ANA
T.A.I. Exklusiv-Interview

„Wäre Kitzbühel an der Börse, würde ich Kitzbühel-Aktien kaufen“

Print-Ausgabe 14. Februar 2020

Erlebte mit der Fleckalmbahn „neu“, die durch Neuerungen in Technik und Design Maßstäbe setzt, einen weiteren Höhepunkt: die seit Jahren bewährte Qualitäts-Partnerschaft von LEITNER ropeways (Martin Leitner, l.) und der Bergbahn AG Kitzbühel (Josef Burger, r.)


 

Zehn Jahre stand er an der Spitze der Bergbahn AG Kitzbühel, dem heute zweitgrößten Seilbahnunternehmen Österreichs: Josef Burger (67). Unter seiner Verantwortung wurde ein Investitionsprogramm in Höhe von nahezu einer Viertelmilliarde Euro mit 110 Einzelinvestitionen realisiert, kletterte der Umsatz um 48 Prozent auf 54,89 Mio. Euro (Geschäftsjahr 2017/2018), das Ergebnis vor Steuern um 165 Prozent auf 7,25 Mio. Euro, die Eigenkapitalquote um ein Sechstel auf 54 Prozent und der Cash Flow verdoppelte sich nahezu auf knapp 20 Mio. Euro. Auch international gilt die BBAG Kitzbühel als eines der erfolgreichsten Unternehmen in ihrem Bereich. Worauf das Erfolgsgeheimnis beruht, wie die Zukunft der Berg­bahnen angesichts von Klimawandel und Öko-Bewegung aussieht und welche Pläne er nach seinem Abschied Ende März für den nächsten Lebensabschnitt hat, darüber sprach T.A.I. mit Josef Burger.

T.A.I.: Wie war die Ausgangsbasis, als Sie 2008 die Bergbahn AG Kitzbühel übernommen haben?

Burger: „Die BBAG ist seit 2000 um 20 Prozent schwächer gewachsen, als der österreichische Seilbahnmarkt. Von 2008/09 bis 2017/18 sind wir dann bei den Beförderungserlösen um 80 Prozent besser gewachsen, als der Österreich-Durchschnitt. Seit 2008/09 haben wir jedes Jahr einen Rekord bei den Beförderungserlösen erzielt. Auch 2018/2019 lagen wir über dem Vorjahr und 2019/2020 werden wir – auch dank der neuen Fleckalmbahn (Anm.d.Red.: Es war mit 27,5 Mio. Euro die größte Einzel­investition in der Geschichte der BBAG) – das mit Abstand beste Ergebnis erwirtschaften. Wir haben satte zweistellige Zuwächse.“

T.A.I.: Was waren die entscheidenden Schritte dafür?

Burger: „Ich habe das Team über alles gestellt. Humankapital geht für mich vor Sachkapital. Und wir haben nach dem Motto ‚besser, nicht größer‘ die Kundennutzen-Optimierung über die Sachkosten-Minimierung gestellt. Es geht nicht darum, eine 8er Sesselbahn mit den niedrigsten Kosten zu bauen, sondern darum, was das Beste für die Kunden ist, mit Sitzheizung, ergonomisch geformten Sitzen etc. Wir haben uns klar für Qualität und Leistung entschieden. Wir bauen deshalb auch für unsere Kunden breitere Pisten …“

T.A.I.: Breitere Pisten? Das verursacht mehr Treibstoff und Schneekanonen? Bleibt da nicht die Ökologie auf der Strecke?

Burger: „Nein. Weil wir parallel dazu ein modernes Schneemanagement-System installiert haben. Das spart ca. 7 Prozent Schneeproduktion pro Jahr, benötigt weniger Energie und Wasser. Gleichzeitig erreichen wir durch die gleichmäßigere Verteilung eine bessere Pistenqualität. Wir spielen ein digitalisiertes Landschaftsmodell als Referenzmodell in unsere Pistenmaschinen ein – das ist wie im Flugzeug der Unterschied zwischen Sicht- und Instrumentenflug. Durch GPS wird die Pistenmaschine so genau positioniert, dass wir auf 2 cm genau wissen, wie viel Schnee unter ihr ist. Und es ist ein Sicherheitsfaktor für unsere Fahrer, die auch bei Nebel und dichtem Schneefall immer wissen, wo die Pistengrenze liegt. Mit unserem Pisten- und Schneemanagement sind wir wahrscheinlich heute im Alpenraum führend.“

T.A.I.: Welche Rolle spielen die Schneeerzeuger?

