T.A.I. Exklusiv Interview

„Brauchen einheitliches Modell, um touristischen Erfolg neu zu bemessen“

Print-Ausgabe 5. April 2019

Josef Margreiter (l.)  und Florian Phleps (r.)

Seit Jahresbeginn hat die Tirol Werbung GmbH einen neuen Geschäftsführer, den erst dritten nach Andreas Braun (1989 bis 1995) und Josef Margreiter (1995 bis 2018): Florian Phleps. Der ausgebildete Jurist entschied sich nach Ablegung der Rechtsanwaltsprüfung vor sieben Jahren für eine Karriere im Tourismus – ein Schritt, den er nicht bereut hat, ganz im Gegenteil. T.A.I. traf Florian Phleps zum Interview, bei dem es u.a. um die laufende Wintersaison, um Wertschöpfungsstatistik, Weltmeisterschaften, TVB-Budgets und die Neupositionierung der Tirol Werbung ging.

T.A.I.: Sie haben als fertiger Rechtsanwalt inkl. Anwaltsprüfung einer Karriere im Tourismus den Vorzug gegenüber dem juristischen Berufsweg gegeben. Was waren die entscheidenden Gründe?

Phleps: „Das war eine Kombination aus Zufall und Möglichkeiten. Als Rechtsanwalts-Anwärter habe ich in der Beratung viel mit Tourismusbetrieben zusammengearbeitet und auch in meiner Heimat Fieberbrunn immer schon bei der Entwicklung des Tourismusortes mitarbeiten dürfen. Ich war von Jugend an im Skiclub und auch bei den Bergbahnen aktiv und so wurde die Leidenschaft für die Branche sehr früh geweckt. Als dann Anfang 2012 der Sanierungsjob für die Reorganisation des Tourismusverbandes ausgeschrieben wurde, habe ich mir das als nicht gelernter Touristiker zugetraut. Bald habe ich dann gemerkt, dass ich mich in der Branche sehr wohl fühle. Ich bin froh, dass es so gekommen ist.“

T.A.I.: Inwiefern hilft Ihnen die Kenntnis ihrer früheren Tätigkeit als TVB-Geschäftsführer bei Ihrer nunmehrigen Arbeit als LTO-Chef?

Phleps: „Die hilft extrem! Sie ist eine ganz wesentliche Basis, wie ich meine Aufgaben in der Tirol Werbung bewältigen kann. Es herrscht dadurch ein großes Grundvertrauen in der Kollegenschaft, weil sie weiß, dass ich auch den Regionsbereich kenne und die Aufgaben sowie das Handwerk eines Destinations-Managers gelernt habe. Die Aufgaben der Tirol Werbung sind für kleinere Regionen ja anders  als bei den großen. Diese Diversität ist gleichzeitig unsere große Stärke. Die Regionen sind sehr nahe an der Produktentwicklung und den Unternehmen.“

T.A.I.: Die 34 Tiroler TVBs bringen es auf ein Jahresbudget von rund 175 Mio. Euro, die Tirol Werbung ohne Kooperationspartner auf rund 20 Mio. Euro. Erschwert diese Budget-Übermacht der TVBs die Arbeit der Tirol Werbung?

Phleps: „Die Budgets sind kein Widerspruch. Die Tirol Werbung ist ja nicht Dachorganisation der Tourismusverbände, sondern Türöffner für Regionen mit ihrem regionalen Angebot. Das ist unsere Stärke. Die Koordination erfolgt seit 2012 durch das Tyrol Tourism Board (TTB), wo die Vernetzung und Verzahnung aller Marketing-Aktivitäten miteinander besprochen werden. Die Tourismusverbände haben auch andere Aufgaben, als Marketing, wie etwa Dienstleistungsaufgaben am Unternehmer und Infrastruktur-Aufgaben. Ich bin froh, dass die Regionen von den Budgets her so gut ausgestattet sind, dass sie selbst auf Märkten aktiv werden können. Wesentlich ist, dass sich die Regionen mit der Marke Tirol selbst positionieren und eigene Profile entwickeln. Durch die Fusionierung zu großen Regionsverbänden ist da viel passiert.“

T.A.I.: Tirol war binnen zwei Jahren fünf Mal WM-Gastgeber. Was bringen Ihrer Meinung nach derartige Großveranstaltungen langfristig für das Tourismusland Tirol?

