Standpunkt

Adler und Drohne

Print-Ausgabe 5. Mai 2017

Visionär und innovativ – so präsentiert sich alle zwei Jahre die Weltleitmesse INTERALPIN in Innsbruck, in deren Rahmen die Österreichische Seilbahntagung über die Bühne geht. Auch diese gibt sich visionär und innovativ, heuer in Form der Keynote von Andreas Gall, seines Zeichens Chief Innovation Officer von Red Bull Media.

Keine Angst. Das wird jetzt kein Erguss über Energydrinks, Tourismus 4.0 und Co. Ganz im Gegenteil. Das hat mit Bruno dem Adler zu tun. Der war zwar diesmal, – anders als beim Bayerischen Tourismustag im Dezember, wo er einen Live-Auftritt hatte –, nur via Leinwand zu Gast, doch der hochemotionalen Wirkung tat dies keinen Abbruch.

Die Vorgeschichte: Red Bull hatte Bruno im Vorjahr mit einer auf seinem Rücken montierten Kamera in die Lüfte steigen lassen – eine absolute Novität. Der dabei entstandene, auf der Seilbahntagung gezeigte Kurzfilm vom Flug mit Bruno, der den Betrachter à la Nils Holgersson durch die hochalpine Bergwelt trug, ist ebenso grandios wie einzigartig. „Uns sind die Tränen heruntergeronnen“, gestand Digitalisierung-Guru Andreas Gall den ZuseherInnen ein.

Der Mensch wäre nicht Mensch, würde er sich damit zufrieden geben. Und Andreas Gall wäre längst nicht mehr Chief Innovation Officer bei Red Bull, hätte er dem Bruno-Experiment nicht noch eins draufgesetzt und zwar in Form einer 360-Grad-Kamera! Digitalisierung vom Feinsten, einfach state-of-the-art.

Ergebnis? Ernüchternd. Vielleicht nicht für Digitalisierungs-Freaks, aber für Normal-Zeitgenossen. Und scheinbar auch für Bruno: Der erhob sich nicht mehr wie zuvor hoch in die Lüfte, sondern absolvierte – offenbar unter dem drückenden Gewicht der deutlich schwereren 360-Grad-Kamera – einen lustlos anmutenden Tiefflug, der mit einer nicht näher kommentierten Bauchlandung Brunos endete.

Andreas Gall kommentierte die in der Tat beeindruckenden 360-Grad Schwenks auf Brunos Rücken voll Begeisterung. Doch Tränen waren ihm und dem Kamera-Team angesichts der 360-Grad Bilder nicht mehr herunter geronnen. Auch das Publikum zeigte sich wenig beeindruckt. Der hochemotionale Eindruck, den Brunos Flug mit gewöhnlicher Kamera vermittelt hatte, flachte im 360-Grad Modus, so kurios es auch klingen mag, ins Banale ab. Eine schnöde Drohne hätte es auch getan.

Woraus sich eine der wichtigsten Erkenntnisse der Digitalisierungs-Revolution ableiten lässt: Digitalisierung darf nicht Selbstzweck werden (nach dem Motto: seht her, was alles möglich ist), sondern muss Vehikel bleiben, das Alltag und Kommunikation ebenso erleichtert, wie bereichert.

Zu viel Salz macht eine Suppe ungenießbar. Zu viel Digitalisierung tötet ab, was uns Menschen (und damit potentiellen Gästen) wichtig ist: Emotionalität. Adler Bruno hat dies mit den beiden Filmversionen in überzeugender Weise verdeutlicht, freut sich feststellen zu dürfen

Lupo

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