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Keine Chance für Raubritter in der Wachau

Print-Ausgabe 10. August 2018

Die romantische Idee, die Tradition jener Raubritter wieder zu beleben, die in der Wachau Ketten über die Donau spannten und Schiffe nur passieren ließen, wenn eine Maut gezahlt wurde, überlebte nur wenige Tage: Mit einer in der Politik eher seltenen Spontaneität erklärte Niederösterreichs Tourismus-Landesrätin Petra Bohuslav, was sie dem Vorschlag für einer Art „Eintrittsgebühr“ in die Wachau abgewinnen könne: Genau gar nichts. Neben der Nächtigungstaxe und dem Interessentenbeitrag würde eine zusätzliche Abgabe vor allem die eigenen Landsleute treffen, die im Ausflugstourismus überwiegen. „Wir sind auch kein Freilichtmuseum und wollen uns auch nicht in diese Richtung entwickeln.“ Um die Lebensqualität der Einheimischen abzusichern, müssten die Besucherströme zu den problematischen Spitzenzeiten besser gemanagt werden.

Die Idee, eine Art „Touristen-Solidaritätsabgabe“ zur Finanzierung der Infrastruktur einzuführen, hinterließ der scheidende Bürgermeister der Stadt Melk, Thomas Widrich: „Es kann nicht sein, dass die Gemeinden investieren müssen und die Betriebe und die Touristen nur profitieren“ meinte er. Der praktische Anlass: In Melk muss eine Brücke erneuert werden, über die alle drüber müssen, die per Schiff ankommen. Da würde man fürs Maut eintreiben ja nicht einmal eine Kette brauchen…

Schiefe Logik

Allein dieses komische Beispiel zeigt, dass in die Idee nicht viel Gehirnschmalz investiert wurde: Eine ganze Region ist ja nicht nur über eine einzige Brücke zugänglich. Trotz des unrealistischen Ansatzes waren auch andere Bürgermeister von der Eintrittsgeld-Idee angetan, insbesondere der Dürnsteiner Johann Schmidl, der die Situation in seiner 900 Seelen-Gemeinde als „kleinen Wahnsinn“ beschrieb: „An die 1.000 Gäste pilgern tagtäglich durch die engen Gassen“, erklärte er in einem Interview. „Auf’s Jahr hochgerechnet kommen bis zu einer Million Besucher zu uns.“ Aber vergraulen will die Gäste natürlich niemand. Der Tourismus-Stadtrat von Melk Peter Rath gibt Entwarnung: „Ich glaube nicht, dass 50 Cent Abgabe einen Touristen schmerzen.“ Abgesehen davon, dass 50 Cent pro Kopf kaum die Kassierkosten decken würden: Man geht also davon aus, dass die Touristen, um deren Vermehrung ja geworben wird, nicht weniger werden. Und was ist mit dem unerträglichen Zustand für die Einwohner, der ja der Anlass für die Aktion sin soll? Irgendwie hängt da die Logik ziemlich schief. Unterm Strich geht’s nur ums Kassieren.

Zunächst wurde von der Landesrätin eine Erhebung zur Klarstellung der Situation angeordnet: Wenn tatsächlich „tagtäglich an die 1.000 Gäste“ durch die Gassen vom Dürnstein und Melk  pilgern, sind 1.000 Tage notwendig, um die Zahl von einer Million Besuchern zu erreichen.

Trotz ihrer Kuriosität ist diese Sommerloch-Diskussion typisch für die Situation des von den Medien gehypten Themas „Overtourism“. Bis auf wenige Beispiele, wo zu viele Besucher tatsächlich die Existenzgrundlage des Tourismus gefährden, sind keine ernsthaften Aktivitäten zu einer echten Reduktion der Besuchermassen erkennbar. Bis diese tatsächlich zur Belastung werden, ist die wirtschaftliche Bedeutung so groß, dass auch verständliche Proteste wirkungslos bleiben. Das gilt auch für Venedig, dem Role Model des Overtourism: Der Bürgermeister muss sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die Ankündigungen von Drehkreuzen und Eintrittspreisen für den Markusplatz nur eine Form der Tourismuswerbung sind.

„Liebenswert für die Gäste, lebenswert für die Bewohner und profitabel für die Unternehmer“ – dieses Motto des WienTourismus für die Grenzen des Wachstums klingt blauäugig. Als Ziel, dem man so nahe wie möglich kommen sollte, ist es aber durchaus tauglich.

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