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Bus-Incoming

Europas Bus-Branche tobt! Dolchstoß für Österreich-Incoming

Print-Ausgabe 10. Februar 2017

Österreichs neue Entsende- und Mindestlohnregelungen treffen Busreisen mit voller Wucht – starke Rückgänge aus Deutschland – IRU Sondersitzung in Brüssel

Österreichs jüngster Alleingang im Zusammenhang mit der EU-Entsenderichtlinie sorgt für einen Sturm der Empörung unter Europas Busverbänden. Den Stein des Anstoßes bildet das seit 1. Jänner 2017 geltende Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Kritisiert wird nicht nur die „Fülle von bürokratischen Auflagen, die absolut unpraktikabel sind“ (siehe Info-Kasten), sondern „dass dieses Gesetz ohne Vorankündigung und damit ohne jede Vorbereitungsmöglichkeit mitten in der Skisaison, also der Hauptreisezeit, in Kraft getreten ist.“ Konkreter Schaden für Österreichs Tourismus ist bereits eingetreten. Laut Tourismus Monitor Austria der Österreich Werbung (ÖW) reisen rund 6 Prozent beziehugnsweise zirka 1,6 Millionen aller ausländischen Gäste mit dem Reisebus an.

Für Richard Eberhardt, Präsident des deutschen Busverbandes RDA, ist die neue Regelung „im Hinblick auf das aufwendige Anmeldeverfahren für die Busreiseveranstalter schlicht nicht umsetzbar und eine unzumutbare Belastung.“ Er spricht von einem „Bürokratiemonster, das den Reiseverkehr nach Österreich massiv behindert und erschwert.“

Österreich-Reisen gehen bereits zurück

Deutsche Busunternehmer streichen bereits in erheblichem Ausmaß Österreich-Reisen. So berichten laut Michael Kurtze, Geschäftsführer von Busreisen.cc, Anbieter wie Marché Österreich und Rosenberger „von messbaren (Umsatz-)Rückgängen durch Reisebusse im Jänner 2017.“

Dies ist kein Einzelfall. Kurtze: „Unsere Mitgliedsbetriebe Schloss Schönbrunn und Stift Klosterneuburg, die Ende Jänner bei Busreiseveranstaltern in Deutschland unterwegs waren, erhielten von einem namhaften Busreiseveranstalter aus dem Raum Rosenheim als Rückmeldung, dass er alle Fahrten (ca. 40 bis 50 Stück) mit Ski-Clubs im Zeitraum Jänner und Februar 2017 größtenteils auf andere Destinationen umgebucht hat. Wenn man das hochrechnet, dann sind das schon ca. 1.600 Gäste weniger von nur einem Unternehmen in zwei Monaten.“

Viele Busunternehmer sehen keine andere Möglichkeit, als das Österreich-Angebot zu reduzieren. Luise Petz von Petz Reisen in Ergoldsbach: „Sollte dieses unsinnige Gesetz bleiben, werden wir viele Österreich-Reisen streichen müssen.“ Johann Amberger, Bustours Amberger in Rottenburg: „Unsere Firma wird, wie womöglich viele deutsche Firmen auch, auf Busreisen nach Österreich weitgehend verzichten.“

Sondersitzung in Brüssel

Nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern wird heftige Kritik an Österreich geübt. Am 25. Jänner berief deshalb die International Road Transport Union (IRU) eine Sondersitzung in Brüssel ein. „Hier geht es nicht mehr um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Busfahrern – dieses Gesetz zielt auf die Abschottung des österreichischen Marktes ab“, kritisiert Christiane Leonard, Vizepräsidentin der Bussparte von IRU.

Wobei der Österreich-Alleingang in diesem Bereich kein Sonderfall ist. Den Anfang machte vor zwei Jahren Deutschland mit dem Mindestlohngesetz (MiLoG). Obwohl von der EU-Kommission unverzüglich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, sind Frankreich, Italien und jetzt auch Österreich diesem Beispiel gefolgt. Wobei im Falle von Italien die Entsenderegelung nur für Kabotageverkehre sowie im Falle der Arbeitnehmerüberlassung Anwendung findet. Transit- und sonstige Gelegenheitsverkehre sind nicht betroffen.

