ANA
Rottenbergs Roadbook

Fledermausgleichnis

Print-Ausgabe 11. Jänner 2018

Wie zählt man Fledermäuse bei der Jagd? Lachen Sie nicht: Die Frage ist weder simpel noch irrelevant. Für Fledermausforscher ist es wichtig, zu wissen, wie viele Tiere einer Population wann wo jagen: Um sie in Aktion zu zählen, muss man sie aber außerhalb der Schlafhöhle einfangen. Mit Netzen. Blöderweise orientieren sich Fledermäuse aber per Sonar. Ein Netz umfliegen sie.

Allerdings nur, wenn das Sonar auch an ist. Doch weil Fledermäuse den Weg vom Schlaf- zum Jagdplatz auswendig kennen, fliegen sie „blind“: Das ist die Chance der Fledermausforscher.

Menschen sind Fledermäusen nicht unähnlich. Nicht nur, weil wir daheim in der Nacht meist auch ohne Licht zu Klo und Kühlschrank finden, sondern auch als Reisende: Wo wir uns auskennen, reisen wir blind. In Bus oder Bahn, im Auto oder zu Fuß: Wir wollen nur rasch von A nach B. Wie jeden Tag. Wenn vor uns einer mit Karte und Kamera anhält, ist er nur eines: Im Weg. Er stört, weil er steht, wo wir wollen, dass es weitergeht.

Doch er steht, weil er schaut. Bewundert. Staunt. Schätzt. Weil er sieht, wofür er von weither kam: Etwas Besonderes. Etwas Schönes. Etwas Einzigartiges.

Etwas, das wir gar nicht wahr nehmen. Weil wir Fledermäuse sind – und im Alltag, daheim, „blind“ reisen. Das ist zwar ganz normal. Aber doch auch noch etwas Anderes: Ziemlich schade nämlich.

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