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Standpunkt

Das PeriGTI-Prinzip

Print-Ausgabe 7. September 2018

Es muss nicht unbedingt Aristoteles sein, um sich mit Peripetie zu beschäftigen. Es reicht das Lesen des im Vorjahr erschienenen Buches von Austrian Airlines CEO Alexis von Hoensbroech. Bei Peripetie handelt es sich um jenen Wendepunkt einer Handlung, der ebenso unerwartet erfolgt, wie er für das weitere Geschehen entscheidend ist. Nicht nur auf der Bühne, auch im realen Leben.

Letzteres ist dann und wann von Shit-Storms gekennzeichnet. Wie Ende August für Christian Kresse, den Geschäftsführer der Kärnten Werbung. Er hatte der „Kleinen Zeitung“ ein Interview gegeben, das unter dem Titel „Vorrang für Radfahrer, Absage an GTI“ erschien.
Die Reaktionen waren heftig. Die Palette reichte von „Kresse ist für seine Aufgabe nicht qualifiziert“ bis zu „ein Schaden für unser Bundesland“.

Kresses Vergehen: er hatte die Themenführerschaft seines Bundeslandes beim Radfahren hervorgehoben und den Kern der Marke Kärnten als „Natur-aktiv-Park“ bezeichnet. Auf die Frage „Harley- und GTI-Treffen sind im Naturerlebnisland also out?“ gab er als Antwort: „Das Harley-Treffen hat binnen fünf, sechs Tagen eine größere Wertschöpfung als viele andere Events zusammen. GTI dauert ungeordnet mehrere Wochen und bringt viele Konflikte, die wir nicht goutieren können.“ Das war’s.

Die Harleys brummen dieser Tage zum 21. Mal rund um den Faaker See. 70.000 Bikes, 120.000 BesucherInnen, 200.000 Übernachtungen, Wertschöpfung mehr als 20 Mio. Euro. Die GTIs kommen seit 37 Jahren im Frühjahr (plus Nachtreffen seit 13 Jahren im September). Ebenfalls 20 Mio. Euro Wertschöpfung, mehr als 100.000 Zuschauer, rund 6.000 Fahrzeuge.

Soweit die Eckdaten. Doch während sich das Harley-Treffen in geordneten Bahnen abspielt, artet jenes der GTI-Fans zunehmend aus. Zeitlich, räumlich und von den Exzessen her. Es wird längst von TouristikerInnen des Landes hinterfragt. Nicht nur vom Chef der Kärnten Werbung.

Damit sind wir beim Peripetie-Prinzip, beim plötzlichen Umschlag einer Handlung. Treiber der Entwicklung ist in diesem Fall der Vormarsch der E-Motorisierung, egal ob E-Bike oder Teslar & Co. Kultmarken à la Harley werden – trotz ihrer mit bis zu 110 dB donnernden Motoren – ebenso liebevoll wie Oldtimer betrachtet. Die Einstellung zu anderen Benzin- und Dieselstinkern wird hingegen zunehmend kritisch.

In einem Land, dessen Markenkern Richtung „Natur-aktiv-Park“ tendiert, sind Events à la GTI-Treffen schon jetzt ein Anachronismus. „Lustvoll leben und gelassen genießen, wo das Leben gelingt“, – diese Aussage wird Christian Kresse zufolge Kärnten am meisten zugeordnet –, ändern daran nichts. Ganz im Gegenteil.

All jene, die Kresse vorschnell mit einem Shit-Storm quittierten, sollten sich einmal in aller Ruhe Gedanken über den Gang der Dinge machen. Und zwar bevor Events à la GTI-Treffen zum Bumerang werden und Kärnten durch einen plötzlichen Umschlag der Entwicklung wirklichen Schaden erleidet, empfiehlt

Lupo

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