Burger: „Wir haben 1.130 in unserem Gebiet und können für jeden Schneeerzeuger genau die Wassermenge einprogrammieren, die notwendig ist, um die vorgegebene Schneemenge zu produzieren. Wenn die erreicht ist, schaltet das System ab. Das ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Qualität sowie Ökologie und Ökonomie. Beides gehört zusammen.“

T.A.I.: In wie fern?

Burger: „Ohne verlässliche Schneeauflage gibt es kein tragfähiges Geschäftsmodell für den Skisport. Er bringt Beschäftigung und Wertschöpfung. Wenn man sagt: ‚Wir möchten keine technische Beschneiung‘, dann muss man auch den Mut haben, offen zu sagen, dass wir im Alpenraum nicht mehr eine so hohe Beschäftigung und Wertschöpfung haben wollen.“

T.A.I.: Wie passt bei all dem der frühe Saisonstart auf der Resterhöhe hinein? Das weiße Schneeband auf olivgrünem Bergabhang hat ja für viel Diskussionsstoff gesorgt …

Burger: „Es gibt zwei Seiten der Medaille. Sachlich: wir haben das naturschutzrechtliche Verfahren unter Einbindung der Landes­umweltanwaltschaft Salzburg durchgeführt und unter bestimmten Auflagen die Erlaubnis erhalten, 15 Jahre hindurch – also bis 2034 – ein Schneedepot zu errichten. Unter anderem haben wir dafür ein Hochmoor im Ausmaß von 30.000 m² gerettet und erhalten. Der ökologische Fußabdruck ist ein sauberer. Wir übersommern und recyceln den Schnee vom letzten Winter mit wiederverwendbaren Isoliermatten. Im Vorjahr sind nur 13 Prozent abgeschmolzen und 30.000 m² Schnee übergeblieben, die wir nicht mehr produzieren mussten. Die Ersparnis an weniger Wasser und weniger Energie betrug ca. 120.000 Euro.“

T.A.I.: Und die andere Seite der Medaille?

Burger: „Das ist die emotionale. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, ob ein weißes Schneeband auf brauner Alm-Weide gut fürs Auge und den Beobachter ist. Als ich am 4. Februar durchs Brixental gefahren bin, habe ich ähnliche weiße Schneebänder gesehen. Die Frage lautet: ist das im Februar gut und im November schlecht? Und wie steht man zu Langlaufloipen, die im Tal aufgebracht werden? Ohne Zweifel besteht aber ein Optimierungspotential in der Form, dass man eine engere Kooperation mit der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) sucht, um den Startzeitpunkt zu optimieren. Ob sieben Tage früher oder später ist nicht entscheidend. Aber Frühstart heißt, dass man Ende Oktober starten muss, damit man attraktive Trainings- und Skibedingungen anbieten kann. Wir hatten heuer vom Start bis Ende November über 140.000 Beförderungen am Resterkogel, so viel wie noch nie und auch die Internationalität war so hoch wie noch nie.“

T.A.I.: Was kann eine Bergbahn tun, um ihre Öko-Bilanz zu verbessern?

Burger: „Ein Erfolgsfaktor für Kitzbühel ist die absolute Fokussierung auf die Beschnei-Schlagkraft. Wir haben damit nachhaltig Schneesicherheit und Qualität sichergestellt. Wir haben mehrere Speicherseen gebaut, in denen wir Schmelzwasser sammeln und den Rest limitiert und kontrolliert den Fließwässern entnehmen. Wir haben die Anzahl der Schneeerzeuger verdreifacht, gleichzeitig aber die Zielhierarchie geändert: es geht nicht darum, mehr Schnee zu erzeugen, sondern ihn schneller zu erzeugen. Früher galt: so viel als möglich. Jetzt gilt: so schnell wie möglich, so wenig wie möglich und nur so viel, wie erforderlich. Die neuste Generation der Scheeerzeuger produziert 40 Prozent mehr Schnee bei gleicher Energie. Wir beschneien durch unser Schneemanagement weniger und das in kürzerer Zeit.“

T.A.I.: Ist das nicht alles ein Kampf mit dem Rücken zur Wand? Wird es in 10 Jahren noch Wintersport am Berg in der heutigen Form geben?

