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Interview Petra Stolba

„Es geht um Tourismus, der mit und nicht von den Regionen lebt!“

Print-Ausgabe 17. Juli 2020

Bild: © ÖW/Jungwirth

Jahrelang wurde für die Österreich Werbung (ÖW) eine Budgeterhöhung gefordert. Jetzt erhält sie rund um Corona ein Zusatzbudget im Ausmaß von 40 Mio. Euro – das Eineinviertelfache jener Mittel, die ihr üblicherweise pro Jahr zur Verfügung stehen. Von wem diese 40 Mio. Euro stammen, ab wann sie in welche Aktivitäten fließen, ob die aktuelle Inlandskampagne bereits ein Teil davon ist und wie es mit einer generellen Budget-Erhöhung aussieht, darum ging es in einem Interview mit ÖW-Geschäftsführerin Petra Stolba. Sie gab bei dieser Gelegenheit auch eine Einschätzung über die laufende Sommersaison, den bevorstehenden Winter sowie die Kernfrage, mit welcher Art des Tourismus Österreich aus der aktuellen Krise herauskommen sollte.

T.A.I.: Der ÖW wurden 40 Mio. Euro an Zusatzbudget zugesichert. Wofür und für welchen Zeitraum? 

Stolba: „Wir befinden uns in einer völligen Ausnahmesituation und es muss natürlich in Kommunikationsleistungen investiert werden, um das Hochfahren des Tourismus auch nachfrageseitig bestmöglich zu unterstützen. Dafür erhält der Tourismusstandort Österreich 40 Mio. Euro, die von Seiten der ÖW gezielt in jenen Ländern eingesetzt werden, wo wir schon hohes Potenzial an Urlaub in Österreich sehen.“ 

T.A.I.: Das kann also jetzt sein oder z. B. erst in drei Jahren? 

Stolba: „Entscheidend ist, was aus gesundheitlicher Perspektive möglich, auf Nachfrageseite sinnvoll und für den Standort wichtig ist. Aktuell werben wir massiv im Inland, in Deutschland, den Niederlanden, Tschechien und der Schweiz. Wir sind außerdem intensiv mit den Vorbereitungen für den Winter beschäftigt. Auch das Thema Tagungsland Österreich beschäftigt uns, genauso wie das Thema internationale Sicherheit – Themenstellungen, die aktuell wichtig sind und uns langfristig helfen, Österreich als verantwortungsvolles Gastgeberland zu positionieren. Es geht nicht um einen bereits heute durchgetakteten Drei-Jahres-Plan, sondern um das offensive, punktgenaue Nutzen von Chancen.“ 

T.A.I.: Sie verglichen vorige Woche beim „Convention Talk“ zum Auftakt der „Convention4u virtual edition“ die aktuelle Lage im Tourismus mit einer Bergfahrt … 

Stolba: „Ja. Der Tourismus ist seit 20 Jahren bis auf 2009 immer gewachsen und war eine sichere Bank. Jetzt befinden wir uns mitten in der Wertung einer Bergrally und wissen nicht, was uns hinter der nächsten Ecke erwartet. Das ist vor allem für Betriebe sehr schwierig.“ 

T.A.I.: Von wem kommen die 40 Millionen Euro Zusatzbudget?

Stolba: „Das Zusatzbudget wurde von Seiten der österreichischen Bundesregierung gestellt, als Teil der umfassenden COVID-19-Unterstützungsleistungen für den Tourismus.“ 

T.A.I.: Die im Juni gestartete Inlandskampagne zusammen mit den LTOs hat also nichts mit dem Zusatzbudget zu tun? 

Stolba: „Wir haben bereits während des Lockdowns mit den Vorbereitungen begonnen, weil wir für den Tag X, an dem Urlaub wieder möglich ist, startklar sein wollten. Der heimische Markt war da als erste Möglichkeit essentiell. Zu diesem Zeitpunkt mussten wir auch international unsere Werbemaßnahmen völlig neu denken. Natürlich hieß das auch budgetär umzuschichten. Mit dem Zusatzbudget konnten wir in weiterer Folge aufstocken und Kampagnen auch in weiteren Ländern wie Deutschland, die Niederlande, Schweiz, Tschechien etc. hochfahren. Unsere KPIs zeigen heute, dass die Kampagnen in allen Ländern höchst erfolgreich laufen.“

T.A.I.: Wie sieht es mit einer generellen Erhöhung des ÖW-­Budgets aus?