Phleps: „Viel. Erstens: Wir haben mit den Weltmeisterschaften in den letzten Jahren die Positionierung von Tirol als Sportland Nummer 1 untermauern können. Wir haben damit ein Alleinstellungsmerkmal und eine sehr gute Positionierungsstütze. Durch die Emotion des Spitzensports gelingt es uns, die Botschaft als aktiver Erholungsraum zu transportieren.

Zweitens: Großveranstaltungen helfen uns bei der Infrastruktur-­Verbesserung und wirken dadurch unmittelbar ins Leistungsprodukt hinein, wie beispielsweise die Radwege-­Infrastruktur oder das nordische Angebot in Ergänzung zu Ski-Alpin.

Und drittens sorgen Großveranstaltungen, mit denen wir die Marke Tirol aufladen, für Bekanntheit, Aufmerksamkeit und Image.“

Wertschöpfung vs. Nächtigungen

T.A.I.: Per Ende Februar lag die Saison mit 1,6 Prozent im Minus. Lässt sich das noch auf­holen?

Phleps: „Die Jänner-Ergebnisse waren von der Situation rund um die Schneefälle geprägt. Die überspitzte Darstellung in den Medien hat zu einer Verunsicherung beigetragen, die unnotwendig und nicht richtig war und zum Nachfragerückgang geführt hat. Im Februar war die Nachfragesituation wieder besser. Dazu kommen die späten Ostern. Deshalb werden insgesamt die Nächtigungen und Ankünfte nicht auf Vorjahres­niveau liegen.

Dies sind aber nicht die entscheidenden Parameter, sondern die Wertschöpfung. Und da hören wir von den Hoteliers, dass es ein sehr herausfordernder Winter ist. Die Bergbahnen haben durch gewisse Schließungstage im Jänner Umsatz verloren. Aber abgerechnet wird zum Schluss. Wir sind auf einem sehr hohen Niveau.“

T.A.I.: Stichwort Wertschöpfung: Wann wird es in Tirol – analog zu zeitnahen Wertschöpfungs-Statistiken auf Bezirks-Ebene bezüglich Umsätzen für Übernachtung und Frühstück – ähnliche auch auf TVB-Ebene geben?

Phleps: „In Tirol beschäftigt sich das MCI Tourismus schon seit Jahren im Forschungsprojekt Destination Research mit Wertschöpfungsentwicklungen auf TVB-Ebene. Wichtig wäre ein einheitliches Modell in ganz Österreich, damit schaffen wir eine gemeinsame Größenordnung und Vergleichbarkeit auf nationaler Ebene. Ich hoffe, dass es zu so einer Umsetzung durch den Plan T der österreichischen Bundesregierung kommt. Ziel muss jedenfalls sein, neben der Übernachtungswertschöpfung auch Tagesgastausgaben einzurechnen. Damit könnte touristischer Erfolg geeigneter berechnet werden.“

Rad-Kampagne als Initialzündung

T.A.I.: Auf der ITB in Berlin wurde der Startschuss zur großen Rad-Kampagne gegeben. Welchen Stellenwert hat diese für Tirol?
Phleps: „Ich bin sehr froh, dass es zu dieser Rad-Kampagne gekommen ist. Die Initialzündung war die Rad-WM in Tirol, die uns – also die Österreich Werbung und sieben LTOs – zusammenrücken hat lassen. Wir hoffen, dass das der Startschuss für weitere österreichweite Themenkampagnen ist.“

T.A.I.: Die Rad-Kampagne konzentriert sich auf die Quellmärkte Deutschland, Niederlande und Tschechien. Weshalb fehlt das radaffine Italien unter den Fokus-Quellmärkten?

Phleps: „Die Kampagne ist primär auf Deutschland ausgerichtet, was wichtig und richtig ist. Die Niederlande und Tschechien sind dazu gekommen. Die Kampagne wird weiterentwickelt und der eine oder andere Markt wird sicherlich noch inkludiert.

Italien ist für Tirol sehr wichtig und wir sind deshalb bereits jetzt mit den gleichen Inhalten wie in der Rad-Kampagne auch in Italien präsent. Es ist keine Ausnahme, sondern wird sogar notwendig sein, dass wir uns bei künftigen Kampagnen auf Märkte konzentrieren. Jede LTO kann dann zusätzlich noch Märkte in ihr Programm aufnehmen.“

T.A.I.: Nochmals zu den quantitativen Zahlen: Tirol hat seit der Jahrtausendwende von 40 auf 48 Mio. Übernachtungen zugelegt. Wo sehen Sie – Stichwort ‚Overtourism‘ – die Grenze? Oder gibt es keine?

