ANA
Hotellerie live – heute mit Walter Veit, Obertauern

Balance-Akt der Ferienhotellerie zwischen Lockdown und Affenzirkus

Print-Ausgabe 6. November 2020

„Es wird noch lange schwierig sein, jetzt wäre der Zeitpunkt für eine Korrektur“, so Hotelier Walter Veit


 

Interessensvertretungen, Kammern, Politik & Co. überschwemmen mit ihren Statements die Branche – doch wie sehen Betriebe die Dinge? T.A.I. schreibt’s

Wie geht es der Ferienhotellerie mit Winter-Fokus? Was bedeutet für sie der neuerliche Lockdown? Und was hat es mit den finanziellen Hilfestellungen auf sich, die von der Politik zugesagt wurden aber angeblich nicht fließen? Fragen über Fragen. Um Antworten aus berufenem Mund zu erhalten, wandte sich T.A.I. an Walter Veit, Hotelier in Obertauern.

1.740 Meter Seehöhe (so hoch wie Zürs), schneesicherster Wintersport­ort Österreichs. Bei Walter Veits 4-Sterne superior Hotel Enzian (130 Betten, Zimmer im Durchschnitt 50 m² groß, 55 MitarbeiterInnen) handelt es sich „wie bei 90 % der Betriebe in Obertauern“ um einen Ein-Saisonbetrieb. Wobei die Saison von Mitte November bis Ende April überaus lange ist. Zweiter Betrieb von Walter Veit ist die „Mankei Alm“ auf 2.000 Metern (100 Plätze innen, dreimal so viel außen, 14 MitarbeiterInnen).

Aktuell ist Obertauern „wie immer um diese Zeit ein Geisterort, alle bereiten sich auf die Saison vor“, erzählt Walter Veit. Nur heuer weiß niemand, ob und wann es los gehen kann. Der Plan für 2020/21 sah als Saisonbeginn den 16. November vor, ab Dezember wollten alle Betriebe offen haben. Corona bedingt steht heuer „Erholung im Schnee“ im Fokus, ohne Après Ski, dafür mit guter Berggastronomie.

Mit 30 % Inlandsgästen (gut 40 % Deutsche, der Rest „quer über die Welt“) hätte Obertauern relativ gesehen eine bessere Ausgangslage, als etwa der Arlberg. „Dort sind es nur 8 % Inlandsgäste“, sagt Walter Veit, „wer soll da kommen, wenn’s überall Reisewarnungen gibt.“

Viele Betriebe werden es schaffen, ist Walter Veit überzeugt, der allerdings auch davon ausgeht, „dass sich im nächsten halben Jahr 20 % der Kollegen in der Ferienhotellerie verabschieden müssen.“ Das sage er, – wie Veit betont –, „nicht als Hotelier, sondern als Funktionär.“ Der Grund: In den letzten 10 Jahren gab es aufgrund der Null-Zins-­Politik keine Marktbereinigung („Als ich 1983 als Quereinsteiger begann, habe ich 15 % Zinsen gezahlt“). Jetzt wäre der Zeitpunkt für eine Korrektur: „Es wird noch lange schwierig sein. Warum diejenigen am Markt halten, für die es keinen Sinn macht?“

Zurück zum Hotelier Walter Veit: Für seine Betriebe ist er positiv gestimmt: „Wir werden überleben, wir sind sehr gut aufgestellt und haben eine gute Eigenkapital­decke“ (T.A.I. hat’s gleich nachgeprüft: 37,6 % per 31.10.2019 – Hut ab!). Seine Maxime: „Nie von Banken abhängig machen.“

Was rät Walter Veit seinen Hoteliers-KollegInnen? „In den nächsten Wochen durchtauchen. Dann kalkulieren, ob sich‘s lohnt, aufzusperren. Auch bei einer roten Null.“ Die Alternative? „Ansonsten zu bleiben, mit einer kleinen Stammtruppe. Es geht um’s Überleben der Betriebe.“

Was sollte bzw. kann die Regierung tun, um den gesunden Betrieben genau das zu ermöglichen? Walter Veit dreht den Spieß um: „Es geht darum, was die Regierung noch nicht getan hat.“ Als Beispiel nennt er das Epidemie-Gesetz, aufgrund dessen die Betriebe in den westlichen Bundesländern zusperren mussten. Da gehe es um Entschädigungen (entgangener Gewinn) für die 14 Tage zwischen 16. und 31. März: „Das steht uns zu“, so Walter Veit. „Aber bisher hat kein einziger Betrieb Geld bekommen.“

Warum das? „Es wird alles verkompliziert, damit wir kein Geld erhalten“, meint Walter Veit, der umgehend seine persönliche Epidemie-Gesetz-Story erzählt (zu lange für diesen Beitrag; T.A.I. wird ihn online auf www.tai.at nachreichen. Soviel vorweg: spannend wie ein Krimi!). „Das zieht sich durch bei allen Kurzarbeits-Modellen und Fixkosten-Entschädigungen. Ein Affenzirkus bis zum Geht-nicht-mehr!“

Als jüngste Kuriosität in diesem Zusammenhang erweist sich die Ankündigung, dass Tourismusbetriebe im November aufgrund des Lockdowns 80 % Umsatz-Entschädigung erhalten. Walter Veit hat versucht, sie für eine Spitzen-­Gastronomin auszurechnen: „Ich habe bei der Wirtschaftskammer angerufen und im Finanzministerium. Weder da noch dort konnte man mir Auskunft erteilen.“

Beim AMS (Arbeitsmarkt Service) wurde er dann fündig. Die dortige Antwort: „Wenn Sie um Umsatz-Entschädigung ansuchen, müssen Sie alles, was Sie an Entschädigungen im Frühjahr bekommen haben, von Kurzarbeit bis Fixkostenzuschuss, abziehen.“ Walter Veit: „Unter dem Strich kommt dann nichts heraus! Der Betrieb kriegt nichts! Das ist ein Wahnsinn für Gastronomie und Ganzjahresbetriebe!“

Den 1- und 2-Saisonbetrieben ginge es diesbezüglich besser: „Sie müssen sich nicht mit Kurzarbeit herumschlagen“, so Walter Veit. Die Saisonbetriebe seien auch Grund dafür, weshalb die Arbeitslosenstatistik im Tourismus (noch) nicht so dramatisch aussehe: „Wir beschäftigen in den Saisonen 10.000e Ungarn in unseren Betrieben, dazu Tschechen, Slowenen und auch Polen und Deutsche. Die sind jetzt alle zu Hause und fallen alle nicht in die Arbeitslosen-Statistik.“

Walter Veit abschließend: „Kein Geschäft, zu viele Marktteilnehmer die schlecht sind, und kein Geld, weil die Betriebe aufgrund der zu langen AfA (Abschreibung für Abnutzung) nur Scheingewinne erzielt haben – das sind drei Punkte, die der Ferienhotellerie am meisten zu schaffen machen.“

Bleibt die Hoffnung, dass die Pandemie irgendwann einmal vorbei ist und die Betriebe – bei allen unerfreulichen Begleiterscheinungen der notwendigen Marktbereinigung – wieder Boden unter den Füßen gewinnen. 

Das 4-Sterne superior Hotel Enzian

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