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BÖTM Top-Seminar

„Gäste sind kein Klick-Vieh!“ Mehrfach-Aufruf zur digitalen Vernunft

Print-Ausgabe 17. November 2017

Kommt der Mensch, um den sich die Tourismusbranche in erster Linie kümmern sollte, angesichts des starken Fokus auf Digitalisierung, zu kurz? Dieser Frage ging der BÖTM (Bund Österreichischer Tourismusmanager) auf seinem diesjährigen Top-Seminar Zell am See-Kaprun unter dem Generalthema „Menschen im Tourismus; Wertvoll oder Werte-los?“ nach und traf damit ins Schwarze: die Themen Digitalisierung und Big Data sorgten für viel Diskussionsstoff unter den rund 70 TourismusmanagerInnen und ExpertInnen, die BÖTM-Präsident Josef Schirgi begrüßen konnte. Schirgi ist Geschäftsführer des TVB Serfaus Fiss Ladis, mit rund 2,47 Millionen Übernachtungen im Vorjahr der viertgrößte Tourismusverband Tirols.

„Die Digitalisierung verändert scheinbar alles, stellt alles infrage und alles auf den Kopf“, so Schirgi, wobei „Big Data“ eine nicht viel geringere Rolle spielt: „Daten sind die neue Leitwährung in der digitalisierten Welt.“ Doch wie kann es gelingen, den Spagat zwischen virtuellen Möglichkeiten und realen Urlaubsgästen zu meistern? Denn, so der BÖTM-Präsident, „neben all den Hypes und Trends dürfen die menschlichen Bedürfnisse und die ständige Verbesserung der Angebote nicht zu kurz kommen.“

Noch nachdrücklicher brachte dies derMedia-Experte Thomas Koch (Beratungsunternehmen „tk:one“ sowie Kolumnist in den Magazinen „Wirtschaftswoche“ und „Werben & Verkaufen“) auf den Punkt: „Gäste wollen nicht wie Klick-Vieh behandelt werden.“

Onlineplattformen und digitale Medien böten viele Möglichkeiten, aber es wäre ein Fehler, sein ganzes Augenmerk nur noch auf die digitalen Plattformen zu legen. Thomas Koch verdeutlichte dies mit einem plastischen Vergleich: „Es gibt 600 Millionen Adblocker Weltweit. Die Wahrscheinlichkeit von einem Blitz getroffen zu werden ist dadurch höher, als auf eine online Bannerwerbung zu klicken.“

Koch sieht Onlinewerbung nicht nur deshalb „als Erweiterung der bestehenden Kommunikation, nicht als Ersatz.“ Je komplexer die Reise wird, umso mehr wenden sich Gäste an herkömmliche Reiseanbieter: „Der Mensch ist ein soziales Wesen, daran ändert auch Facebook nichts.“

Ähnlich sieht es Christoph Engl. Der frühere Direktor der Südtirol Marketing Gesellschaft (SMG), ist seit vier Jahren Geschäftsführer des Markenstrategieberatungs-Unternehmens BrandTrust. Engl: „Touristiker müssen sich die Frage stellen, für wen ihre Produkte relevant sind und nicht wie oft diese geklickt werden.“ Destinationen dürfen sich nicht „in ihrer Vielfalt verirren, sondern ihre Spitzenleistungen bündeln.“

Zukunftsforscher Matthias Horx („der Trend zur Digitalisierung überschätzt“) warnt davor, „den Gast zu verdigitalisieren. Menschen haben keine Lust, als Datenpakete behandelt zu werden.“ Tourismus werde immer ein „Mensch-zu-Mensch-Empfehlungsgeschäft“ bleiben. Hotels und Gastronomie bekommen wieder die Bedeutung der Begegnung und Selbsterfahrung.

Unbestritten bleibt, dass die Digitalisierung enorme Chancen für die Branche bietet. „Viele Destinationen beschäftigen sich bereits intensiv mit den Themen Big Data und den neuen Technologien. Wohin die Reise geht, wird die Zukunft zeigen“, so Schirgi abschließend. 

Der BÖTM in Stichworten

Der Bund Österreichischer Tourismus Manager (BÖTM) ist Plattform für Weiterbildung sowie Wissens- und Erfahrungsaustausch der Österreichischen Tourismusmanager. In fünf Bundesländern gibt es eigene BÖTM-Landesgruppen. Als Landesgruppenobfrau in Vorarlberg fungiert Monika Albrecht (Au-Schoppernau Tourismus), Landesgruppenobmann in Tirol ist Martin Tschoner (TVB Achensee), in Salzburg Stefan Passrugger (TVB Wagrain-Kleinarl), in Oberösterreich Andreas Murray (Ferienregion Traunsee) und in Niederösterreich Andreas Purt (Mostviertel Tourismus).

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Erstellt am: 17. November 2017

Bild, v. l.: Markus Kofler (Geschäftsführer TVB Alpbachtal Seenland), Media-Experte Thomas Koch, Renate Ecker (Geschäftsführerin TVB Zell am See-Kaprun), Marketing-Experte Christoph Engl und BÖTM-Präsident Josef Schirgi (TVB Serfaus-Fiss-Ladis)

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