ANA
Thomas Rottenberg für T.A.I. vor Ort in Antwerpen

Opulenz der Oberschicht mit kleiner Brise an Schildbürgertum

Print-Ausgabe 13. Juli 2018

Antwerpen präsentiert sich im Barock-Jahr 2018 als kultureller „Augenöffner“ – das Jahresmotto „Rubens inspiriert“ zeigt nämlich mehr als Alte Meister

Ariane Vanduytekom, unsere Fremdenführerin, ist verärgert. Und sie hat einen Verdacht: Kann es sein, dass sich die Stadtväter von Antwerpen eine Erzählungsreihe aus dem späten 16. Jahrhundert zu sehr zu Herzen nahmen, als es hieß, die Stadt fit für das Motto des Jahres 2018 zu machen? „Antwerp Baroque 2018: Rubens inspires“ lautet das offizielle Motto. Doch Tour Guide Vanduytekom fühlt sich an vielen Ecken ihrer Stadt an „die Bürger von Schilda“ erinnert: „Barock“ prägt die flämische Metropole ja ohnehin und immer.

Doch heuer soll nicht nur die klassisch-museale Art der „Alten Meister“ und die Stadtkulisse erzählen, was „barock“ eigentlich ist, und 600.000 Besucher nach Antwerpen locken, wie im Zuge einer Info-Reise Mitte Juni auf Einladung von „Visit Flanders“ erwähnt wurde.

Auch das kulturelle Programm soll dem Motto entsprechen: „Rubens inspiriert“ ebenso wie „Baroque 2018“. Denn es gibt tatsächlich große Parallelen zu dem, was Barock zu Rubens Zeit ausmachte: Die Oberschicht wollte damals durch Opulenz beeindrucken. Durch Pracht Zweifel an ihrem Führungsanspruch ausräumen. Heute heißt das wohl „Eventkultur“.

Bei unserer Info-Tour hatte Ariane Vanduytekom die Aufgabe, das zu vermitteln, was sich heuer in Antwerpen abspielt. Als Fremdenführerin liebt sie ihre Stadt – und ist just deshalb verärgert: Dass gerade heuer einige der wichtigsten Gebäude der Epoche den Blicken der Besucher entzogen sind, erinnert sie an eine Erzählungssammlung jener Ära: „Die Bürger von Schilda“.

Tatsächlich verbergen Gerüste und Planen um Gebäude, wie das Rathaus oder im berühmten Rubensgarten, ein paar der schönsten Barock-Juwelen der Stadt: Ein Schildbürgerstreich – aber wahrlich keine Katastrophe. Denn „Antwerp Baroque 2018: Rubens inspires“ funktioniert dennoch bestens: Das Rathaus ist kein allein stehendes Gebäude, sondern umringt von barocken Bürgerhäusern – und das Rubenshaus geöffnet. Hier sieht man nicht nur seine Werke, sondern seinen Alltag. Auch wenn sein Bett heute wohl eher zu Rückenschmerzen als großer Kunst führen würde.

Und das „MAS“, das 2011 eröffnete „Museum am Strom“, zeigt, dass Rubens kein „Einzeltäter“ war, sondern dass es viele, sogar Frauen, gab, die ihm das Wasser reichen konnten – trotz der Einschränkungen, die Künstlerinnen wie Michaelina (der eine Sonderschau gewidmet ist) hinnehmen mussten. Etliche der Exponate stammen übrigens aus Österreich.

Nicht nur im MAS spielt Österreich eine tragende Rolle. Auch im Park des – erraten – barocken Schlösschens Middelheim am Stadtrand sind Österreichische Künstler in zentraler Position. Und auch Besucher ohne kulturhistorischem Hintergrundwissen erkennen dort die Parallelen zwischen Barock und Gegenwart: So wie es im 17. Jahrhundert namhaften Künstlern oblag, in kunstvoll und minutiös gestalteten Parklandschaften, den Reichtum und die Weltgewandtheit der Auftraggeber zu zeigen, zeigt heute eben das globale Who-is-Who der zeitgenössischen Kunst im Skulpturengarten, was Kunst alles sein kann, darf und soll. Aus Österreich sind Franz West, Erwin Wurm und die Gruppe „Gelatin“ dabei.

Da geht es dann nicht ausschließlich ums Gefallen, sondern auch ums Verstehen. Zu verstehen, was „barock“ eigentlich bedeutet. Früher wie heute. Das gelingt – und ist die Reise wert. Denn das Motto stimmt: „Antwerp Baroque 2018: Rubens inspiriert.“ 

Flug, Zug, Bett & Kulinarik

Anreise nach Antwerpen auf Einladung von „Visit Flanders“ erfolgte mit Brussels Airlines ab Wien. An Bord überraschte Belgiens „Schokoladegott“, der Chocolatier Dominique Persoone, mit einem speziellen Schokolade-Catering und das aus gutem Grund: Die Airline bewirbt „Antwerpen Baroque“ diesen Sommer mit Persoones Schokolade.
Der Transfer von Brüssel-Zaventem nach Antwerpen erfolgte direkt vom Airport im Zug (Fahrzeit: 45 Minuten) und absolut empfehlenswert: der Bahnhof „Antwerpen-Centraal“ ist eine (nicht barocke, sondern – da 1905 eröffnet – neoklassizistische) Sehenswürdigkeit. Gewohnt wurde im „Hotel Franq“, ein modernes, stylish-luxuriöses 4,5-Sterne-Haus mit perfektem Service in perfekter Lage.
Restauranttipp: Das „Graanmarkt 13“ des belgischen Koch Superstars Seppe Nobel (TV-Sendung, Gastauftritte in aller Welt). Es wird von allen Restaurantführern gefeiert. Nobels Umgang mit Gemüse gilt als revolutionär.

T.A.I. vor Ort in Antwerpen

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Erstellt am: 13. Juli 2018

„Barock goes Gegenwart“: das Hafenhaus (siehe großes Bild)

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