Destination Management Organisations (DMOs)

Ende der regionalen Flohhaufen! Keine DMO unter 1 Million Nächte

Print-Ausgabe 27. Jänner 2017

Beim ÖHV-Kongress lieferten Unternehmensberater Manfred Kohl und Zell am See-Kaprun Chefin Renate Ecker zahlreiche kritische Denkanstöße

Sie seien ineffizient, arbeiten an den Betrieben vorbei und würden die Betten nicht verkaufen. So fasste Berater Manfred Kohl (Kohl & Partner, Villach) im Rahmen seines Vortrages „Die Destination Management Organisation (DMO) der Zukunft und ihre Bedeutung für die Hotellerie“ am Schlusstag des ÖHV-Kongresses 2017 Mitte Jänner in Bad Ischl jene Vorwürfe zusammen, mit denen Tourismusmanager alltäglich konfrontiert würden. Ihm zur Seite bestätigte die Geschäftsführerin von Zell am See-Kaprun Tourismus, Renate Ecker, vom Podium: Selbst eine Erfolgsgeschichte mit 55 Prozent Sommerplus, das ihr an Nächtigungen in sechs Jahren am Zeller See gelang (T.A.I. berichtete darüber), könne vor derartigen Vorwürfen nicht immer schützen. Auch weil sich die Aufgaben der LeiterInnen von Destination Management Organisationen (DMOs) in einem raschen Wandel befinden. So habe Renate Ecker neben der professionellen Bearbeitung von 25 Märkten und Webauftritten in 27 Sprachen immer neue Aufgaben abseits des reinen Marketings zu leisten.

Vor dem Hintergrund dieser Veränderung stellt sich für Manfred Kohl die Frage, ob in vielen Fällen überhaupt von DMOs gesprochen werden kann: „Selbst kleine DMOs sollten schon über eine Million Nächtigungen erzielen“, nennt er eine Kennzahl. Große DMOs beginnen bei drei Millionen Übernachtungen (Anm. d. Red.: In Österreich schaffen dies nur der WienTourismus und der Ötztal Tourismus), womit selbst Zell am See-Kaprun mit 2,56 Millionen Gästenächten noch nicht dazu zählt. „Im Osten Österreichs gibt es weiterhin Verbände, deren Budgets bestenfalls die Personalkosten decken“, verweist Kohl auf deren Sinnlosigkeit: „Entgegen mancher Ansicht ist Österreichs Tourismus nicht konzernmäßig strukturiert, sondern ein Flohhaufen.“

Neben der Größe sei aber die Involvierung der stärksten Leistungsträger für die Effizienz notwendig. Ebenso wie die ÖHV-Führung, die ihre Mitglieder zu verstärktem Engagement in regionalen und lokalen politischen Gremien auffordert, sieht Manfred Kohl aber besonders bei den jüngeren Hoteliers reduzierte Lust, Funktionär zu sein: „Oft sind sie perfekt ausgebildet, verschwinden aber hinter ihren Bild<schirmen.“ Das würde nicht nur zur Überalterung in den regionalen Tourismus-Gremien führen, auch die Tourismusgesinnung im Ort leide darunter.

Geringes Engagement von Jüngeren in den Organisationen führe aber auch zu falschen Einstellungskriterien für DM0s. Gesucht würden oft klassische Marketingprofis. Dabei sei die Rolle schon eine gänzlich andere, wie Renate Ecker skizzierte. Im Marketing seien z. B. Videos in 4k-Qualität, 360-Grad-Streams oder Instagram-Stories von Zell am See-Tourismus abgedeckte neue Spielfelder. Hohe Aufmerksamkeit gilt dabei der strategischen Ausrichtung und, damit verbunden, dem „Einzahlen auf den Markenkern“ (Ecker).

Zu den von Manfred Kohl angesprochenen neuen Aufgaben gehören speziell die Rollen als Produkt- und Destinationsentwickler, zunehmend aber auch als Netzwerker und Koordinator. „Wir arbeiten als TVB inzwischen an Verkehrslösungen wie Kreisverkehre, Bahnhofsneugestaltung oder der Neugestaltung unserer Esplanade“, sagte Ecker. Hinzu komme die Netzwerker-Funktion als Serviceleister für Betriebe: Mit Vermieterakademie, Schulungsleistungen für Rezeptionisten oder auch Skilehrer. 

Die Rolle(n) der DMOs in der Zukunft

Passend zum Thema hat Martin Schobert (tourismusdesign) im Vorjahr in einem Artikel auf www.tourismusdesign.com Best-Practice Beispiele über künftige Rollen der DMOs aufgezeigt. Demnach sollten sie in drei Disziplinen glänzen: 1. Markenführung/Marketing/Vertrieb, 2. Angebots- & Produktentwicklung, 3. Coaching/Serviceagentur für Betriebe & Gäste bzw. Innovationsmotor für den Standort.

Die Bandbreite an Alternativen reicht von DMOs als reine Content-Kuratoren (Inhalte kommen von den Leistungsträgern, die DMO stellt die Plattform für deren Verbreitung zur Verfügung) über den Rückzug auf eine reine „Tourismusinformationsstelle” (Fokus auf Informationsübermittlung an die Gäste; Marketing & Vertrieb werden an LTOs, Tourismusberater oder Leistungsträger ausgelagert) bis hin zur Tourismus-Dorf-AG (die gesamte touristische Dienstleistungs- & Versorgungskette – nicht nur Beherberungsbetriebe – wird in eine Bürger-Aktiengesellschaft eingebracht).

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Erstellt am: 27. Jänner 2017

Regten am ÖHV-Kongress im Rahmen eines Vortrags zum Umdenken an: Renate Ecker und Manfred Kohl

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