ÖHT – Österreichische Hotel- und Tourismusbank

Raus aus der Krise – schnell umschalten in den Zukunftsmodus

Print-Ausgabe 6. November 2020

„Jetzt nicht die Zeit, um den Kopf in den Sand zu stecken“, so ÖHT-Generaldirektor Wolfgang Kleemann


 

Der bevorstehende Winter wird für die Hotellerie besonders herausfordernd – laut ÖHT-Chef Kleemann wird es ohne Aufstockung des Haftungsrahmens nicht gehen

Muss aufgrund der jüngsten Entwicklungen rund um die Corona-­Pandemie die Wintersaison 2020/21 abgeschrieben werden? Bilder, wie jene aus überfüllten Gletscherskigebieten, sind laut Wolfgang Kleemann, Generaldirektor der ÖHT (Österreichische Hotel- und Tourismus­bank), nicht gerade förderlich, um Buchungen anzukurbeln. Ganz zu schweigen von den anhaltenden internatio­nalen Reisewarnungen. Doch für Kleemann – in der Branche bestens bekannt und vernetzt – ist „jetzt nicht die Zeit, um den Kopf in den Sand zu stecken.“ Im Interview mit T.A.I. begründet er dies und stellt gleichzeitig klar, weshalb an der Aufstockung des Haftungsrahmens kein Weg vorbeiführt: Ohne sie würde der „Konjunkturlokomotive Tourismus“ bald der Dampf ausgehen.

T.A.I.: Wie ist aus Ihrer Sicht die Sommersaison 2020 verlaufen?

Kleemann: „Mit einem Wort: ‚Durchwachsen / Anders‘.“

T.A.I.: Inwiefern?

Kleemann: „Es macht schon Sinn, darüber nachzudenken, warum einige Unternehmen und Regio­nen viel besser durch die Krise gekommen sind als andere. Nur Lage und Standort sind es nämlich nicht, sondern es zeigen sich andere Erfolgsfaktoren – solche vor allem, die von Seiten der UnternehmerInnen beeinflussbar und lebbar sind.“

T.A.I.: Welche sind das?

Kleemann: „Der sorgfältige Umgang der Unternehmerfamilie mit dem Sicherheitsbedürfnis der Gäste und BesucherInnen, – hier waren und sind die MitarbeiterInnen der Betriebe besonders vor den Vorhang zu holen –, als auch die Rücksichtnahme auf spezielle Zielgruppen und deren Bedürfnis nach Abgeschiedenheit und Kontaktvermeidung. Dort, wo man in Regionen oder auch in einzelnen Betrieben immer schon auf die Bedürfnisse und Wünsche des einzelnen Gastes eingegangen ist, hat man heuer besonders punkten können. Und was sich auch gezeigt hat: Klein geht vor Groß. Unsere kleinen, individuellen Familienunternehmen haben den Tourismus auch unter erschwerten Bedingungen vorantreiben können.“

T.A.I.: Gab es nicht doch UnternehmerInnen, die lieber alles hingeschmissen hätten?

Kleemann: „Da hat unser schnelles Handeln geholfen. Wir entwickelten bereits Ende Februar, Anfang März ein Haftungsprodukt, das es Banken wesentlich erleichtert hat, Überbrückungsfinanzierungen an Betriebe zu gewähren, die behördlich schließen mussten und Geschäftseinbrüche verzeichneten. Wir waren damit gemeinsam mit dem BMLRT die erste Institution, die hier konkrete Hilfe anbieten konnte.“

T.A.I.: Das Haftungspaket erwies sich mit 100 Mio. Euro bald als zu klein …

Kleemann: „Ja, der verfügbare Haftungsrahmen hat sich rasch auf bis zu 1,625 Mrd. Euro erhöht und wir bieten hier mittlerweile auch verschiedene Haftungsmodelle an. Wir haben in kürzester Zeit über 7.800 Haftungen bearbeitet, bewilligen lassen und zugezählt. Noch dazu haben mehr als die Hälfte unserer Kunden um Stundung ihrer bestehenden Kredite für 2020 angesucht. Diesen Ansuchen sind wir selbstverständlich nachgekommen.“

T.A.I.: In einem früheren T.A.I.-Interview nahmen Sie den Begriff „Leichen fördern“ in den Mund. Was konkret meinten Sie damit?