Burger: „Ja. Ich gehe davon aus, dass der Wintersport sein hohes Niveau halten wird. Skilauf bis hinunter auf 1.450 Meter wird bis 2050 laut einer ZAMG-Studie vom Frühjahr 2019 mit annähernd gleichem Aufwand möglich sein, unter 1.300 Metern nur mit spürbar höherem technischen Aufwand. Wir liegen in Kitzbühel damit optimal. Höher liegende Skigebiete hingegen werden nach meiner Einschätzung größere Probleme haben: Durch Permafrost, die Gletscher werden nicht mehr und für die Schneeproduktion muss man Wasser weit hinaufpumpen.“

T.A.I.: Haben große Skigebiete bessere Chancen, als kleine oder mittelgroße?

Burger: „Die Zukunft liegt nicht im Größenwachstum, sondern in der Verbesserung des Bestehenden. Es geht um Konzentrations-Strategie – also um das In-sich-besser-werden – und nicht um Expansionsstrategie. Für Kitzbühel bestehen unter diesen Rahmenbedingungen sehr, sehr gute Zukunftschancen. Wäre Kitzbühel an der Börse, würde ich mir Kitzbühel-Aktien kaufen. Für jene, die keine klare Strategie haben, sehe ich keine Zukunft. Überleben können und werden aber auch kleine ‚Bürgermeisterlifte‘. Die müssen gestützt werden. Das machen wir auch, in Aschau, in Reith und auf dem Pass-Thurn. Wir müssen darauf schauen, dass wir Nahversorger sein können.“

T.A.I.: Wo bleiben die Mittelgroßen?

Burger: „Für isolierte Mittelgroße wird’s extrem schwierig, auch von der Qualitätsanforderung her. Der Kunde wird immer anspruchsvoller. Die Pistenmaschinen werden immer besser, die Schneeerzeuger energiesparender, aber beides immer teurer. Ein Beispiel für einen Mittelgroßen, bei dem es aber toll funktioniert, ist die Steinplatte. Die leben und lieben ihr Skigebiet, haben die Qualität verbessert, sind aber immer in ihrer Größe geblieben. Die haben Zukunft.“

T.A.I.: Wie sieht Ihre persönliche Zukunft aus?

Burger: „Ich bin nach wie vor an Tourismus, Luftfahrt und Seilbahnen interessiert, weil es mein Hobby ist, so wie Skifahren, Berggehen, Laufen, Lesen und Familie. Auch Golf möchte ich jetzt spielen lernen. Und ich bleibe Aufsichtsratsvorsitzender des Kitzbühel Tourismus. Das ist eine sehr ehrenvolle und verantwortungsvolle Aufgabe. Was ich nicht anstrebe, ist eine Karriere nach der Karriere. Ich werde mit der Branche und meinem Team verbunden bleiben, aber kein Coach sein, der von der Außenlinie hereinruft.“

Kurzportrait Josef Burger

Der gebürtige Brixentaler Josef Burger (Jahrgang 1952) schloss sein WU Wien-Studium mit dem Doktorat ab, startete seine berufliche Karriere in der Marktforschung bei Austrian Airlines und später beim Reiseveranstalter Meridian. 1982 übernahm Josef Burger bei Tyrolean Airways die Verantwortung für Streckenplanung, Tarifgestaltung, Vertrieb sowie Charter-Verkauf. Ende 2000 wurde er deren Chef. Von September 2001 bis Sommer 2007 gehörte Josef Burger als CCO (Chief Commercial Officer) dem Vorstand von Austrian Airlines an. Ab Herbst 2008 leitete Josef Burger als Alleinvorstand die Geschicke der Bergbahn AG Kitzbühel (seit Sommer vorigen Jahres als Vorsitzender des Vorstandes), die er zum Erfolgsunternehmen formte. Josef Burger ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen.

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