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Betriebsübergabe: Auch Hilfen im Rucksack

Print-Ausgabe 19. April 2019

Gut 80 Prozent der österreichischen Beherbergungsbetriebe sind familiengeführt, von ihnen stehen 67 Prozent in den nächsten Jahren vor der Übergabe an eine neue Generation. In 63 Prozent der Fälle wird die Weiterführung durch ein Familienmitglied angestrebt, 24 Prozent werden aufgelöst, acht Prozent verkauft und fünf Prozent verpachtet. Wenn mehr als die Hälfte einer wirtschaftlichen Leitbranche in kurzer Zeit eine so tiefgreifende Veränderung zu bewältigen hat, braucht es keine ausführliche Erläuterung, warum dies eine große Herausforderung darstellt. Die rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen sind kompliziert, ohne Expertenberatung kommt man nicht weit.

Um den Medienvertretern einen Einblick in diese Probleme zu geben, stand beim „Journalistenseminar“ der Bundessparte Tourismus vor allem das Thema Betriebsübergabe am Programm. Tourismusobfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher hatte Toni Kaiser als Experten beigezogen, seine Steuerberatungskanzlei ist auf die Zielgruppe „Bäcker, Metzger, Wirt“ spezialisiert: Fast ausschließlich Einzel­unternehmen bzw. Personengesellschaften, bei denen eine Betriebsübergabe besonders kompliziert ist. Besonders problembeladen ist die Überführung von Firmen- in Privatvermögen, vor allem bei Immobilien. Bereits steuerlich weitgehend auf einen geringen Buchwert abgeschriebene Grundstücke bzw. Gebäude haben durch Wertsteigerungen meist einen weit höheren Verkehrswert und die Differenz ist als Auflösung „stiller Reserven“ die Basis für die Besteuerung. Es gibt alle möglichen Freibeträge, dass etwa die stillen Reserven nicht versteuert werden müssen, wenn der Hauptwohnsitz im Betriebsgebäude untergebracht ist, muss man aber erst wissen. Ebenso, dass Verschenken oder Verkaufen die Steuersituation entscheidend verändern kann.

Neben der materiellen muss auch die persönliche Situation geklärt werden. Wann möchte sich der Übergeber zurückziehen? Gibt es einen geeigneten Nachfolger, der unter diesen Konditionen auch zur Übernahme bereit ist? „Selbstständig heißt, selbst ständig da zu sein“, meinte Toni Kaiser. Andere definieren diese Erfolgsvoraussetzungen als Bereitschaft zur Selbstausbeutung.

Familienbetriebe haben ihre bekannten strukturellen Probleme, vor allem die Kapitalschwäche: Mit 50 Betten lässt sich Qualität nur schwer finanzieren, schon gar nicht Einrichtungen etwa für Wellness oder Fitness. Bei Marketingaktivitäten sind sie auf die Destination angewiesen. Andererseits ist die von den Familienbetrieben geprägte Form der Gastlichkeit der USP des Urlaubslandes Österreich. Der internationale Trend geht – böse ausgedrückt – zu einem Ghettotourismus, der sich auf bestimmte Zentren konzentriert, die von Großformen („Ressorts“) erschlossen werden. Mit bester Qualität, aber austauschbar. Österreich könnte die Chance haben, eine Angebotsnische besetzt zu halten, in der diese Konkurrenz bald an Grenzen stößt.

Voraussetzung ist, dass die dafür nötige Infrastruktur erhalten wird, und das sind die Familienbetriebe. Im Tourismus-Masterplan wird nur allgemein ihre Erhaltung als „Rückgrat des heimischen Angebotes“ postuliert, ohne darauf einzugehen, wie man die dafür notwendigen Unternehmer im Moment der Betriebsübergabe bei der Stange halten könnte. Nocker-Schwarzenbacher führte als konkrete Wünsche eine Rückführung der unrealistischen Abschreibungssätze und großzügigere Fristen für die Erfüllung von Auflagen an, sie hoffe auf unternehmerfreundliche Regelungen im Zuge der bevorstehenden Steuerreform. Zu wünschen wäre, dass der Rucksack, der bei jeder Betriebsübernahme zu schultern ist, neben den Belastungen die notwendigen Überlebenshilfen enthält. Der Rucksack im Graben und auf die Bergtour gepfiffen ist kein Wunschbild.

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