Kleemann: „Persönlich habe ich es als falsch empfunden, dass man seitens der Förderrichtlinie versucht hat, jedem Unternehmen Zugang zur Überbrückungshaftung zu ermöglichen. Ich hätte hier durchaus eine differenziertere Vorgehensweise begrüßt. Am ‚Corona-Ende‘, – sofern es so etwas überhaupt geben wird –, wäre es äußerst hilfreich, die dann ganz sicher geringere touristische Nachfrage auf weniger Anbieter zu verteilen.“

T.A.I.: Die Corona-Krise wird erheblich länger dauern, als gedacht. Hat das Auswirkungen auf die Investitionsbereitschaft?

Kleemann: „Sie erlauben, dass ich dazu auf ein Zitat zurückgreife, das Willi Molterer anlässlich der Millstätter Wirtschaftsgespräche gebracht hat: ‚… wir müssen aus dem Krisenmodus rasch in einen strategischen Zukunftsmodus umschal-
ten ...‘. Um genau das geht’s uns auch: Wir brauchen jetzt einen positiven Blick nach vorne – das heißt aber auch, dass wir alles tun müssen, um die Tourismuswirtschaft in ihrer Investitionsbereitschaft zu unterstützen. Wir hatten 2019 unser Rekordjahr, was die Anzahl der Förderfälle und vor allem die Höhe der von uns geförderten Investitionen betrifft. Aber: In den ersten drei Quartalen 2020 liegen wir, – trotz der Covid-19 Krise, – von der Höhe der Investitionen schon mehr als 50 Mio. Euro über den Vorjahreswerten. Das ist deshalb so wichtig, weil wir wissen, dass 60 % der Investitionen, die ein Tourismusbetrieb tätigt, innerhalb von 60 km um den Investitionsstandort wertschöpfungswirksam werden. Die Investitionen, die unsere Branche setzt, sind also ein unverzichtbarer ‚Turbo‘ für die regionale Wirtschaft.“

T.A.I.: Das klingt alles sehr positiv. Aber wird der bestehende Haftungsrahmen in Anbetracht der rasant steigenden Infektionszahlen allein ausreichen, um durch den Winter zu kommen?

Kleemann: „Wir haben im letzten halben Jahr ungeheuer viele Mittel in die Krisenbewältigung gesteckt, um unsere Unternehmen zu stabilisieren. Und es stimmt: Es sind Kredite und Stundungen. Die Pflicht zur Zahlung ist nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Ich war immer überzeugt, dass der Haftungsrahmen unserer Unterstützungen reichen wird. Mittlerweile sehe ich das vorsichtiger. Und die kommende Wintersaison wird noch herausfordernder. Aber es tut sich gleichzeitig ein anderes Problem auf – Stichwort ‚strategischer Zukunftsmodus‘.“

T.A.I.: Was meinen Sie damit?

Kleemann: „Wir haben in der ÖHT unfassbar viele Corona-Haftungen vergeben – da ist es für mich völlig unverständlich, dass sich die Regierungsparteien jetzt nicht darauf verständigen können, uns weiteres Haftungsvolumen zur Investitionsförderung zu geben. Wir haben g’rad noch 40 Mio. Euro verfügbar – und dann ist’s finster bei Investitionen der Tourismuswirtschaft! Eines muss uns auch klar sein: So gut wie alle Unternehmen der Tourismus- und Freizeitwirtschaft werden aus der Covid-Phase mit einem verschlechterten Rating herauskommen, so gut wie alle werden mehr Schulden bei weniger Umsatz und Ertrag haben. Da werden die Kommerzbanken nicht unbedingt Schlange stehen, um denen Finanzierungen anzubieten. Derzeit kommt nahezu jede Kreditanfrage in Verbindung mit einem Haftungsantrag zu uns – ohne Aufstockung unseres Haftungsrahmens bleibt die ‚Konjunkturlokomotive Tourismus‘ ganz schnell im Bahnhof stehen.“

T.A.I.: Sind Haftungen das einzig probate Mittel in Zeiten der Krise?

Kleemann: „Haftungen sind ein wichtiger Teil der Strategie. Jetzt müssen wir jedoch auch auf Tourismus-Treiber setzen, um die Branche wieder anzukurbeln und uns auf die Zukunft zu fokussieren.“ 

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