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Pichlers Gipfel-Blicke

Winter ohne Schnee? Die falsche Diskussion!

Print-Ausgabe 21. April 2017

Die polarisierende Diskussion zur Schneesituation droht den Blick darauf zu verstellen, was den alpinen Wintertourismus in Zukunft prägt. Nahezu durchgängige Schneelosigkeit ist in Ostösterreichs Ballungsräumen ebenso Realität, wie in der Heimat eines Großteils unserer internationalen Skiurlaubsgäste. Gleichzeitig sind die Pistenverhältnisse in den allermeisten heimischen Skigebieten hervorragend und die Zufriedenheit der Skifahrer ausgezeichnet. Jeder Insider weiß – ohne Maschinenschnee ist der heutige Skibetrieb undenkbar. Weite und robuste Pistenteppiche sind nur dank Beschneiung und Co. machbar. Üppiger Naturschnee stillt zwar die Sehnsucht nach Schnee-Idylle. Gleichzeitig häufen sich, nachdem frischer Schnee gefallen ist, die Klagen über die Pistenqualität. Den Gästen erscheinen die Pisten dann ab dem mittleren Vormittag als „unpräpariert“.

Die immer wieder diskutierte Frage zu den Zukunftsperspektiven des alpinen Skitourismus vor dem Hintergrund, dass es doch schon bald gar keinen Schnee mehr geben würde, ist ebenso populistisch wie provozierend. Gleichzeitig lenkt die Diskussion den Blick weg von den zukünftigen Wünschen und Vorlieben der Wintergäste. Tourismus-Österreich täte gut daran, seine Kraft in die Zukunftsfähigkeit des winterlichen Ferientourismus im Land zu investieren, statt sich in Schneediskussionen zu verlieren. Wer viel Energie dem Thema „Wird es in Zukunft überhaupt noch Schnee geben?“ widmet, gibt Antworten auf die falschen Fragen. Die Zukunft des Winter-Ferientourismus hängt nur zu einem Teil mit dem Thema Naturschnee zusammen.

Zweierlei erscheint zentral, wenn es um die Zukunft des alpinen Wintertourismus geht:

I. Kurzfristig klug agieren - sehr flexibel je nach Schneesituation

Kurzfristig ist es mehr denn je wichtig, geschickt und flexibel mit den offenbar weniger verlässlich vom Himmel fallenden Naturschneemengen umzugehen und dabei möglichst nah am Puls der Gästewünsche zu sein.

Der Frage, wie unmittelbar mit dem „Winter ohne Schnee“ umzugehen sei, widmete sich Kohl & Partner während eines von Destinationsexperten Gernot Memmer geleiteten Seminars Anfang April. Der österreichische Wintertourismus ist, so Memmer, mit 68 Mio. Nächtigungen (Winter 2015/16) eine Erfolgsgeschichte mit weiterem Wachstumspotenzial. Binnen 15 Jahren wurden die Winternächtigungen von 57 auf 68 Mio. gesteigert. Und Skifahren sei die absolute Nr. 1 Aktivität der Winterurlauber, allerdings nur noch 4 Stunden pro Tag. Zusätzlich sehnen sich die Gäste nach ergänzenden Angeboten abseits des Skifahrens.

Berater Gernot Memmer fasst die Kohl & Partner Einschätzungen, wie mit Winter ohne Schnee-Szenarien umzugehen ist, zu drei Kernaussagen zusammen:

1. Skifahren ist und bleibt das Buchungsargument Nr. 1. Deshalb muss jede Destination auch bei fehlendem Naturschnee sicherstellen, zumindest ein attraktives, beschneites Skigebiet zur Verfügung zu haben.

2. Jede Destination benötigt zusätzliche Angebote, die ergänzend zum Skifahren entwickelt werden. Das sollten je nach Wetter- und Schneelage sehr flexibel anbietbare Standbeine sein. Ein Teil davon findet im Schnee statt – Sportliches wie Langlaufen, Schneeschuhwandern oder Skitourengehen bzw. Gemütliches wie Pferdeschlittenfahrten. Genauso wichtig sind Angebote, die unabhängig vom Schnee gut möglich sind. Es sind dies vielfach Herbst-Aktivitäten, die in den Winter hinein ausgedehnt werden, beispielsweise Mountainbiken oder Wandern. Zusätzlich zu etablieren sind wetterunabhängige Infrastruktur-Angebote und Genuss-Schwerpunkte, beispielsweise kulinarische Wanderungen.

3. Die Kommunikation und insbesondere die Bildsprache sind so zu gestalten, dass nicht ausschließlich mit prachtvoller Winteridylle Urlaubssehnsucht erzeugt wird. Das baut beim Gast eine Erwartungshaltung auf, die oft nicht erfüllbar ist. Hier ist es ratsam, die beiden möglichen Szenarien – „mit“ & „ohne“ Schnee – nebeneinander einladend darzustellen. Entscheidend dabei: Die Sehnsucht der Gäste nach Sonne ist im Winter besonders groß. Entsprechend soll „Sonnengenuss“ ein tragender Aspekt der Winter-Kommunikation sein.

II. Strategisches Vorausahnen der zukünftigen Wünsche und Bedürfnisse der Wintergäste

Strategisch gesehen ist systematisch auf die sich beständig ändernden Wünsche und Bedürfnisse der Winter-Feriengäste einzugehen. Fest steht, die Bedürfnisse und das Verhalten der Wintergäste ändern sich, ob es Naturschnee gibt oder nicht. Für Zukunftsangebote gilt es, die Gästewünsche vorausahnend weiterzuentwickeln, um mittel- und langfristig vorne mit dabei zu sein.

Die Frage „Quo vadis - Alpiner Wintertourismus in Österreich“ sollte die Grundlage eines 20 bis 30 Jahre in die Zukunft blickenden Masterplans sein. An diesem Masterplan, der alle zwei Jahre zu aktualisieren ist, sollten alle relevanten Institutionen – Wirtschaftskammer, Österreich Werbung, Wirtschaftsministerium ebenso mitarbeiten, wie führende Praktiker und Querdenker. Eine Schlüsselrolle kommt dabei der Seilbahnwirtschaft zu. Sie zeigt beim Bergsommer bereits seit 2001, was dank klug-professioneller Angebotsgestaltung möglich ist. Österreichs Bergbahner haben die Kraft und das Potenzial, als universelle Winter-Bergerlebnisanbieter groß und visionär zu denken. Was beim Sommer binnen 15 Jahren möglich war, muss auch beim Winter binnen der nächsten ein bis zwei Jahrzehnte zum Wohl der Seilbahnwirtschaft und der ganzen Tourismuswirtschaft gelingen.

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