IRU-Vizepräsidentin Christiane Leonard fordert die EU-Kommission jetzt mit Nachdruck auf, „schnell zu handeln. Wir brauchen eine EU-einheitliche Lösung, die die spezifischen Gegebenheiten der Bustouristik berücksichtigt. Andernfalls steht die europäische Busbranche vor dem Kollaps.“ Sozialminister Alois Stöger ist sich der Schärfe des Gesetzes bewusst: „Die Bekämpfung von Lohn- und Sozialdumping funktioniert nur mit strengen Kontrollen und effektiver Vollstreckung.“ Die neuen Regelungen stellen ihm Zufolge deshalb „eine sehr strenge nationale Form der Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie der bestehenden EU-Entsenderichtlinie dar.“

Deutschlands Busunternehmer sind fassungslos: „Das deutsche und das österreichische Lohngefüge sind sehr ähnlich, so dass aus deutscher Seite kein Lohndumping erfolgen kann, da wir  den Tarifvertrag bindend ansehen“, meint etwa Luise Petz.

Kammer sucht nach Lösungen

Der Fachverband Autobusunternehmungen in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) versucht zu kalmieren. „Wir stehen im intensiven Kontakt mit Sozialministerium und Finanzpolizei, um praktikable und einfache Lösungen zu erarbeiten“, betont Fachverbands-Geschäftsführer Paul Blachnik gegenüber T.A.I. Die Finanzpolizei habe zugesichert, „dass Fehler beim Ausfüllen des Meldeformulars nachgesehen und bis zur Klärung aller offenen Fragen keine Sanktionen verhängt werden.“ In den nächsten Wochen soll darüber hinaus auf der Website www.entsendeplattform.at eine vereinfachte Sammel- und Rahmenmeldung für Güter- und Personenbeförderung möglich gemacht werden.

Die Aufregung Deutschlands versteht Blachnik nur zum Teil: „Wir haben bei der Einführung des deutschen Mindestlohngesetzes Ähnliches erlebt, wir kennen daher die Situation umgekehrt auch als Betroffene!“

EU schaltet sich ein

Gelöst ist das unerfreuliche Thema damit aber nicht. Die IRU hofft jetzt auf die von EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc für Ende Mai angekündigten so genannten „Road Initiatives“. Bis dahin sind die EU-Mitgliedstaaten laut Christiane Leonard gefordert, „keine nationalen Alleingänge zu unternehmen beziehungsweise bereits in Kraft getretene nationale Regelungen auszusetzen.“

Um dem Ernst der Lage Nachdruck zu verleihen, werden sich die europäischen Busverbände „in einer konzertierten Aktion an die EU-Kommission und das EU-Parlament wenden, um auf eine rasche Klärung dieser unhaltbaren Situation zu drängen.“

Gefordert sind auch Österreichs Regierung und Gesetzgeber. Gefahr ist in Verzug. Michael Kurtze „Es läuft in Deutschland schon eine sehr große ‚Anti-Österreich‘ Kampagne, die meiner Meinung nach jetzt schon einen erheblichen Schaden anrichtet.“ 

Die Problematik aus Sicht der Busunternehmer

Durch das „Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz – LSD-BG“ sind seit Jahresbeginn 2017 alle ausländischen Busunternehmen verpflichtet, bei Fahrten auf österreichischem Gebiet (Ausnahme: Transitverkehr), also auch beim Gelegenheitsverkehr, die hierzulande geltenden Tariflöhne als den Mindestentgelt einzuhalten und JEDE EINZELNE Busfahrt nebst Fahrer mit unterschiedlichen Formularen im Vorhinein über eine dafür eingerichtete Plattform anzumelden. Die Entsendung muss spätestens eine Woche vor Beginn gemeldet werden.
Darüber hinaus müssen auch Arbeitsvertag, Sozialversicherungsdokument, Lohnnachweis und Arbeitszeitaufzeichnungen im Fahrzeug mitgeführt oder in elektronischer Form bereitgehalten werden. Bei Verstößen drohen Verwaltungsstrafen bis zu 20.000 Euro, im Wiederholungsfall bis zu 50.000 Euro pro Arbeitnehmer.

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Erstellt am: 10. Februar 2017

V.l.: Richard Eberhardt, Michael Kurtze, Christiane Leonard und Paul Blachnik

Gustav Sucher
10. 12. 2018
Busfahren
Hallo, die Lohnanpassungen wären sicherlich machbar, wenn die Busse mit Elektro betrieben würden. So könnte man die Spritkosten einsparen und im gleichen Schritt auch die Lohnkosten erhöhen. Ist das eine Idee? Danke für den Post! https://www.ubben-reisen.de/

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