ÖHV-Kongress 2021

Trotz „Long Covid“ ausgeschlafen! Muntermacher und Mut-Injektionen

Print-Ausgabe 18. Juni 2021

Blicken mit Optimismus in die Zukunft: ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer und Generalsekretär Markus Gratzer

Der diesjährige ÖHV-Kongress war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich – trotz allem herrschte unter den TeilnehmerInnen vor allem eines: Zuversicht

Es war ein ganz besonderer Kongress der ÖHV (Österreichische Hoteliervereinigung), der Anfang Juni 2021 über die Bühne gegangen ist. Das hatte – neben dem Termin (normaler Weise im Jänner) und den Hygienemaßnahmen (4er Tische, drei Tage später und es wären 8er möglich gewesen) – vor allem mit einem Umstand zu tun: Der damals noch auf 22:00 Uhr festgelegten Sperrstunde. „Noch nie ist jemand beim ÖHV-Kongress so früh schlafen gegangen“, scherzte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer in ihren Begrüßungsworten am ersten Kongress-Tag nach der am Vorabend erfolgten Eröffnung, „die ÖHV TeilnehmerInnen waren noch nie so ausgeschlafen.“

Die Eröffnung nahm Tourismusministerin Elisabeth Köstinger vor, gefolgt von einem Auftritt des Wirtschaftskabarettisten Otmar Kastner („Wo der Spaß aufhört, beginnt der Humor“) und einer fulminanten Dinner-Show. Muntermacher (sofern überhaupt nötig) lieferten dann die Programm-Punkte der kommenden zwei Tagen, wobei Reitterer nicht zögerte, sich dafür (und den gesamten Kongress) bei ihrem Team zu bedanken: „Ich bin stolz auf das Team.“

Wie bei der ÖHV gewohnt, wechselten Fakten-haltige Vorträge mit lockereren Präsentationen ab. Arbeitsminister Martin Kocher hatte zwar kurzfristig absagen müssen (er stellte am selben Vormittag in Wien die beiden neuen Modelle der Kurzarbeit vor, ein Übergangsmodell und eines für „besonders betroffene Branchen“), wandte sich aber mittels Video-Grußbotschaft an die versammelten Hoteliers (rund 400 vor Ort, an allen drei Tagen also inkl. Eröffnungsabend 420, zu denen noch 60 kamen, die mittels Online-Ticket der Hybrid-Veranstaltung beiwohnten).

Der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, Martin Selmayr, wies darauf hin, „dass wir wahrscheinlich in den kommenden Jahren, zumindest im Winter, weiterhin Mund-Nasenschutz tragen müssen.“ Eine durchaus sinnvolle Maßnahme, wie am nächsten Vormittag Prof. Hans-Peter Hutter von der MedUni Wien in seinem Vortrag bestätigte: denn die FFP2 Masken hätten sich als überaus wirkungsvoller Schutz erwiesen, wie ein Vergleich des Infektionsgeschehens von Österreich mit jenem in Deutschland (wo die FFP2-Pflicht ca. zwei Wochen im Dezember 2020 später kam) eindrucksvoll zeigte.

Franz Schellhorn (Agenda Austria) sprach mit seinem Zitat „Beherbergung und Gastronomie zählen zum ungeschützten Bereich der österreichischen Wirtschaft“ und der Feststellung, dass diese mit „einem Minus von 35 % der Wertschöpfung 2020 der stärkst betroffene Wirtschaftsbereich“ war, vielen aus dem Herzen. Er stellte aber ebenso fest, dass der „Sozialstaat seinen Stresstest bestanden hat“, der „Preis dafür aber sehr hoch war“ und es „keine gute Zielgenauigkeit gab, da mit der Gießkanne d‘rübergegangen wurde.“ Die schlechte Eigenkapitalquote von Beherbergung und Gastronomie mache es aufgrund der dadurch hohen Kreditausfalls-Wahrscheinlichkeit (mit 3,2 % der schlechteste Wert in Österreich Wirtschaft, gefolgt von Land- und Forstwirtschaft mit 2,1 %) „wichtig, dieses Thema anzugehen“ (mehr dazu hier).

Interessant in diesem Zusammenhang war dann die „Bestandsaufnahme mit Ausblick“ von ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer, der dazu auf eine Umfrage der ÖHV von Mai 2021 sowie die COFAG/AWS/AMS-Zahlen vom 29. Mai zurückgreifen konnte. Demnach ist das Eigenkapital bei den ÖHV-Mitgliedern während der Corona-Krise im Durchschnitt um -8 % zurückgegangen, bei der Umsatzerwartung für 2021 wird der Rückgang auf -47 % im Vergleich mit 2019 geschätzt. Gratzer: „Die Auswirkungen werden wir erst nächstes oder übernächstes Jahr spüren. Wir sprechen von ‚Long Covid‘.“

 

Interessant ist die im Rahmen der Umfrage erhobene Inanspruchnahme der Investitionsprämie: Hier zeigte sich, dass diese in der Ferienhotellerie (Land) mit 77 % deutlich stärker als in den Städten (53 %) genutzt wurde. In der Wiener Hotellerie waren es gar nur 33 %.

Ebenso wird sich weisen, ob das laut ÖHT weiterhin anhaltende starke Investitionsgeschehen (siehe Beitrag „Zwischen Investitions-Höhenflug und Eigenkapital-Schraube drehen“) durch Vorzieheffekte begründet war. Denn laut ÖHV-Umfrage werden die Betriebe zwar weiterhin investieren, sie haben für 2021 aber 33 % des geplanten Volumens reduziert.

Der Bundesregierung wurde bei der ÖHV-Umfrage bezüglich Schnelligkeit, Einfachheit und Bürokratie bei den Hilfen die Schulnote 3 gegeben. Am besten von den Maßnahmen schnitt die Umsatzsteuersenkung auf 5 % ab (Schulnote 1,4), gefolgt von der Kurzarbeit und dem Umsatzersatz (beide 1,8). Schlusslicht bildet – wenig überraschend – die Entschädigung durch Schließung nach Epidemiegesetz (Note 3,9). Gratzer: „Das zeigt, wie langsam dort gearbeitet wurde.“

Als Top-Prioritäten sieht die ÖHV die Fortsetzung der Mehrwertsteuer-Senkung auf 5 % bis Ende 2022, die Verlängerung des Fixkostenzuschusses und Verlustersatzes bis Jahresende, den Corona-Ausfallbonus, eine Investitionsprämie für neue Projekte sowie eine Erhöhung der Beihilfegrenzen.

Von den generellen Themen her steht der Arbeitsmarkt an der Spitze (Gratzer: „Das war schon vor Corona Thema, Corona war Brandbeschleuniger, wir werden Antworten brauchen“), gefolgt vom Eigenkapital („Wir müssen die Wettbewerbsfähigkeit erhalten“) sowie Bürokratie und Verwaltung („Die Latte liegt hier hoch und die Palette ist sehr, sehr lang. Eine Strukturreform ist überfällig!“). Für ÖHV-Präsidentin Reitterer steht jedenfalls fest: „Wir werden Corona meistern, und wenn wir das schaffen, werden wir alles hinbekommen!“

Der nächste ÖHV-Kongress soll dann wieder unter normalen Rahmenbedingungen ablaufen. Geplant ist er vom 17. bis 19. Jänner 2022 in der Wiener Hofburg. Dann stehen wieder Präsidenten-Wahlen an.

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