WienTourismus

„Visitor Economy Strategie“ gibt das Rekordwachstum als Ziel aus

Print-Ausgabe 31. Oktober 2019

V.l.: Helmut Gruber (Vizepräsident AK Wien), Norbert Kettner (Tourismusdirektor), Peter Hanke (Wirtschaftsstadtrat), Nadja Bernhard (Moderation), Joan Clos (ehem. Bürgermeister Barcelonas) und Markus Grießler (Spartenobmann für Tourismus und Freizeitwirtschaft der Wirtschaftskammer Wien)


 

Neuer Zugang sieht nicht die Maximierung der Nächtigungszahlen vor, sondern die Wertschöpfung – Ausstieg aus der ITB aufgrund anderer Präferenzen

Die direkte und indirekte Wertschöpfung des Tourismus in Wien soll bis 2025 um 50 Prozent von vier auf sechs Milliarden Euro steigen, der Netto-Nächtigungsumsatz der Beherbergungsbetriebe um zwei Drittel von 900 Mio. auf 1,5 Mrd. Euro. Das sieht die neue „Visitor Economy Strategie“ vor, die vergangene Woche vom WienTourismus im Haus des Meeres präsentiert wurde. Unterstützt wurde Tourismusdirektor Norbert Kettner von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und dem Präsidenten des Tourismusverbandes Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke.

Der offensichtlich unter dem Eindruck zunehmender Diskussionen über negative Erscheinungen des Tourismus angestrebte Paradigmenwechsel zur künftigen Entwicklungsstrategie wurde vom Bürgermeister mit der Abwandlung eines berühmten Kennedy-Zitates erläutert: Frage nicht, was die Stadt für den Tourismus tun kann, sondern was der Tourismus für Wien und seine Bewohner bewirken soll. Im Vordergrund steht der Mehrwert für die Stadt, deren Lebensqualität mit ihren Gästen geteilt wird. Hanke unterstrich, dass an der Entwicklung der neuen Strategie erstmalig nicht nur die Vertreter des Tourismusbereiches, sondern alle „Stakeholder“ beteiligt waren.

Entsprechend breit angelegt sind daher auch andere Ziel-Indikatoren: Auf Grund der hohen Erlebnisqualität empfehlen 9 von 10 Besuchern Wien als Reiseziel und ebenso hoch ist der Anteil jener Stadtbewohner, die davon überzeugt sind, dass der Tourismus gut für die Stadt ist. Dieser ungewöhnlich hohe Wert einer positiven Einstellung zum Tourismus bestätigt, dass „Overtourism“ aktuell (noch?) kein Problem ist, auch wenn es immer wieder Befragungen gibt, bei denen eine Mehrheit der Meinung ist, es gebe schon genug Touristen in der Stadt. Es gibt kaum eine andere Frage, bei der das Ergebnis so stark davon abhängt, wann wer konkret was gefragt wird. Ziel ist jedenfalls, beide Werte zu erhalten.

Dem Pflichtthema Nachhaltigkeit ist das Ziel gewidmet, die Zahl der mit dem Umweltzeichen zertifizierten Tourismusbetriebe auf 224 zu verdoppeln und die Anreise speziell aus Nahmärkten mit umweltfreundlichen Verkehrsmitteln zu forcieren. Bis 2025 soll sich das Verhältnis jener 26 Prozent der Gäste, die mit dem Auto anreisen, mit den 21 Prozent der Bahnreisenden umdrehen. An den gut 50 Prozent der per Flugzeug anreisenden BesucherInnen wird sich wenig ändern: Im internationalen Tourismus gibt es keine echte Alternative, im Städtebereich hat er das höchste Wachstumspotential. Insbesondere der Kongresstourismus, in dem Wien eine Spitzenposition hält, soll weiter ausgebaut werden. Wien soll mit der Marke „Meeting Destination Vienna“ ein besonderes Profil erhalten.

Entsprechend dem Leitmotiv der neuen Strategie „Global. Smart. Premium“ wird das Wien-Angebot nicht im Luxussektor positioniert, sondern als Premiumangebot in allen Bereichen. „Wir bekennen uns zum Wachstum, aber nicht mit der Brechstange,“ beschreibt Norbert Kettner den neuen Zugang. Nicht eine Maximierung der Nächtigungszahlen sei das Ziel, sondern die Wertschöpfung am Standort. Der Massentourismus brauche nicht mehr Marketing, er verlange Organisation und Regulierung. Man werde sich daher auch weniger um Low Cost-Carrier bemühen: „19 Euro-Flugtarife sind weder wirtschaftlich, noch sozial nachhaltig“, meinte Kettner. Wo unerfreuliche Erscheinungen den Premium-Charakter belasten, werde der WienTourismus nötigenfalls die Rolle des „Spielverderbers“ übernehmen. Als Beispiele nannte Kettner die Ticketverkäufer im Mozartkostüm vor dem Stephansdom, die überall herumliegenden E-Scooter und die Pseudo-Oldtimer mit Elektroantrieb. „Wir wollen – und können – nichts verbieten, aber Regelungen anstreben, die für die angeführten Probleme bereits bevorstehen.“

Wien wird übrigens aus der Berliner ITB aussteigen: Sie wird künftig verstärkt auf den B2B-Bereich ausgerichtet und Wien hat, wie Kettner erklärte, dafür andere Präferenzen. Bei der Österreich Werbung wird noch überlegt, wie auf diese Entwicklung reagiert wird.

Keine andere Stadt hat Ziele so konkret definiert, wie Wien mit der neuen Visitor Economy Strategie. Präsident Hanke meinte, sie seien zwar ambitioniert, aber erreichbar: Mit einem durchschnittlichen Wachstum der Hotellerieumsätze von sieben Prozent sollte es gelingen, derzeit liegt es darüber. Kettner räumte ein, dass auch ein Scheitern durchaus denkbar wäre, aber „sich Ziele zu setzen, bei denen der Erfolg gesichert erscheint, wäre wohl nicht sehr sinnvoll.“ 

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Erstellt am: 31. Oktober 2019

Foto: © WienTourismus / Rainer Fehringer

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