Phleps: „Ganz wesentlich ist, dass wir in Tirol das qualitative Wachstum forcieren. Unser Wachstum passiert nicht durch Zuwachs der Betten, sondern durch die Steigerung der Auslastung. Wir forcieren kein Bettenwachstum. Unser größtes Potential liegt in den Nebensaisonzeiten. Der Winter ist quantitativ schon in der Nähe des Plafonds angelangt. Sowohl im Sommer als auch in den alten Nebensaisonzeiten ist Potential da, vor allem auch bei der Wertschöpfung.

Wir müssen froh sein, dass wir eine ganz starke Nachfrage nach Sommer und Winter in Tirol haben. Beides basiert auf der hohen Qualität unseres Angebotes. Das sollten wir für eine selbstbewusste Preisgestaltung nutzen, mit der auch eine gute Wertschöpfung einhergeht.“

Vom Marketing- zum Kommunikations­unternehmen

T.A.I.: Worauf werden Sie persönlich den Fokus bei der Weiterentwicklung der Tirol Werbung legen?
Phleps: „Mit Entwicklung der Tirol Holding werden wir uns als Kommunikations-Unternehmen für den Standort Tirol weiterentwickeln und Spezialisten-Aufgaben für den Tourismus übernehmen. Das ist nichts Neues: Wir haben schon vor zwei Jahren begonnen, die Entwicklung vom Marketing- zum Kommunikationsunternehmen zu vollziehen.

Viele Jahre standen die Reichweiten im Fokus des Marketings. Aufgrund des geänderten Kommunikationsverhaltens der Gäste geht es jetzt um Relevanz. Wir inter­agieren viel stärker im Dialog mit unseren Zielgruppen, die Kommunikation ist breiter geworden. Es geht nicht mehr um Einzelbotschaften, sondern um die Einbeziehung von vielen Kanälen im Sinne einer 360-Grad-Kommunikation. Die Kommunikation wird sich weiterentwickeln. Wir müssen weg von saisonalen Marketingkonzepten und hin zur Ganzjahres-­Ausrichtung. Das ist derzeit die Transformationsphase im Unternehmen. Ein Teil davon ist, dass wir in der Tirol Werbung mit interdisziplinären Teams arbeiten und alles viel stärker ineinander greifen lassen – das Ganze auch mit technischer Unterstützung. Mit Beginn 2020 wird das organisatorisch abgeschlossen sein.“

T.A.I.: Wo soll, wenn alle Ihre Pläne aufgehen, das Tourismusland Tirol im Jahr 2025 stehen?

Phleps: „Die Tirol Werbung möchte ich als in der Neuausrichtung gefestigtes, führendes Kommunikationsunternehmen der Alpen mit meiner persönlichen Prägung positionieren – aufbauend auf der jahrelangen guten Arbeit von Josef Margreiter und Andreas Braun. Für den Tiroler Tourismus ist es mein Ziel, dass Tirol als Inbegriff des alpinen Lebensgefühls wahrgenommen wird. Es geht dabei vor allem um drei Schwerpunkte – um Tirol als Lebens- und Erholungsraum, um das Halten einer Unternehmens-Struktur, die familiengeprägt und generationenübergreifend ist und drittens um Tirol als anerkannten Kompetenzführer im Alpen­tourismus. 

Kurzportrait Florian Phleps

Der gebürtige Innsbrucker Florian Phleps (38) lebt seit dem dritten Lebensjahr in Fieberbrunn. Nach seinem Jus- Studium in Innsbruck und einem Sommersemester an der University of California Berkeley (Marketing und International Business) in der San Francisco Bay Area folgten fünf Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei in Saalfelden sowie die erfolgreiche Ablegung der Anwaltsprüfung. 2012 wurde Phleps Geschäftsführer des TVB PillerseeTal, führte den Verband in die Kitzbüheler Alpen Marketing GmbH und war beratendes Mitglied im Marketingausschuss des Tyrol Tourism Board. Im Dezember 2016 wechselte er als Prokurist in die Tirol Werbung, seit Jahresbeginn 2019 ist er deren Geschäftsführer. Florian Phleps hat seinen Familienwohnsitz weiterhin in Fieberbrunn, ist verheiratet und Vater von zwei Kindern (ein und vier Jahre).

Feierte ihre Goldmedaille bei der Ski-WM  2019 im TirolBerg: Skistar Wendy Holderer

Kommentar schreiben

Bitte die Netiquette einhalten. * Pflichtfelder

Nach oben