Stolba: „Die ÖW und alle Kolleg­Innen haben das Ziel, Nutzen für die österreichische Tourismusbranche zu stiften. Unsere Kernkompetenzen liegen in der weltweiten Kommunikation und in der Innovation. Wie wichtig so ein international aufgestelltes Netzwerk im Tourismus ist, zeigt sich gerade in einer globalen Krisensituation wie dieser. Eine starke, zukunftsorientierte ÖW ist daher auch das Ziel unserer Vereinsmitglieder. Dahingehend laufen die Gespräche über die künftige budgetäre Ausstattung der ÖW sehr konstruktiv.“ 

T.A.I.: Es ist ja nicht so, dass wenn oben mehr Geld hineingeworfen wird, unten mehr Gäste herauskommen. Worin liegt denn der Nutzen der ÖW? 

Stolba: „Das ist der Grund für die vielen neuen Ideen: Wir haben viele neue Nutzenfelder entwickelt, z. B. in der Kommunikation. Wir werden noch mehr in direkten Kontakt mit den KundInnen treten, mit Content-­Marketing und mit Community-­Management. 

Ein weiteres Bespiel ist die Innovation. Die Frage ist: Wer bringt Innovation im Tourismus ein? Die Betriebe sind mit ihrer täglichen Arbeit ausgelastet. Es gibt aber keinen ‚Think Tank‘ im österreichischen Tourismus. Diesen Platz wollen wir abdecken. Das betrifft einerseits die Digitalisierung, anderseits die Produktentwicklung. Wie muss das Urlaubs-Erlebnis in Zukunft designt und gestaltet werden? Die große Frage wird also sein: Mit welcher Art des Tourismus wollen wir aus dieser Krise herauskommen?“ 

T.A.I.: Was schwebt Ihnen da vor? 

Stolba: „Es geht darum – wenn man den ‚Plan T‘ als Grundlage nimmt – dass wir zu einem verantwortungsvollen Tourismus kommen wollen. Ein Tourismus, der mit und nicht von den Regionen lebt. Es geht um Nachhaltigkeit auf allen Ebenen, auf der ökologischen, der ökonomischen und der sozialen. Das ist eine Haltungsfrage. Die Themen Sicherheit und Nachhaltigkeit werden wichtiger. Das Thema Sicherheit spielt, wie unsere aktuelle Umfrage ergeben hat, vor allem auch bei Jüngeren eine große Rolle. Das hat mich überrascht.“ 

T.A.I.: Zurück zur Gegenwart: Wie schätzen Sie die Entwicklung der Sommersaison 2020 ein? 

Stolba: „Der Sommer wird durchwachsen. Es gibt Regionen, die die Möglichkeit haben, durch Inland und Nahmärkte gute Auslastungen erzielen zu können. Und es gibt welche, die es schwer haben, vor allem der Städtetourismus. Der Sommer wird also im Vergleich zu den Vorjahren in Summe deutlich negativ abschließen, mit großen regionalen Unterschieden.“ 

T.A.I.: Der Winter wird besser? 

Stolba: „Das hängt stark von den Entwicklungen im gesundheitlichen Bereich ab. Hoffen wir, dass es zu keiner zweiten Welle kommt. Wir müssen aber davon ausgehen, dass eine verhaltene Urlaubs­stimmung herrscht.“ 

T.A.I.: Worin sehen Sie derzeit die größte Schwierigkeit? 

Stolba: „Die ganze Welt musste sich in Lichtgeschwindigkeit umstellen. Das betrifft den Gast genauso wie den Betrieb, eine Region und uns. Gleichzeitig entsteht rasch viel Innovation. Gerade im Tourismus. Die Folgen von Corona werden uns noch lange beschäftigen. Es liegt an uns allen, damit umzugehen.“ 

T.A.I.: Wann rechnen Sie mit einer nachhaltigen Erholung? 

Stolba: „Wir geben keine Prognosen ab. Man kann nicht vorhersagen, was da kommt.“ 

T.A.I.: Gibt es irgendwelche positiven Erkenntnisse aus der Krise? 

Stolba: „Ja. Was die Krise wirklich gezeigt hat, ist, wie Zusammenarbeit viel schneller und effizienter funktioniert, sowohl mit unseren Außenstellen, als auch innerhalb der Branche. Es ist dieses Zusammenwachsen, das ich gerne aus der Krise heraus mitnehmen würde!“  

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