos. Dann und wann schwimmen im braunen Wasser Pflanzen, Plastikflaschen und anderer Müll vorbei, mitunter auch tote Kühe oder die Asche Verstorbener. Chandernagore erinnert mit seinen kolonialen Gebäuden und der breiten Promenade an die europäischen Besatzer; die „Sacred Heart Church“ mit ihren kräftigen grünen und pinken Farben eher an die Karibik.

Einen Kontrast dazu bildet der 60 km weiter flussaufwärts gelegene, 1809 im bengalischen Stil erbaute Nabakailas Tempel in Kalna. Gleich gegenüber befindet sich der 40 Jahre jüngere Pratapeshwar Tempel aus Terrakotta, mit Skulpturen, die Szenen aus dem täglichen Leben darstellen. Das spielt sich dann in Echtzeit auf dem Markt ab – mit Hühnern, die frisch vor Ort geschlachtet werden, Fischen, Gemüse und Obst, Menschen mit  lächelnden Gesichtern und einer Geschäftigkeit, die EuropäerInnen ein wenig überfordert.

Das Dorf Matiari begrüßt die Gäste der RV Bengal Ganga am nächsten Tag frühmorgens durch lautes Hämmern und Klopfen: Der kleine Ort ist für seine Messing- und Kupferarbeiten bekannt, die als Souvenir erstanden werden können.  Akustisch hatte die Reise über den Hugli generell einiges zu bieten, warf doch das bevorstehende Lichterfest („Diwali“) seine Schatten voraus: Von überall her ertönte laute Musik. Auf der Fahrt nach Murshidabad ging’s vorbei an zahlreichen unfertigen Brücken, die ins Nichts führten und an Fabriken, aus deren Schornsteinen Bäume wuchsen.

Zum „Diwali“ überraschte die Crew mit Feuerwerk und Tänzergruppe, die Folklore aus Indien vorführte – mittanzen inklusive. Ein Muss für BesucherInnen von Murshidabad (am besten in einer „Tonga“ genannten Pferdekutsche) sind die Ruinen der Katra Moschee sowie der im dorischen Stil gehaltene Hazarduari Palast mit seinen 1.000 (echten und falschen) Türen.

Unzählige Geschichten und Szenen aus der hinduistischen Geschichte erzählt der Tempelkomplex Char Bangla, der von Kolkata am weitesten entfernte Punkt der Reise. Auch hier liefert ein Spaziergang durch den Ort Baranagar indische Impressionen, wie Frauen, die am Straßenrand „Beedis“ – Zigaretten aus Tendublatt und Tabak – drehen. Flussabwärts ging es dann langsam wieder retour, begleitet von Feuerwerken, lauter Musik und Knallkörpern, die die ganze Nacht über abgeschossen wurden.

Mayapur mit seinem Hare Krishna-­Tempel beeindruckt durch seine mehr als 100 m hohe türkise Kuppel. Auch jetzt hieß es „Diwali“: Wieder an Bord, wurden abends 400 schwimmende Lichter in den Fluss gesetzt, die langsam abtrieben – ein magischer Moment, der wohl immer in Erinnerung bleibt.

Den Abschluss bildeten in Guptipara der Tempel von Vrindabachandra und der Markt mit Besuch einer Töpferei. Einen kompletten Kontrast stellte das Eintauchen in den Großstadtdschungel von Kolkata dar: Laut, schmutzig, viele Bettler – alles, was Indien für EuropäerInnen ebenso exotisch macht, wie die freundlichen Menschen, die Farbvielfalt und das Miteinander der Religionen – und dennoch nur winziger Teil eines riesigen Landes, das sich an Bord der RV Bengal Ganga so eindrucksvoll präsentierte. 

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