Standpunkt

Kassensturz

Print-Ausgabe 3. November 2017

Als sich vor wenigen Jahren der Disput zwischen dem damaligen Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und noch immer WKO-Präsident Christoph Leitl rund um die Österreich Werbung (ÖW) dramatisch zugespitzt hatte, sorgte T.A.I. mit einer umfangreichen Analyse für Aufsehen. Es ging darum, wie viel der Tourismus alljährlich an die Kammer zahlt.

Kurze Zeit später – Mitterlehner und Leitl hatten bereits den noch heute wirksamen Konsens gefunden – wollte der Minister bei einem informellen Gespräch mit T.A.I. erfahren, wie sie zu den Zahlen gekommen war. Mitterlehner erhielt die gewünschte Information, allerdings nur unter Zusage der Beantwortung einer Gegenfrage: Wie nahe an der Realität war die von T.A.I. errechnete Summe? „Sehr nahe, überraschend nahe“, gestand der Minister.

Diese Story kam in Erinnerung, als es dieser Tage um die Berechnungen rund um die Auswirkungen der Mehrwertsteuer-Erhöhung auf Logis von 10 auf 13 Prozent ging. Die von Statistik Austria nunmehr vorliegenden Ergebnisse des Umsatzsteuer-Aufkommens für die ersten beiden Quartale 2017 lieferten dafür, – trotz aller Unschärfe, da auch die Gastronomie mit enthalten ist –, eine gute Basis.

Die von T.A.I. angestellte Halbjahres-Betrachtung ist insofern relevant, da es dadurch keine Verzerrung durch Oster- und sonstige Feiertage gibt, aufgrund derer sich größere Umsatz-Brocken zwischen den Quartalen verschieben.

Das Ergebnis der Analyse ist mehr als ernüchternd: Die Befürchtung, dass die höhere Logis-Mehrwertsteuer nicht komplett an die Endverbraucher weitergegeben werden kann, hat sich bewahrheitet (siehe Beiträge T.A.I. Trends auf Seite 3 sowie „Finanz jubelt, Hotellerie leidet“ auf Seite 20). Leidtragende sind die Betriebe, die mit – wie auch aus der monatlichen Tourismusanalyse des WIFO hervorgeht – einem realen Umsatz-Rückgang pro Nächtigung konfrontiert sind.

Wie gesagt: die Analyse – sie wurde von externen Fachleuten inklusive nochmaliger Rückfrage bei Statistik Austria überprüft – birgt eine gewisse Unschärfe in sich. Der Realität ist aber auch sie sehr nahe. Was in der generellen Aussage mündet: Die Mehrwertsteuer auf Logis ist definitiv zu einer echten Belastung der österreichischen Beherbergungsbetriebe geworden.

Zum Auftakt der Koalitionsverhandlungen zwischen Türkis und Blau stand diese Woche eine Art Kassensturz auf dem Programm, eine Bestandsaufnahme der Finanzen. Beide Parteien wären gut beraten, die für den Tourismus höchst problematischen Folgen der erhöhten Mehrwertsteuer auf Logis in ihre Betrachtungen mit aufzunehmen.

Die Zusage bzw. der politische Willen, dieses Unding wieder zu beseitigen, wurde sowohl von ÖVP als auch von FPÖ vor den Wahlen mehrfach bekundet. Den Worten jetzt rasch auch Taten folgen zu lassen, wünscht sich angesichts der nicht mehr vom Tisch zu wischenden Tatsachen nicht alleine der

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